Essen. Bei Steuerbetrug in großer Höhe duldet der Bundesgerichtshof keine milden Strafen mehr. Das hat der BGH am Dienstag entschieden. Für prominente Steuersünder wie Boris Becker oder Klaus Zumwinkel hätte dies - wären sie jetzt vor Gericht - Haft bedeutet.
Schön für Boris Becker, dass er seine 1,7 Millionen schon vor Jahren steuerfrei beiseite geräumt hat. 2003 kam der Tennis-Profi vor Gericht. Er wurde wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft verurteilt – auf Bewährung.
Schön auch für Klaus Zumwinkel. Der Postmanager, der in Köln nach eigener Meinung „in einer medialen Hinrichtung“ spektakulär aus dem Haus geführt worden war, hatte gestanden, 970 000 Euro unversteuert über eine Stiftung nach Liechtenstein geschleust zu haben. Das Landgericht Bochum sah ihn „von Reue getragen“. Es verschonte ihn 2009 von der Gefängnisstrafe.
„Kein Kavaliersdelikt mehr“
Von jetzt an werden solche Sachen nicht mehr ohne Haftstrafe geahndet. Die gesetzlichen Höchststrafen liegen immerhin bei zehn Jahren. Der 1. Senat des Bundesgerichtshofes, bereits seit längerem bekannt für seine verschärfte Gangart gegen Steuersünder, hat die neue rote Linie eingezogen: Wer eine Million Euro oder mehr am Finanzamt vorbeischafft, wird definitiv ins Gefängnis müssen. Richter dürfen die Straftaten grundsätzlich nicht mehr zur Bewährung aussetzen. Bundesanwalt Wolfgang Kalf: „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt mehr.“
Offen ist, wie viele Steuersünder das Urteil treffen wird. Die Gerichte müssen noch zahlreiche Fälle von Hinterziehung und Betrug abarbeiten, die vor allem über die durch Landesregierungen angekaufte Bankdatensätze aufgeflogen sind.
In dem Fall, den der BGH jetzt zu beurteilen hatte, spielten die verräterischen Auslands-CDs keine Rolle. Eine fast schon klassische Methode hatte der Augsburger Geschäftsmann gewählt, um den Staat um 1,14 Millionen Euro zu bringen: Falsche Angaben in der Steuererklärung zu einem Aktienverkauf, zusätzlich eine fingierte Schenkung an Frau und Kinder.
Wut im Bauch
Die Augsburger Richter rechneten ihm ein Geständnis hoch an. Das Urteil fiel also wie bei seinen prominenten Vorgängern aus: Zwei Jahre auf Bewährung. Es ist das Maß, das manche Steueranwälte der Klientel als normale Größenordnung versprechen.
Vorbei. Künftig muss eine Haftverschonung „gut begründet“ sein, urteilte der 1. Senat – und tat dies wohl auch mit ein bisschen Wut im Bauch. Schon im Dezember 2008 hatten die Karlsruher Richter in einem Grundsatzbeschluss „nur noch in Ausnahmefällen“ einen Erlass der Gefängnisstrafe zugelassen. Nur: Gerichte hatten seither ziemlich viele Ausnahmefälle gesehen. Zumwinkel, wenige Wochen später verurteilt, war so einer.
Ist Deutschland immer noch ein Paradies für Steuersünder? Dieser Ruf bröckelt. Tatsächlich waren ja nicht nur Tennis-Becker und Post-Zumwinkel milde davongekommen. Auch Fälle wie der des Reiters Paul Schockemöhle, des Sängers Freddie Quinn oder der von Peter Graf hatten Schlagzeilen gemacht – wobei Steffi Grafs Vater zumindest die Hälfte der Haftzeit absitzen musste. Seit etwa 2008 aber ist auf breiter Front die Kehrtwende da. Der Staat besorgt sich nicht nur die internen Auflistungen der Schweizer Banken – notfalls gegen Schmiergeld für „Verräter“. Es gelten auch strengere Vorgaben des obersten Gerichts für die Geldstrafe.
Zusätzliche Fahnder
Sie wird schon fällig, wenn bis zu 50.000 Euro hinterzogen wurden. Und Länder wie NRW und Baden-Württemberg heuern zusätzliche Steuerfahnder an. Mag einer 60.000 Euro Gehalt kosten – er bringt in der Regel Nachzahlungen von einer Million jährlich für die Staatskasse.
Freilich: Möglich ist, dass künftig auch kleinere Fische ins Netz gehen – die, die dem Fiskus ein paar Tausender verschwiegen. Gerade erst hat der Bundesrechnungshof beklagt, die normale Steuererklärung, die mit den abgerechneten Fahrtkosten zur Arbeitsstelle, werde in Finanzämtern nicht mehr sauber geprüft, sondern „durchgewunken“. Stichproben hätten 100-prozentige Fehlerquoten ergeben. Das Papier liegt auf den Pulten im Bundestag.