Berlin. Angela Merkel flirtet gut vier Wochen vor der Wahl mit den Gewerkschaften. Die Kanzlerin lobt ihre gute Vermittlungsarbeit bei der Umsetzung des Konjunkturpakets. Doch die Gewerkschaften reagieren skeptisch auf Merkels Annährungsversuch.
Gut vier Wochen vor der Bundestagswahl sucht Kanzlerin Angela Merkel den Schulterschluss mit den Gewerkschaften und hat sie in höchsten Tönen gelobt. Vor einem Mittagessen mit neun Gewerkschaftschefs am Freitag im Berliner Kanzleramt dankte sie ihnen und sagte: «Sie (die Gewerkschaften) sind ein wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte auch unseres Konjunkturprogamms.» Zur weiteren Bewältigung der Krise setze sie auf Zusammenarbeit. Die Gewerkschaften zeigten sich indes skeptisch.
Merkel sagte, die Arbeit der Gewerkschaften und Betriebsräte habe dazu beigetragen, dass die Instrumente des Konjunkturpakets wie Kurzarbeit, Infrastrukturprogramme und die Stützungsmaßnahmen für die Automobilindustrie angenommen worden seien. Die Aufgabe sei nun, diesen Pfad gemeinsam fortzusetzen, auch mit dem von den Gewerkschaften geforderten Instrument der Mitbestimmung.
Ende der Krise laut Merkel in Sicht
Angesichts positiver Prognosen warnte Merkel davor, die Wirtschaftskrise als beendet anzusehen. «Die Krise ist auf dem Niveau der Talsohle noch nicht vorbei», sagte sie. Jetzt müsse alles daran gesetzt werden, «dass wir wieder dahin kommen, wo wir vor der Krise waren».
«Die Tatsache, dass wir die Talsohle eventuell erreicht haben, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies mit Abstand die schwierigste Wirtschaftskrise ist, die die Bundesrepublik Deutschland in 60 Jahren jemals zu überstehen hatte», betonte Merkel. In diesem Jahr sei ein Einbruch von minus fünf bis minus sechs Prozent zu erwarten, bislang sei der größte Einbruch minus 0,9 Prozent gewesen.
Die jüngsten Prognosen von Forschungsinstituten deuten ein Ende der Krise an. So erwartet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für das dritte Quartal ein leichtes Wachstum. Das Bruttoinlandsprodukt werde im Vergleich zum Vorquartal voraussichtlich um 0,8 Prozent steigen, heißt es in dem Konjunkturbarometer der Berliner Forscher. Bereits am Donnerstag hatten Forschungsinstitute und Bankexperten ihre Konjunkturprognosen für 2010 deutlich nach oben korrigiert.
Gewerkschafter reagieren skeptisch
Indes ließen die Gewerkschafter ihr Misstrauen zu Merkel erkennen. DGB-Chef Michael Sommer sagte, er sei irritiert über jüngste Äußerungen, die darauf zielten, Arbeitnehmerrechte wie den Kündigungsschutz infrage zu stellen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft NGG, Franz-Josef Möllenberg, sagte der «Berliner Zeitung», im Falle von Schwarz-Gelb werde der Druck, etwa beim Kündigungsschutz, zunehmen. «Ich bin skeptisch, ob unter dieser Konstellation Frau Merkel bei ihrer Ankündigung bleibt, den Kündigungsschutz nicht anzutasten.»
Ver.di-Chef Frank Bsirske forderte, die Kanzlerin müsse endlich sagen, wie es mit der Altersteilzeit weitergehe. Eine befristete Verlängerung der bislang Ende des Jahres auslaufenden Regelung sei wegen der Wirtschaftskrise absolut notwendig.
Steinmeier will auch Treffen
Derweil erklärte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann: «Das Verhältnis war schon schlechter in unserer Geschichte», sagte Laumann dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Es gebe eine gegenseitige Achtung.
Die Treffen von Merkel und den Gewerkschaftschefs finden regelmäßig statt. Zuletzt sah man sich Anfang Juni. Laut «Berliner Zeitung» will auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier die Gewerkschafts-Chefs treffen: am kommenden Dienstag im Auswärtigen Amt. (ap)