Athen. Griechenland hat eine wichtige Hürde im Kampf gegen die Staatspleite genommen: Laut Athener Regierungskreisen hat eine deutliche Mehrheit der Gläubiger einem Schuldenschnitt zugestimmt. Somit ist der Weg für neue Notkredite von der Europäischen Union wohl frei.

Mehr als 75 Prozent der privaten Gläubiger haben nach Angaben der griechischen Regierung inzwischen zugesagt, sich freiwillig an dem geplanten Schuldenschnitt zu beteiligen. Das verlautete am Donnerstagnachmittag aus Regierungskreisen in Athen. Die Regierung hatte die Marke von mindestens 75 Prozent angepeilt, um den Schuldenschnitt erfolgreich abwickeln zu können.

Griechen und Europäer mussten lange zittern. Griechenland bleibt damit von der gefürchteten ungeordneten Pleite verschont. Dieses Schreckensszenario hätte im Euro-Währungsraum Schäden von mehr als einer Billion Euro verursacht, schätzte der internationale Bankenverband IIF. Vor einigen Tagen hatte er gewarnt, dass nach so einem Horrorereignis wohl auch größere klamme Euro-Länder wie Italien und Spanien um Notkredite bitten müssten. Das würde die Schuldenkrise im Euro-Währungsraum drastisch verschärfen.

Schuldenerlass ist notwendig für Griechenland, um weitere Notkredite zu erhalten

Aus Sicht von Branchenbeobachtern wollte der IIF-Verband mit seiner Warnung den Druck auf zaudernde Privatgläubiger erhöhen. Denn der Schuldenerlass ist die Voraussetzung dafür, dass Griechenland ein zweites Notkredite-Paket erhält, um auch die nächsten Jahre zahlungsfähig zu bleiben. EU-Währungskommissar Olli Rehn war vor dem Ablauf der Schuldenerlass-Frist am späten Donnerstagabend zuversichtlich: „Nach den Informationen, die uns vorliegen, dürfte der Schuldenschnitt reibungslos verlaufen."

Banken wie die Deutsche Bank oder Versicherer wie die Allianz sollten möglichst freiwillig auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Darauf hatte sich Griechenland nach monatelangem Ringen mit dem Bankenverband IIF verständigt.

Angepeilt war ein Schuldenerlass von insgesamt 107 Milliarden Euro. Das soll Griechenland helfen, seinen Schuldenberg auf ein erträgliches Maß zu senken. Hätten weniger als zwei Drittel der Privatgläubiger auf ihre Forderungen verzichtet, wäre die nötige Beteiligung für den Schuldenerlass nicht zusammengekommen – und Griechenland hätte die ungeordnete Pleite gedroht.

Privatgläubiger tauschen ihre griechischen Schuldverschreibungen in neue um

Der Schuldenschnitt funktioniert so: Die Privatgläubiger tauschen ihre griechischen Schuldverschreibungen in neue Anleihen um. Diese haben einen niedrigeren Wert, längere Rückzahlfristen und sind niedriger verzinst. Unterm Strich müssen private Gläubiger damit auf insgesamt fast drei Viertel ihrer Forderungen verzichten.

Auch Pharma-Unternehmen sind vom Schuldenerlass betroffen. Die griechische Regierung hatte einst unbezahlte Rechnungen staatlicher Krankenhäuser beglichen, indem sie mit Schuldverschreibungen (Staatsanleihen) „bezahlte“.

Allianz-Chef Michael Diekmann warb für den Schuldenerlass: „Zusammen mit den großen Anstrengungen von Griechenland, anderer hoch verschuldeter Staaten und der EU wird damit ein zentraler Beitrag zur Stabilisierung der Eurozone geleistet, von der sowohl unsere Kunden wie auch wir als Investoren gleichermaßen profitieren.“ Commerzbank-Chef Martin Blessing hatte jüngst gesagt, die Teilnahme am Schuldenschnitt sei „ungefähr so freiwillig wie ein Geständnis in der spanischen Inquisition“.

Bis zum 20. März braucht Griechenland neue Notkredite

Doch die Zeit drängte. Griechenland braucht bis 20. März neue Notkredite, um Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Bis dahin muss das zweite Notkredite-Paket der Europäer und des Internationalen Währungsfonds IWF stehen. Dafür sind 130 Milliarden Euro vorgesehen. Diese Summe hatten die Notkredit-Geber auf Basis eines Schuldenerlasses von 107 Milliarden Euro berechnet.

Die Europäer und der IWF halten den Griechenland seit Mai 2010 finanziell über Wasser. Ihr erstes Notkredite-Paket ist 110 Milliarden Euro schwer.

Griechenland schuldet auch öffentlichen Gläubigern Geld. Die Europäische Zentralbank dürfte griechische Staatsanleihen im Wert von insgesamt 55 Milliarden Euro besitzen. Auch die die bisher nach Athen geflossenen Notkredite von fast 100 Milliarden Euro muss Griechenland zurückzahlen. Die „öffentlichen“ Gläubiger sind jedoch vom Schuldenerlass ausgenommen. (mit afp)