Essen. . Der skandalgeplagte Essener Konzern Ferrostal probt den Neustart. In seinem ersten großen Interview als Ferrostaal-Geschäftsführer skizziert Klaus Lesker seine Strategie. Er spricht über einen großen Auftrag aus Brasilien, die Erwartungen für 2012 – und seine Rolle bei Ferrostaal in der Vergangenheit.
Monatelang hat der Essener Traditionskonzern Ferrostaal mit den Folgen einer Korruptionsaffäre gekämpft. Die Firma musste eine Strafzahlung akzeptieren. Mit der Hamburger Kaufmannsfamilie Schroeder haben mittlerweile neue Eigentümer das Sagen. Nun hofft der skandalgeplagte Anlagenbaukonzern auf ruhigere Zeiten.
„Wir konzentrieren uns nun auf den Neustart“, sagt Ferrostaal-Geschäftsführer Klaus Lesker im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe. Lesker kennt das Unternehmen gut: Er war dort schon in der Vergangenheit Vorstandsmitglied. Sein Abgang im Frühjahr 2010 war der Korruptionsaffäre geschuldet. Nun soll Lesker im Auftrag der neuen Eigentümer dafür sorgen, dass es wieder aufwärts geht mit Ferrostaal.
Herr Lesker, Ferrostaal hat monatelang mit den Folgen einer Korruptionsaffäre gekämpft. Ist der Konzern wieder in ruhigerem Fahrwasser?
Klaus Lesker: Es war in der Tat keine einfache Zeit. Das Unternehmen hat eine Strafzahlung akzeptiert. Danach gab es einen Eigentümerwechsel. Wir konzentrieren uns nun auf den Neustart.
2011 hat Ferrostaal erstmals in der Geschichte des Unternehmens Verluste geschrieben. Ist für 2012 Besserung in Sicht?
Lesker: Wir sind besser auf Kurs, als wir zunächst gedacht haben. Es ist absehbar, dass wir 2012 wieder schwarze Zahlen schreiben werden.
Aber der Auftragseingang war zuletzt geschrumpft.
Lesker: In den letzten Monaten ist es uns gelungen, den Trend zu drehen. Gerade haben wir im Konsortium mit der brasilianischen Firma Tomé Engenharia einen Auftrag der Petrobras über die Ausstattung von sechs baugleichen Spezialschiffen für die Gas- und Ölgewinnung vor der brasilianischen Küste erhalten. Das Gesamtvolumen des Projekts beläuft sich auf einen Wert von rund 700 Millionen Euro. Zusätzlich wurde eine Option auf die Ausstattung von zwei weiteren Spezialschiffen mit einem Gesamtwert von 200 Millionen Euro vereinbart.
Reicht ein Auftrag, um einen Trend zu drehen?
Lesker: Mit diesem Auftrag ist Ferrostaal ein großer Schritt in einen bislang von brasilianischen Firmen dominierten Markt mit enormem Potenzial gelungen. Alleine die beiden brasilianischen Ölgesellschaften Petrobras und OSX wollen in den nächsten 8 Jahren eine Flotte von 177 dieser Spezial-Schiffe für die Exploration der vor der brasilianischen Küste liegenden Felder aufbauen. Bis 2015 will Petrobras 128 Mrd. Dollar nur für die Erdöl und Erdgas Exploration investieren.
Da ist aber eine Menge Hoffnung im Spiel. Wird die auch von einer Strategie unterfüttert?
Lesker: Wir gehen wieder zurück zu unseren Wurzeln und setzen auf Geschäftsfelder, die Ferrostaal stark gemacht haben. Dabei denke ich insbesondere an unser Handelsgeschäft sowie den Anlagenbau, gerade in Regionen wie Lateinamerika, Nord- und Südafrika sowie im Nahen Osten. Wir haben zahlreiche Projekte für die petrochemische Branche, die Öl- und Gasindustrie sowie Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien in der Pipeline.
„Wir beschäftigen uns nicht mit Stellenabbau“
Im Zuge der Schmiergeldaffäre haben viele Führungskräfte das Unternehmen verlassen. Laufen Sie Gefahr, dass Ihnen die Experten fehlen?
Lesker: Nein. Der Eigentümerwechsel und eine ganze Reihe von neuen Aufträgen hat den Mitarbeitern das Vertrauen in ihr Unternehmen zurück gegeben. Es gibt einen hohen Zusammenhalt im Unternehmen. Und einige Mitarbeiter, die zwischenzeitlich gegangen sind, befinden sich wieder an Bord.
Ferrostaal hat den Abbau mehrerer hundert Arbeitsplätze angekündigt. Sind weitere Stellenstreichungen geplant?
Lesker: Wir beschäftigen uns nicht mit Stellenabbau, sondern mit der Umsetzung unserer Vorwärtsstrategie. Die setzt auf auf den Vorteilen eines familiengeführten Unternehmens: Flachere Hierarchien ermöglichen straffere Entscheidungsprozesse. Damit stärken wir das Selbstbewusstsein unserer Mitarbeiter und damit verankern wir den Geist von Entrepreneurship bei unseren Führungskräften. Klar ist natürlich: Die Mitarbeiter werden letztlich von unseren Kunden bezahlt. Deshalb arbeiten wir daran, neue Aufträge zu bekommen.
Im Zuge der Korruptionsaffäre hat die Staatsanwaltschaft auch mehrmals gegen Sie ermittelt. Später wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 240.000 Euro eingestellt. Können Sie dennoch glaubwürdig den Neustart von Ferrostaal verkörpern?
Lesker: Im ersten Fall wurde das Verfahren alle strafrechtlichen Vorwürfe betreffend eingestellt. Was blieb, war eine Aufsichtsverletzung gegenüber einem Mitarbeiter und dafür wurde ein Bußgeldbescheid erlassen. Auch in dem zweiten Ermittlungsverfahren wurden sämtliche strafbewehrten Vorwürfe wegen erwiesener Unschuld eingestellt. Ich habe mir auch persönlich nichts vorzuwerfen. Wäre es anders, hätte ich die Aufgabe bei Ferrostaal nicht übernommen.
Es läuft aber noch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Essen gegen Sie. Wird dadurch Ihre Arbeit an der Konzernspitze belastet?
Lesker: Nein. Ich bin zuversichtlich, dass sich auch diese Vorwürfe ausräumen lassen.
„Eine solche Krise kann schnell existenzbedrohliche Ausmaße annehmen“
Was tun Sie dagegen, dass es künftig nicht wieder zu Korruptionsvorwürfen bei Ferrostaal kommt?
Lesker: Wir haben in Zusammenarbeit mit WTS, einem der renommiertesten Unternehmen in diesem Bereich, Compliance-Regeln eingeführt, die auch härtesten Anforderungen wie dem UK Bribery Act standhalten. Wir haben erlebt, wie gefährlich es ist, in Korruptionsverdacht zu geraten. Eine solche Krise kann schnell existenzbedrohliche Ausmaße annehmen.
Nun hat die Hamburger Kaufmannsfamilie Schroeder bei Ferrostaal das Sagen. Wird der Konzern dennoch ein unabhängiges Unternehmen mit Sitz in Essen bleiben?
Lesker: Ja, ganz klar. Ferrostaal wird außerdem von den Strukturen eines Familienunternehmens profitieren. Dazu gehört nicht zuletzt, dass die Mitarbeiter endlich einen Eigentümer zum Anfassen haben.