Essen. Innerhalb der Arbeitnehmerschaft des Autobauers und der IG Metall ist ein Konflikt ausgebrochen. Streitpunkt ist eine Passage in einer Presseerklärung zur Zukunft der deutschen Standorte. Allein das Fortbestehen des Bochumer Werks wird darin an die wirtschaftliche Entwicklung geknüft. Betriebsrat Einenkel wollte diese Passage nicht mittragen.
Manchmal liegt zwischen Erfolg und Misserfolg nur ein einziger Satz. Und da die Verhandlungen über die Zukunft der deutschen Opel-Standorte besonders kompliziert sind, ist ein Tag nach der allerorten verkündeten Erleichterung über das Ausbleiben von schnellen Werksschließungen längst nicht mehr so klar, für wen das Verhandlungsergebnis zwischen General Motors (GM), IG Metall und dem Konzernbetriebsrat nun gut oder schlecht ist.
Aber eins nach dem anderen: Zunächst ist es sicherlich ein Erfolg, dass die akut drohende Schließung von Werken ab 2015 vom Tisch ist. Im Sinne der Arbeitnehmer ist die Bereitschaft von General Motors positiv zu werten, bis Ende Oktober über eine Auslastung der deutschen Werke ab 2017 zu verhandeln. Für das Bochumer Werk, das GM bereits als Schließungskandidat für 2015 fest im Blick hatte, bedeutete das eine Gnadenfrist von zwei Jahren.
Als klares Ziel der Verhandlungen war aber auch von Seiten der IG Metall, der Betriebsräte und der Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Standorten klar formuliert worden: Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Erfolg und Misserfolg liegen eng beieinander. Denn die vermeintliche Einheitsfront hat auffällige Risse bekommen. Es gab Zoff innerhalb der IG Metall und der Arbeitnehmerschaft.
Verbessern sich Verkaufszahlen nicht, hat Bochum keine Zukunft mehr
Hintergrund ist nach Informationen der WAZ Mediengruppe die verschwurbelte Formulierung in einer abgestimmten Pressemitteilung, wonach einzig das Fortbestehen des Opel-Werks in Bochum an die wirtschaftliche Entwicklung geknüpft ist. Will sagen: Verbessern sich die Verkaufszahlen nicht, hat Bochum nach dem Willen von GM keine Zukunft mehr. Für die Werke Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern werde hingegen über Auslastungen verhandelt.
GM hat die Bochum-Passage mit Härte durchgedrückt. Die Verhandlungen darüber waren der Grund für die stundenlange Verzögerung, die es am Mittwochnachmittag bis zur Herausgabe einer gemeinsamen Erklärung gab. Die war ursprünglich für 13 Uhr 30 geplant. 17 Uhr 35 wurde es dann, noch dazu versehen mit einer vielsagenden Panne: Opel jagte die Erklärung raus, in der an zwei Stellen die Rede war von Verhandlungen durch Opel, IG Metall und den „Betriebsräten der deutschen Standorte“. In einer gleichlautenden Erklärung der IG Metall um 18 Uhr 17 war diese Passage aber ersetzt durch „Konzernbetriebsrat.“ Wie es in Kreisen der Düsseldorfer Landesregierung hieß, wollte der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel die Textstelle nicht mittragen, die anderen Betriebsräte und IG-Metall-Chef Huber wohl. Auf die Ernsthaftigkeit des Konfliktes deutet auch das dröhnenden Schweigen der Beteiligten. Einenkel wollte auf Anfrage nichts sagen. Bei der IG Metall hieß es: „Keine Aussage“ zu einem möglichen Konflikt unter Betriebsräten.
Erfolg der Brachialmethode von GM
Nun könnte man das alles als Wortklauberei abtun, zumal die IG Metall als Pfund in den Verhandlungen eine Stundung der Gehaltserhöhung von 4,3 Prozent in den Händen und auch die Zukunft von Opel im Blick hält.
Opelaner streiken
Man kann den Vorgang auch als Erfolg der Brachialmethode von GM werten, einzelne Werke gegeneinander in Stellung zu bringen. Wie eben in England und Polen geschehen, wo die Werke Ellesmere Port und Gliwice gegen Zugeständnisse die Astra-Fertigung ab 2015 erhielten. Rüsselsheim verliert das Modell. Das aber nicht erst in einigen Jahren. Nach Informationen dieser Zeitung wandern bereits heute schon Stückzahlen ab: nach Gliwice. Die Rüsselsheimer Hoffnungen, dieses Jahr 220 000 Autos zu bauen, sind bereits auf 160 000 abgeschmolzen. Sollten Planspiele wahr werden, noch 2012 weitere Astras nach Polen zu geben, um dort die bei lediglich der Hälfte liegende Auslastung hochzuziehen, steht das Werk Rüsselsheim mit der Produktion von 100 000 Insignias bei einer Kapazität für 220 000 Autos im kurzen Hemd da.
Im Corsa-Werk in Eisenach sieht es noch übler aus
Noch übler sieht es im Corsa-Werk Eisenach aus. Das Werk fährt eine 30-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. Die Verkaufszahlen schwinden, einen neu entwickelten Corsa soll es nicht geben, lediglich ein modernisiertes Modell. Im spanischen Schwester-Werk Saragossa ist die Corsa-Fertigung von 400 000 auf 180 000 Stück eingebrochen.
Kurzum: In Eisenach und Rüsselsheim brennt es lichterloh, die Scheinwerfer sind aber auf die Bochumer Werkstore gerichtet. Die Lage „rette sich wer kann“, beendet gemeinhin jede Solidarität. Die IG Metall muss auf der Hut sein.