Essen. . Der Duisburger Willi Segerath steigt zum wichtigsten Arbeitnehmervertreter bei Thyssen-Krupp auf. Segerath folgt auf Thomas Schlenz, der beste Chancen hat, Personalchef des Traditionskonzerns zu werden.

Willi Segerath (59) spricht ruhig, auffallend ruhig. Er ist gerade zum Chef des Konzernbetriebsrats gewählt worden – und zwar einstimmig. „Da bin ich sehr glücklich drüber“, sagt er. Neben Segerath sitzt sein Vorgänger Thomas Schlenz (55), der beste Chancen hat, den gut dotierten Posten des Personalchefs der Thyssen-Krupp-Stahlsparte zu bekommen. Ein Blumenstrauß liegt bereit. Von draußen scheint die abendliche Frühlingssonne in den Konferenzraum des Essener Thyssen-Krupp-Quartiers. Segerath betont, er sei „nur ein bescheidener Konzernbetriebsratsvorsitzender“. Mag ja sein, aber Segerath ist soeben auch zum mächtigsten Arbeitnehmervertreter des Traditionsunternehmens mit seinen rund 171 000 Beschäftigten aufgestiegen.

Manchmal sind es Zufälle, die den späteren Lebensweg bestimmen. So auch bei Wilhelm, genannt Willi, Segerath. Oder war es vor allem eine rationale Entscheidung? Jedenfalls wechselte der Duisburger Segerath 1972 ins Thyssen-Stahlwerk, weil dort als Stundenlohn eine D-Mark mehr gezahlt wurde als in der Autowerkstatt, wo er zuvor seine Lehre absolviert hatte. Segerath blieb im Unternehmen – und machte als Betriebsrat Karriere. Seit mehr als zehn Jahren ist er schon Betriebsratschef der Stahlsparte von Thyssen-Krupp. Nun übernimmt er Verantwortung für den Gesamtkonzern.

Wechsel in turbulenten Zeiten

Der Wechsel erfolgt in turbulenten Zeiten. Nachdem der Konzern das vergangene Geschäftsjahr mit tiefroten Zahlen beendet hatte, startete er auch in das neue Jahr mit Verlusten. Vor allem die Stahlwerke in Brasilien und in Alabama bereiten dem Unternehmen Probleme. Die Kosten für die neu gebauten Werke waren explodiert. Segerath hatte die Investitionen ohnehin skeptisch beäugt. Kürzlich schimpfte er: „Wir Stahlarbeiter, ob in Dortmund, Finnentrop, Bochum, Siegen oder hier in Duisburg, können nichts dafür, dass man unsere erarbeiteten Gewinne in Brasilien und Alabama versenkt hat.“

Es waren die Tage nach dem umstrittenen Verkauf der Thyssen-Krupp-Edelstahlwerke an den finnischen Konzern Outokumpu. Unter den Arbeitnehmern wuchs die Sorge, das Geschäft könne Vorbildcharakter haben für weitere Veräußerungen oder eine vollständige Trennung vom Stahlgeschäft. „Stahlarbeiter verkauft man nicht, schon gar nicht für blöd“, sagte Segerath. Es folgte ein kämpferischer Satz mit einer Anspielung auf die von Berthold Beitz geführte Krupp-Stiftung in der Essener Villa Hügel: „Wir schützen unsere Hütten im Tal und senden diese Botschaft auch in den Palast auf dem Hügel.“

Segerath ist bekannt dafür, dass er auch die aggressive Rhetorik beherrscht. „Wenn es notwendig ist, können wir nicht nur den Mund spitzen, sondern wir können auch pfeifen“, sagt er unmittelbar nach seiner Wahl. Wann er kämpfen würde? Zumindest lässt Segerath keinen Zweifel daran, dass er sich Thyssen-Krupp ohne Stahl nicht vorstellen kann.

Mitbestimmung „auf Augenhöhe“

Der bisherige Chef des Konzernbetriebsrats, Thomas Schlenz, gilt als Mann des Ausgleichs. „Diplomat aus Duisburg“ wurde er einmal genannt. Schlenz ist stolz auf sein gutes Verhältnis zu Firmenpatriarch Beitz. Noch heute lobt er die „Essener Erklärung“ aus dem Jahr 2009. Als wegen des Konzernumbaus ein heftiger Streit tobte, holte Beitz die Firmenleitung und den Betriebsrat an einen Tisch und stiftete Frieden.

Mit Blick auf Vorstandschef Heinrich Hiesinger sagt Segerath, er wünsche sich Mitbestimmung „auf Augenhöhe“. Der neue Betriebsratschef übt zudem leise Kritik an der Konzernführung, die eine Reihe von Firmen verkauft hat, um die Schulden zu verringern. „Eines ist auch klar“, betont Segerath. „Nur weiter desinvestieren kann man nicht.“ Als Anspielung auf die Gerüchte über eine mögliche Fusion von Thyssen-Krupp mit Siemens muss wohl folgender Satz verstanden werden: „Es wäre gut, dass Thyssen-Krupp weiß, was Thyssen-Krupp kann.“

Segerath will seinen eigenen Stil pflegen. „Ich werde nicht nur in den Fußstapfen meines Vorgängers laufen“, sagt er. Wer sich immer nur in Fußstapfen bewege, hinterlasse keinen eigenen Abdruck.