Dortmund. . Beim Windparkprojekt 45 Kilometer nördlich vor Borkum setzt der Stadtwerkeverbund Trianel als Betreiber beim Umweltschutz neue Maßstäbe. Mit dem „großen Blasenschleier“ wird für 10 Millionen Euro der Schweinswal vor ohrenbetäubendem Lärm geschützt.
Wo Energieversorger und Umweltverbände aufeinandertreffen, da kracht es in schöner Regelmäßigkeit. Davon kann das Stadtwerkenetzwerk Trianel mit dem Kohlekraftwerksbau in Lünen ein Lied singen. Aber diesmal klingt es anders.
Auf ziemlich hoher See, 60 Kilometer vor der ostfriesischen Küste, baut Trianel den Windpark Borkum. Es ist ein 1,6 Milliarden Euro teures Projekt, das zum Gelingen der Energiewende beitragen soll. Es berührt aber, wie viele andere Offshore-Projekte auch, den Naturpark Nordsee, Lebensraum für schätzungsweise 50 000 streng geschützte Schweinswale. Den Schutz dieser „kleinen Tümmler“ lässt sich Trianel nun Millionen kosten – und erntet dafür reichlich Lob vonseiten des Naturschutzbundes Deutschland (NABU).
Als erster Windparkbauer in deutschen Gewässern hält Trianel den vorgeschriebenen Lärmschutzwert beim Einrammen der Windkraftfundamente in den Meeresboden weitgehend ein. „Ob die anderen Betreiber von Offshore-Projekten darüber glücklich sind, weiß ich nicht. Uns macht es jedenfalls glücklich“, hebt Elmar Große Ruse, Referent für Energiepolitik beim Nabu, das Engagement von Trianel hervor.
Was tut das Stadtwerke-Netzwerk, was andere lassen?
Trianel unterstützt ein vom Bundesumweltministerium angestoßenes Forschungsprojekt und hat erstmals beim Bau des Windparks Borkum die Ergebnisse in Form des „großen Blasenschleiers“ angewendet. Eine Technik, bei der ein tonnenschwerer Düsenschlauch um die Stelle gelegt wird, wo anschließend Stahlpfähle zur Verankerung der Windkraftanlage eingerammt werden. Mit Pressluft wird die schallmindernde Blasenwand erzeugt, die die Ramm-Geräusche um bis zu 14 Dezibel mindert. Beim Einrammen entsteht unter Wasser schier unglaublicher Lärm von bis zu 200 Dezibel direkt am Pfahl, der Lebewesen wie den Schweinswal im schlimmsten Fall dauerhaft orientierungslos werden lässt. Bislang werden die Tiere vor den Rammarbeiten mit einem „Warnton“ verjagt. Dann wird gerammt.
Trianel setzt das Blasenschleierverfahren seit September ein und erreicht damit als erster Betreiber die vorgeschriebene, aber bislang nie eingehaltene Lärmschutzvorschrift von 160 Dezibel in immerhin 750 Meter Entfernung von der „Rammstelle“. 28 der 40 Pfähle sind bereits gesetzt, bei bis zu 80 Prozent hat die auch von der Strömung und Untergrund abhängige Technik einwandfrei funktioniert. In der sandigen und relativ ebenen Nordsee klappt das.
Zehn Millionen Euro für 100 Wale
Der Trianel Windpark Borkum ist eines von 28 genehmigten Projekten in Nord- und Ostsee. Es befindet sich in Ausbauphase eins mit 40 Anlagen und 200 Megawatt installierter Leistung. Am Ende sollen 400 MW rund 45 Kilometer nördlich von Borkum stehen. Bei 4000 Volllaststunden reicht das für 1600 Gigawatt /Jahr und könnte den Jahresstrombedarf für 400 000 Einwohner decken.
Die letztlich 80 Windräder verteilen sich auf eine 56 Quadratkilometer große Fläche, wo Meeres-Biologen 50 bis 100 der 50 000 Schweinswale in der Nordsee vermuten.
Trianel investiert 10 Mio. Euro in die Schallschutztechnik. Denn: Je mehr Windparks im Meer gebaut werden, desto enger wird es für die Meeressäuger, die im Wasser durch Klicklaute und mit dem Gehör navigieren. Bei Lärm können sie komplett die Orientierung verlieren.
Dass bislang gegen Offshore-Projekte in Nord- und Ostsee vonseiten des Nabu nicht auf Einhaltung dieser 160db-Grenze gepocht oder gar geklagt wurde, hat Gründe. „Wir befürworten die Energiewende und auch Offshore-Windkraft. Und schließlich gab es bislang noch keine verlässliche Technik zur Schallminderung“, erklärt Große Ruse vom Nabu. Der Verband geht jetzt allerdings davon aus, dass andere Projektbetreiber wie RWE Innogy, Bard, EnBW oder Dan Tysk (Vattenfall) nachziehen müssen. Vattenfall habe angedeutet, die Hürde Lärmschutz umschiffen und nach Belgien ausweichen zu wollen. Die Belgier haben aber die Auflagen jetzt auf deutsches Niveau gebracht.
Ab Oktober wird ins Netz eingespeist
Letztlich gehe es dem Nabu darum, bei der Energiewende Natur- und Artenschutz nicht untergehen zu lassen. Und Trianel um Akzeptanz beim Bürger und den am Projekt beteiligten Stadtwerken, darunter Unna, Fröndenberg und Witten, erklärt Geschäftsführer Becker, der dafür „die geringere Rendite“ in Kauf nimmt.
Der Netz-Anschluss des bisher größten Windparkprojektes in der Nordsee, führt über eine Tennet-Trasse bei Norderney durch das Wattenmeer und steht kurz bevor. „Wir rechnen damit, dass ab Oktober bereits ins Netz eingespeist wird“, erklärte Trianel-Geschäftsführer Sven Becker. Ab Februar 2013 werde dann der Windpark Borkum, Teil I dauerhaft ans Netz gehen. Die Rendite des Milliardenprojektes wird durch den Blasenschleier und die damit verbundenen Kosten von zehn Millionen Euro letztendlich überschaubar getrübt.