Davos. IWF-Chefin Christine Lagarde hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos um eine Aufstockung der Ressourcen ihrer Organisation geworben. Wenn genügend Mittel im Fonds wären, würden die Märkte beruhigt. Sei das Vertrauen erst einmal wiederhergestellt, müsse das Geld gar nicht verwendet werden.
Angesichts der europäischen Schuldenkrise und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, um eine Aufstockung der Ressourcen ihrer Organisation geworben. Dadurch könne das Vertrauen in das globale Finanzsystem gestärkt werden, sagte Lagarde am Samstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Sie sei in den Schweizer Wintersportort gekommen, um "etwas Geld zu sammeln". Wenn genügend Mittel im Fonds wären, würden die Märkte beruhigt. Sei das Vertrauen erst einmal wiederhergestellt, müsse das Geld gar nicht verwendet werden.
Europäische Länder haben ihre Bereitschaft signalisiert, den IWF mit 150 Milliarden Dollar zu unterstützen. Das würde bedeuten, dass der Rest der Welt 350 Milliarden Dollar beisteuern müsste. Allerdings fordern zahlreiche Länder, darunter auch Großbritannien und die USA, größere Anstrengungen Europas. Dazu zähle vor allem die Aufstockung des europäischen Rettungsfonds.
Lagarde: Größeres Wirtschaftswachstum in der Eurozone möglich
Lagarde erklärte in Davos, sie sehe bei einigen Euro-Ländern durchaus noch Möglichkeiten für ein größeres Wirtschaftswachstum. Die 17 Länder der Eurozone sollten nicht im gleichen Tempo oder Ausmaß dramatische Ausgabenkürzungen vornehmen, um gegen die Staatsverschuldung anzukämpfen, sagte sie. Zwar hätten nicht viele Euro-Länder die nötige Flexibilität, es sei aber wichtig, dass fähige Länder nach Möglichkeiten suchten, um das Wachstum anzukurbeln.
Dabei dachte die IWF-Chefin offenbar an Deutschland, die stärkste Wirtschaftsmacht in Europa. Konkrete Länder oder Vorschläge, wie das Wachstum angekurbelt werden solle, nannte sie aber nicht.
Lagarde rief die 17 Euro-Staaten auf, eine klare und einfache Schutzmauer aufzubauen, um die derzeitige Schuldenkrise zu begrenzen und das Vertrauen wiederherzustellen. Zudem sollten die Euro-Länder in den nächsten Monaten und Jahren ihre Wirtschaft enger verzahnen.
Europäische Schuldenkrise in Davos zentrales Thema
Die Unsicherheit bezüglich der europäischen Schuldenkrise war beim Weltwirtschaftsforum in Davos deutlich zu spüren. Mit Blick auf das Sorgenkind Griechenland sagte ein deutscher Beamter am Samstag, Athen sollte vorübergehend seine Steuerhoheit abgeben und Entscheidungen über Ausgaben einem Budget-Beauftragten aus der Eurozone überlassen, um weitere Rettungspakete zu erhalten. Der Beamte wollte namentlich nicht genannt werden.
Der britische Schatzkanzler George Osborne sagte: "Die Tatsache, dass wir Anfang 2012 noch immer über Griechenland reden, ist ein Zeichen dafür, dass dieses Problem noch nicht bewältigt wurde." Die Eurozone müsse sich in den kommenden Wochen vor allem darauf konzentrieren, für ein baldiges Ende der Verhandlungen über einen Schuldenschnitt für Griechenland zu sorgen und eine Schutzmauer aus Maßnahmen aufzubauen, um die Schuldenkrise einzudämmen.
US-Ökonom Roubini warnt vor harten Zeiten
Unterdessen warnte der bekannte US-Ökonom Nouriel Roubini vor einem Anhalten der aktuellen Krise bis zum Ende des Jahrzehnts. Wenn Europa sich nicht selbst radikal reformiere und die USA nicht effektiv gegen ihren Schuldenberg angingen, stünden der globalen Wirtschaft auch weiter harte Zeiten bevor, sagte der Wissenschaftler in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP. Ohne wesentliche Veränderungen in der Politik könnten die Dinge sogar noch deutlich schlimmer werden.
Die US-Wirtschaft werde dieses Jahr voraussichtlich nur um 1,7 bis 1,8 Prozent zunehmen, sagte Roubini. Er warf der Regierung in Washington vor, Probleme vor sich herzuschieben und nicht die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern.
Der Ökonom sprach sich für eine Reduzierung der weltweiten Ungleichheit aus. Statt in den Finanzsektor und Immobilien zu investieren, müssten sich Regierungen auf das "menschliche Kapital" konzentrieren, "unsere Struktur, unsere Technologie, unsere Innovation", forderte Roubini.
Der an der Universität von New York lehrende Ökonom erlangte internationale Bekanntheit durch seine Vorhersage der Finanzkrise 2008.
Halbnackte Demonstrantinnen festgenommen
Am Rande des Weltwirtschaftsforums wurden am Samstag drei barbusige Demonstrantinnen aus der Ukraine festgenommen. Die Frauen hatten versucht, ein Treffen internationaler Firmenchefs und Politiker zu stören. Sie trafen am Samstag am Eingang des Kongresszentrums im Schweizer Wintersportort ein. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zogen die Frauen ihre Oberteile aus und kletterten über einen Zaun, ehe sie festgenommen wurden. Die Aktivistinnen wollten mit ihrer Protestaktion auf Bedürftige in der Welt aufmerksam machen. (dapd)