Essen. . Um das internationale Urheberrechtsschutz-Abkommen Acta zu verhindern, sind am Wochenende in Deutschland Zehntausende – auch in Dortmund und Düsseldorf – auf die Straße gegangen. Sie fürchten die Einschränkung von Freiheitsrechten. Warum Acta so umstritten ist - Fragen und Antworten.
Sie fürchten eine massive Zensur im Internet, die die Nutzung des weltweiten Web grundlegend verändert. Um das internationale Urheberrechtsschutz-Abkommen Acta zu verhindern, sind am Wochenende in Deutschland Zehntausende – auch in Dortmund und Düsseldorf – auf die Straße gegangen.
Was ist Acta eigentlich?
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Acta), das Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen, ist auf Bestreben der USA und Japan entwickelt worden. Es soll Produkt- und Markenpiraterie im Internet eindämmen und sieht härtere Strafen für die vor, die dagegen verstoßen.
Umstrittene Textpassagen wie eine verpflichtende Dauer-Überwachung jedes Internet-Surfers oder eine Sperrung für Nutzer, die wiederholt urhebergeschütztes Material über das Internet geteilt haben, sollen aber mittlerweile aus dem Text verbannt worden sein.
Wann tritt Acta in Kraft?
Damit es auch in der Europäischen Union in Kraft treten kann, müssen es die Parlamente der einzelnen EU-Staaten verabschieden. Das ist bislang noch nicht geschehen. Polen, Slowenien, Lettland und Tschechien verweigerten sogar die Zustimmung. Deutschland hat die Entscheidung verschoben. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begründete dies mit weiterem Beratungsbedarf.
Was sagen die Kritiker?
Acta-Gegner kritisieren, dass die Verhandlungen über das Abkommen hinter verschlossenen Türen geführt worden seien. Auch der polnische Regierungschef Donald Tusk räumte ein, dass lediglich mit Inhabern von Urheberrechten gesprochen worden sei. Tusk will jetzt prüfen lassen, ob Acta mit polnischem Landesrecht vereinbar ist.
Hier setzen auch die Gegner an: Acta schränke Freiheitsrechte massiv ein. Das könne sogar so weit gehen, dass Meinungsbeiträge im Internet gesperrt werden können, wenn sie etwa Markennamen erwähnen und Geschäftspraktiken des Unternehmens anprangern, so die Hacker-Gruppe Anonymous in ihrem Anti-Acta-Video auf Youtube. Das Video-Portal „YouTube“ und der Kurznachrichtendienst „Twitter“ seien so nicht mehr möglich. „So wäre das Internet, wie wir es bisher kennen, dem Untergang geweiht.“
Wo verläuft die Grenze zwischen legal und illegal?
Das ist bislang nicht hinreichend klar. Laut Anonymous reiche es bereits aus, ein Party-Video im Netz zu tauschen, in dessen Hintergrund urhebergeschützte Musik laufe, um sich nach den Acta-Regeln strafbar zu machen. Die Bundesregierung beließ es bislang bei einer simplen Erklärung: Acta sei mit deutschem Datenschutzrecht vereinbar.
Das sehen die Kritiker anders: Acta verlange von den Internet-Providern, dass sie alle über das Netz verschickten Datenpakete auf urheberrechtlich geschütztes Material überprüfen müssten. Dass dabei auch Persönliches gescannt werde, läge in der Natur der Sache. Außerdem seien die Provider verpflichtet, die IP-Adressen der Nutzer an die Rechteinhaber weiterzugeben, die die Taten dann zur Anzeige bringen könnten.
Anhand eines Kochrezepts beschreibt das Anonymous-Video, was im schlimmsten Fall passieren kann: „Stell Dir einen bezahlten Kochkurs vor, in dem Du lernst, ein tolles Tofu-Hühnchen-Gericht zuzubereiten.“ Gehe man nun nach Hause und zeige seinen Freunden, wie man mit dem Rezept das Hühnchen zubereite, mache man sich strafbar. Weil man nicht für die Weitergabe des Kochrezepts bezahlt habe.
Was sagt die Industrie?
Hauptziel von Acta sei es, die gewerbliche Produkt- und Markenpiraterie in der Breite zu bekämpfen, und nicht etwa illegale Musik-Downloads zu verfolgen, sagt etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), ein Acta-Befürworter. Acta berühre weder bestehende Datenschutzregeln, noch werde der Zugang zum Internet behindert oder würden Webseiten zensiert. Die Entscheidung der Regierung, Acta vorerst nicht zu unterzeichnen, sei eine „Rolle rückwärts“ und schade dem Innovationsstandort Deutschland.
Was sagt die Politik?
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will an Acta festhalten, wenn alle Detailfragen geklärt sind. Grüne, Linke und Piratenpartei wollen das Abkommen verhindern. Die Piratenpartei wird in ihrer Kritik am deutlichsten: Acta sei ein Beispiel dafür, wie Politik derzeit Vertrauen zerstöre. Bundesvorsitzender Sebastian Nerz sagt: „An die Stelle parlamentarischer Arbeit und offener Gesetzgebungsverfahren treten internationale, intransparente Geheimverhandlungen und Vertragswerke, die so schwammig sind, dass sie ohne Kenntnis der nicht-öffentlichen Verhandlungsprotokolle nicht abschließend bewertet werden können.“