Brüssel. . Es zeichnet sich ab, dass genügend private Gläubiger dem nicht ganz freiwilligen Schuldenschnitt für Griechenland zustimmen. Damit greift auch das dringend benötigte EU-Hilfspaket
Griechen und Europäer mussten lange zittern. Doch gestern Nachmittag zeichnete sich ab, dass genügend Banken und andere private Gläubiger dem Mittelmeerstaat einen Großteil seiner Schulden erlassen. Zumindest so viele, dass der Rest der Gläubiger zum Schuldenschnitt gezwungen werden kann. Griechenland bleibt damit von der gefürchteten ungeordneten Pleite verschont.
Bis 21 Uhr konnten sich gestern Abend die privaten Gläubiger erklären. Doch die Erleichterung ließ nicht so lange auf sich warten. Der Weltbankenverband IIF, Italiens Ministerpräsident Mario Monti und griechische Regierungskreise ließen früh durchblicken, dass die für einen Schuldenschnitt erforderlichen Quoten erreicht werden. Die so lange geforderte, aber bis zuletzt ungewisse Beteiligung der Finanzmärkte an der Rettung Griechenlands ist die Voraussetzung dafür, dass Griechenland das zweite Notkredite-Paket erhält, um auch die nächsten Jahre zahlungsfähig zu bleiben. Denn nur bei einem Schuldenerlass der Privatgläubiger von 107 Milliarden Euro sollen die 130 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds IWF und den Euro-Partnern fließen.
Die Gläubiger sollten „freiwillig“ auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Weil die alten Anleihen gegen neue umgetauscht werden, die auch längere Rückzahlfristen und niedrigere Zinsen beinhalten, müssen die privaten Gläubiger aber insgesamt auf fast drei Viertel ihrer Forderungen verzichten.
Was die EU „freiwillig“ nennt, firmiert unter Bankern eher als „Enteignung“. Commerzbank-Chef Martin Blessing sprach unlängst aus, was seine Zunft über den Schuldenschnitt denkt: Er sei „ungefähr so freiwillig wie ein Geständnis in der spanischen Inquisition“.
Umtausch alter in neue Anleihen
Denn der Umtausch alter in neue Anleihen sollte nur dann erfolgen, wenn mindestens 90 Prozent der Gläubiger zustimmen. Gestern Abend kursierten verschiedene Zahlen, die höchste lag bei 75 Prozent. Damit wäre die Umschuldung eigentlich geplatzt, doch Brüssel und Athen haben sich eine Möglichkeit geschaffen, die auch alle Unwilligen zum Verzicht zwingen soll.
Und das geht so: Wenn Gläubiger mit mindestens der Hälfte des Anleihevermögens über den Schuldenschnitt abstimmen und zwei Drittel davon für den Schuldenschnitt sind, kann Athen seine Anleihen auch bei den Nein-Sagern zwangsumtauschen. Diese Schwelle war gestern bereits deutlich überschritten. Sollte es zur Zwangsumschuldung kommen, rechnen Finanzexperten mit einer Klagewelle.
Banken verlieren Milliarden
Von den 206 Milliarden Euro sollen etwa 50 Prozent bei privaten Banken liegen. Der Weltbanken-Verband IIF erklärte, dass 30 seiner Mitglieder beim Schuldenschnitt mitmachen. Sie halten griechische Staatsanleihen im Wert von 81 Milliarden Euro. Angeblich sind griechische Renten- und Krankenkassen beim Schuldenschnitt dabei. Ob Hedge Fonds mitmachen, ist unklar. Das Volumen der hellenischen Bonds in ihren Büchern ist nicht bekannt.
Die meisten Banken haben ihre Anleihen bereits entsprechend abgeschrieben, zuletzt die Commerzbank um 74 Prozent. Die Bank verlor durch die Euro-Schuldenkrise 2011 rund 2,3 Milliarden Euro.
Auch Pharma-Unternehmen sind vom Schuldenerlass betroffen. Die griechische Regierung hatte einst unbezahlte Rechnungen ihrer staatlichen Krankenhäuser beglichen, indem sie mit Staatsanleihen „bezahlte“.
Griechenland schuldet auch öffentlichen Gläubigern Geld. Die Europäische Zentralbank dürfte griechische Staatsanleihen im Wert von rund 55 Milliarden Euro besitzen. Auch die bisher nach Athen geflossenen Notkredite von fast 100 Milliarden Euro muss Griechenland zurückzahlen. Die „öffentlichen“ Gläubiger sind jedoch vom Schuldenerlass ausgenommen.