Berlin/Erfurt. . Vor zehn Wochen wurde der CDU-Politiker überraschend Bundesumweltminister. Die ersten Amtshandlungen des Nachfolgers von Norbert Röttgen haben durchaus Eindruck gemacht. Jetzt aber ist der „Welpenschutz“ vorbei, die politische Konkurrenz sieht dem Architekten der Energiewende auf die Finger.
In dem kleinen Container-Leitstand ist es stickig. Güllegeruch liegt in der Luft. Peter Altmaier stört das nicht. Im Gegenteil. „Es ist toll zu erleben, wie die Energiewende in der Praxis funktioniert“, schwärmt der Umweltminister von der Biogasanlage, die in Griesheim nahe Erfurt inmitten von Getreidefeldern liegt und Kälberställe mit Wärme versorgt.
Vor zehn Wochen hat der 54-Jährige seinen Amtsvorgänger Norbert Röttgen beerbt, den Kanzlerin Angela Merkel nach dem NRW-Wahldesaster abserviert hatte.
Dem ehemaligen parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion bleibt gut ein Jahr Zeit, um die klägliche Bilanz der Regierung bei der Energiewende aufzupolieren. Denn noch kommen der Speicher- und Netzausbau kaum voran. Wind- und Solarparks entstehen unkoordiniert. Das Wirtschaftsministerium torpediert Energiesparmaßnahmen, während die Länder etwa beim Windkraftausbau Eigeninteressen verfolgen.
Eine der ersten Amtshandlungen: Visite in der Atommüll-Asse
Bereits jetzt hat Altmaier erste Erfolge erzielt. Dazu zählen der Solarkompromiss und neue Garantien für Windanlagen auf dem Meer. Gepunktet hat er auch mit seinem Besuch der maroden Atommüllkippe Asse, zehn Tage nach Amtsantritt. Röttgen hatte sich dort erst nach mehr als zwei Jahren blicken lassen.
Doch es ist vor allem Altmaiers Politikstil, der ankommt. Während Röttgen als kontaktscheu galt, redet der Netzwerker mit allen Beteiligten der Energiewende – ob Chemielobby, Stromkonzerne oder Umweltverbände. „Bei Herrn Röttgen hatte ich mit viel ganz viel Mühe in zweieinhalb Jahren einen Termin bekommen, bei Herrn Altmaier waren es drei in zwei Monaten“, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch.
Der wandelnde Vermittlungsausschuss
Die häufigen Treffen sind naheliegend. Politik ist Interessensausgleich, findet Altmaier. Wenn man den wolle, müsse man die Anliegen aller Beteiligter kennen. Längst gilt der Saarländer als „wandelnder Vermittlungsausschuss“. Es geht ihm darum, Mehrheiten für die Energiewende zu finden, Verbündete zu suchen und Kompromisse zu schmieden. Denn Großkonflikte wie der Bau von Stromtrassen stehen bevor.
Seit seinem Amtsantritt tourt der Altmaier deshalb durch die Bundesländer. Acht hat er bereits besucht und dazwischen fünf Tage Sommerurlaub im Saarland gequetscht. Niedersachsens Ministerpräsidenten David Mc Allister etwa schmeichelte er, das Land sei „Premiumpartner der Energiewende“. Beim Antrittsbesuch in Thüringen lobt Altmaier die „Brückenfunktion“ des Landes.
Tags zuvor hatte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) noch gezürnt, dass sie nicht erkennen könne, welches Ministerium beim Umstieg auf die Erneuerbaren Energien tatsächlich den Hut aufhat. Nun, nach dem Treffen, preist sie den Minister mit der barocken Leibesfülle als „das Gesicht der Energiewende“.
Klartext hinter verschlossenen Türen
Nach der Visite bei Lieberknecht spricht Altmaier bei den Solarwerken Masdar PV mit Vertretern aus der kriselnden Photovoltaik-Branche. Eine Stunde wird hinter verschlossenen Türen Klartext geredet, anschließend fallen Töne, die nicht jeder Politiker zu hören bekommt: Der Minister sei „authentisch, sehr ehrlich“, meint Masdar-Vorstand Matthias Peschke.
Doch nun mischen sich in die Lobeshymnen über Altmaier auch kritische Töne. „Wir sehen aber mit zunehmender Sorge, dass er viel zu wenig Widerstand gegen das Abrücken von der Energiewende leistet“, klagt Hubert Weiger vom Bund für Umwelt- und Naturschutz. Er ist enttäuscht, weil Altmaier den Zeitplan für Ziele der Energiewende infrage gestellt hat.
Umweltschützer sind vergrätzt
Vergrätzt sind Umweltschützer zudem, weil Altmaier die Ausnahmen für die industriellen Großverbraucher bei der Ökostrom-Umlage unangetastet ließ. Dabei haben bezahlbare Energiepreise nach den Worten des Ministers „oberste Priorität“.
Im politischen Alltag wiederum geht doch manches langsamer voran als geplant. So gibt es noch immer keinen Kompromiss zum Endlagersuchgesetz für die strahlenden Überreste der Atomindustrie. Daran hat auch das Treffen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in Altmaiers Altbauwohnung nichts geändert.
Die Schonzeit ist beendet
Auf „Welpenschutz“ darf der Konsensminister, der für sein Leben gerne twittert, nicht mehr hoffen. Am Wochenende hat Grünenchefin Claudia Roth die Schonzeit für beendet erklärt. Nach vielen Ankündigungen müsse Altmaier zeigen, „dass er sich von Energiewende-Bremsklötzen wie Wirtschaftsminister Rösler (FDP) und Verkehrsminister Ramsauer (CSU) nicht wie sein Vorgänger gängeln lässt“, stichelte Roth.
Doch Altmaier vermeidet es, den FDP-Wirtschaftsminister öffentlich abzugrätschen. Den Koalitionspartner brüskieren und dem politischen Gegner damit unnötig Angriffsflächen bieten – das ist eben nicht im Sinne des „wandelnden Vermittlungsausschusses“.