Düsseldorf. Politik und Wirtschaft setzen große Hoffnungen in Offshore-Windparks, doch die praktischen Möglichkeiten, auf hoher See Strom zu gewinnen scheinen begrenzt. RWE hat gerade ein Windkraft-Projekt in der Nordsee verschoben - weil unklare Gesetze die Planung enorm erschweren.
Der von Deutschland forcierte Ausbau der Windenergie auf hoher See gerät zunehmend in schweres Fahrwasser. Neben technischen Unwägbarkeiten macht der Energiekonzern RWE nun auch unklare Vorschriften des Bundes für weitere Verzögerungen verantwortlich. Das Unternehmen verschiebe deshalb seine endgültige Entscheidung zum Bau des weltgrößten Windparks auf See, sagte der Chef der Windenergiesparte Innogy, Hans Bünting, dem "Handelsblatt" (Mittwochausgabe). "Unser nächstes Projekt Innogy Nordsee 1 wollten wir eigentlich in der zweiten Jahreshälfte auf den Weg bringen. Die endgültige Entscheidung wird sich aber mindestens bis Anfang 2013 verzögern", erklärte Bünting. RWE wolle das geplante Bundesgesetz abwarten, das die Haftung etwa bei einem verspäteten Anschluss ans Stromnetz regeln soll.
Allerdings habe das Unternehmen die Aufträge für die Hauptkomponenten des Projekts vor der Insel Juist bereits ausgeschrieben. Das sei ein gewisser Vertrauensvorschuss, den RWE dem Bund entgegenbringe, sagte eine RWE-Sprecherin. Bereits im Bau ist vor der Insel Helgoland der RWE Windpark Nordsee Ost mit 48 Windrädern und einer Kapazität von 300 Megawatt (MW). In diesem Jahr sollen die Fundamente dafür gesetzt werden. Aber auch hier ist noch unklar, wann die Räder ans Netz gehen. "Wir haben noch kein definitives Anschlussdatum", sagte die Sprecherin.
RWE hat Erlaubnis zum Bau eines Windparks bekommen
RWE hatte im April vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die Genehmigung zum Bau des Offshore-Windparks Innogy Nordsee 1 erhalten. Der Windpark umfasst 54 Turbinen und soll rund 40 Kilometer vor Juist auf 34 Quadratkilometern errichtet werden. Auch für die geplanten Windparks Nordsee 2 und 3 wird bald eine Erlaubnis erwartet. Insgesamt plant RWE, mit Innogy Nordsee 1 bis 3 in den kommenden Jahren auf 100 Quadratkilometern rund 160 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 1000 MW zu errichten, was der Leistung eines Atommeilers entspricht. RWE hat für alle drei Phasen ein Investment von über drei Milliarden Euro veranschlagt.
Der Ausbau der Windenergie auf See ist von erheblicher Bedeutung für die von der Bundesregierung eingeleiteten Energiwende. Die Regierung will bis 2020 den Anteil von Ökostrom am Verbrauch auf mindestens 35 von derzeit 20 Prozent erhöhen. Der vom Atomausstieg in Deutschland gebeutelte Energieriese RWE hat sich ebenfalls den Ausbau seines Ökostromgeschäftes mit Milliarden-Investitionen auf die Fahnen geschrieben. Der neue RWE-Chef Peter Terium will den Anteil der Erneuerbaren an der Erzeugungskapazität des bislang schwer atom- und kohlelastigen Konzerns bis 2020 auf mindestens 20 von derzeit 7,5 Prozent steigern.
Energiekonzerne warnen die Bundesregierung vor dem Aus der Windkraft
RWE wie auch Konkurrent E.ON hatten indes immer wieder die Bundesregierung vor einem Scheitern ihrer Ausbaupläne für Windkraft gewarnt. Ihr Vorwurf: Die Stromnetzbetreiber kämen mit dem Anschluss der Windparks nicht hinterher. Die Netzbetreiber hätten sich selbst über- und die Probleme unterschätzt. Zudem seien die finanziellen Anreize für die Netzbetreiber unzureichend, da die Regulierungsbehörde ihnen Investitionen nicht besonders hoch vergüte, hatte der Chef der E.ON-Sparte Climate & Renewables, Mike Winkel, zuletzt betont. Inzwischen hat die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe aus Industrie und Politik auf den Weg gebracht, die die Netzanbindung beschleunigen soll. (rtr)