Essen. . Bei Nirosta liegen die Nerven blank. Der finnische Kaufinteressent Outokumpu will die Edelstahl-Öfen der Thyssen-Krupp-Sparte in Bochum und Krefeld abschalten. Über 1000 Arbeitsplätze wären dadurch gefährdet. Die Gewerkschaft protestiert.
Die Zukunft der deutschen Edelstahlproduktion entscheidet sich in diesen Tagen hinter verschlossenen Türen. Manager von Thyssen-Krupp und dem finnischen Interessenten Outokumpu loten mit der Arbeitnehmerseite aus, wie es weitergehen soll mit der Edelstahlsparte Inoxum samt ihrer Weltmarke Nirosta. Dabei prallen Welten aufeinander. Denn nach Informationen der WAZ spitzten sich die Verhandlungen auf die Frage zu, ob Nirosta zum reinen Weiterverarbeiter ohne eigene Schmelzöfen und Stahlkocher degradiert wird. Die Nerven liegen blank, wie aus Verhandlungskreisen zu hören ist.
Roheisen aus Italien
Einig sind sich alle drei Parteien nur in einem Punkt: So wie bisher geht es nicht weiter – weder mit Nirosta noch Outokumpu. Beide Unternehmen leiden unter den enormen Überkapazitäten auf dem europäischen Stahlmarkt. Die finnischen Manager haben einen aus ihrer Sicht klaren Plan, wie aus den beiden schwächelnden Unternehmen ein gesunder und profitabler Weltmarktführer geschmiedet werden kann.
Die Roh-Edelstahlproduktion soll in Finnland und dem italienischen Nirosta-Werk in Terni konzentriert werden. Dem Vernehmen nach haben die Outokumpu-Unterhändler deutlich gemacht, dass sie die Stärken der deutschen Nirosta in den weiterverarbeitenden Kaltwalzwerken sehen. Die Rohstahl-Brammen würden dann aus Finnland und Italien zugeliefert.
Dieser Plan würde jedoch Stahlwerke und Arbeitsplätze in Deutschland gefährden. Deren Erhalt hatten Betriebsrat und IG Metall aber mit Thyssen-Krupp als Voraussetzung für einen Verkauf ausgehandelt. Für die Schmelzwerke in Krefeld und Bochum ist kein Platz im Konzept der Finnen, daran lassen die Unterhändler dem Vernehmen nach keinen Zweifel. An ihnen hängen 1000 der 2500 Arbeitsplätze in Krefeld und Bochum. Die ohne betriebsbedingte Kündigungen abzubauen, wäre mehr als nur eine Herausforderung.
Auftragseinbrüche würden zuerst die deutschen Walzwerke treffen
Und die Befürchtung liegt nahe, dass auch künftige Auftragseinbrüche zuerst die verbliebenen deutschen Walzwerke treffen würden. Bei zusätzlichen Überkapazitäten würde es wirtschaftlich wenig Sinn machen, Rohstahl etwa von Finnland nach Deutschland zu transportieren, wenn die dortigen Walzwerke nicht ausgelastet sind. Die Transportkosten könnte sich Outokumpu dann sparen.
Beteiligte berichten von zähen Verhandlungen in „extremer Anspannung“ und unter enormem Zeitdruck. Thyssen-Krupp hat ein Interesse daran, seine Edelstahlsparte Inoxum aus den Büchern zu bekommen. Und Outokumpu muss seinen Investoren nach zuletzt tiefroten Zahlen neue Perspektiven bieten.
Der aus finnischer Sicht schlüssigen Strategie halten die Arbeitnehmervertreter Qualitätsargumente entgegen. Nirosta gilt als Innovationsführer in Edelstahl-Schmelzverfahren, das Bochumer Werk als das effizienteste weltweit. NRW-Arbeitsminister Guntram Guntram Schneider (SPD) bangt deshalb um die „Technologieführerschaft“ der deutschen Edelstahlindustrie.
Am Freitag erwartet die IG Metall 2500 Nirosta-Beschäftigte zu einer Kundgebung in Bochum. Sie wollen gegen die Pläne von Outokumpu protestieren. Landeschef Oliver Burkhard gibt sich kämpferisch: „Wir brauchen harte Zusagen für die Beschäftigten von Outokumpu und von Thyssen-Krupp. Nur dann kann es eine Lösung geben.“