Essen. . Angesichts hoher Strompreise möchte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), dass alle Bürger in Deutschland eine kostenlose Energieberatung erhalten. Sozialtarife für bedürftige Menschen und Hartz-IV-Empfänger lehnte er im Live-Interview in der Gläsernen Redaktion im Ideenpark ab.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) war zu Besuch in der „gläsernen Redaktion“ der WAZ im Essener „Ideenpark“. Im Gespräch mit WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz und dem Leiter des WAZ-Wirtschaftsressorts, Thomas Wels, äußert sich Peter Altmaier zur Zukunft der Braunkohle, der umstrittenen Gasfördermethode Fracking und hohen Strompreisen.

Angesichts hoher Strompreise möchte Altmaier, dass alle Bürger in Deutschland eine kostenlose Energieberatung erhalten. Sozialtarife für bedürftige Menschen und Hartz-IV-Empfänger lehnt er ab. „Die Energiepreisentwicklung wird ohnehin bei der Anpassung der Hartz-IV-Sätze berücksichtigt“, sagt der Umweltminister. Daher helfe es nicht weiter, staatliche Subventionen wie Gutscheine zu verteilen oder Sozialtarife einzuführen. „Wir denken aber intensiv darüber nach, wie wir darüber hinaus helfen können. Unser Ziel ist es, dass alle Bürger kostenlos eine gute Energieberatung erhalten. Das würde auch Menschen mit einem geringen Einkommen zugute kommen.“

Hand aufs Herz, Herr Altmaier. Haben Sie manchmal den Eindruck, die Energiewende ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit?

Peter Altmaier: Die Energiewende ist für Deutschland sicherlich die größte Herausforderung seit dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit. Bei so einem riesigen Projekt tauchen natürlich immer wieder Fragen auf, die sich nicht von jetzt auf gleich beantworten lassen. Dennoch bin ich optimistisch. Ich bin jetzt seit acht Wochen im Amt, geben Sie mir noch etwas Zeit.

Energiewende nicht zum Nulltarif

Viele Bürger haben mittlerweile den Eindruck, dass sie die Hauptlast der Energiewende tragen.

Altmaier: Natürlich ist der Ausstieg aus der Atomenergie nicht zum Nulltarif zu haben. Klar ist: Die Energiewende gelingt nur, wenn Strom auf Dauer bezahlbar bleibt.

Sehen Sie die Gefahr, dass Bürger und Unternehmen überfordert werden?

Altmaier: Wir sind an dieser Stelle sehr sensibel. Aber grundsätzlich sollten wir nicht nur auf die Risiken schauen, sondern auch die Chancen betrachten. Wir entwickeln gerade Ansätze, mit denen wir die Energieprobleme in vielen anderen Ländern der Welt lösen können.

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Haben energieintensive Betriebe noch eine Zukunft in Deutschland?

Altmaier: Wir wollen, dass Deutschland ein starker Industriestandort bleibt. Daher sorgen wir auch dafür, dass Elektrostahlhütten oder Alubetriebe in unserem Land wettbewerbsfähig bleiben. Mein Ziel ist es, dass am Ende der Energiewende nicht weniger, sondern mehr Arbeitsplätze in Deutschland vorhanden sind.

Fracking nicht gegen Widerstand der Bevölkerung

Wie stehen Sie zu Plänen, in Deutschland Erdgas durch Fracking zu fördern? Da bei dieser Tiefbohrtechnik Chemikalien eingesetzt werden, ist das Verfahren höchst umstritten.

Altmaier: Ich bin nicht grundsätzlich gegen das Fracking, aber ein Verfahren wie dieses lässt sich nicht gegen den Widerstand der Bevölkerung durchsetzen. Bevor das Fracking zum Einsatz kommt, müssen sämtliche Bedenken ausgeräumt sein. Ich denke beispielsweise an den Schutz des Grundwassers und mögliche Lärmbelästigungen durch Explosionen unter der Erdoberfläche. Daher halte ich Fracking in Deutschland in den nächsten fünf Jahren für unrealistisch.

Braucht Deutschland einen Masterplan für die Energiewende?

Altmaier: Mein Ziel ist es, den Unternehmen, die an der Energiewende beteiligt sind, Planungssicherheit für die nächsten fünf, sechs Jahre zu bieten. Ein Unternehmen, das in Schiffe für den Bau von Windkraftanlagen auf hoher See investiert, braucht eine berechenbare Perspektive. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht alle 14 Tage die Strategie oder Gesetze ändern, sondern Kurs halten.

Sie haben gerade ein neues Braunkohlekraftwerke von RWE eröffnet. Ist Braunkohle eine Energie der Zukunft?

Altmaier: Wir brauchen mindestens für die nächsten 40 Jahre hocheffiziente Kraftwerke mit fossilen Energieträgern. Es gibt Momente, in denen der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, also erneuerbare Energien knapp sind. Daher sind Kraftwerke erforderlich, die schnell hoch- und wieder heruntergefahren werden können.

Runder Tisch mit Sozialverbänden

Wird der Strompreis zum Armutsrisiko?

Altmaier: Wir müssen die Frage der sozialen Gerechtigkeit bei der Energiewende im Blick behalten. Für September habe ich daher Vertreter der Sozialverbände, der Verbraucherschützer und der Politik einschließlich der Kommunen zu einem runden Tisch eingeladen, um über dieses Thema zu diskutieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir pragmatische Lösungen finden können, ohne gleich eine große Zuschussmaschinerie anzuwerfen.

Was halten Sie von Sozialtarifen für bedürftige Menschen und Hartz IV-Empfänger?

Altmaier: Die Energiepreisentwicklung wird ohnehin bei der Anpassung der Hartz-IV-Sätze berücksichtigt. Daher hilft es nicht weiter, staatliche Subventionen wie Gutscheine zu verteilen oder Sozialtarife einzuführen. Wir denken aber intensiv darüber nach, wie wir darüber hinaus helfen können. Unser Ziel ist es, dass alle Bürger kostenlos eine gute Energieberatung erhalten. Das würde auch Menschen mit einem geringen Einkommen zugute kommen.

Sie glauben, die Bürger sind nicht gut genug informiert?

Altmaier: Gegenfrage: Haben Sie etwa in der Schule gelernt, wie viel Strom ein Fernseher im Standby-Betrieb verbraucht? Alte Gefrierschränke beispielsweise verbrauchen ein Vielfaches an Energie, wenn sie nicht regelmäßig abgetaut werden. Es gibt noch riesige Potenziale für Energieeinsparungen in Deutschland.