Essen. . Euro, Teuro, Euro-Krise: 10 bewegte Jahre liegen hinter der europäischen Gemeinschaftswährung. Der Ökonom Ansgar Belke von der Uni Duisburg-Essen erklärt im Interview Vor- und Nachteile des Euro und was passieren würde, wenn wir zur D-Mark zurückkehren würden.

Vor zehn Jahren wurde die europäische Gemeinschaftswährung eingeführt. Just an ihrem runden Geburtstag steckt der Euro in seiner bislang schwersten Krise. Janet Lindgens sprach mit dem Ökonomen, Professor Ansgar Belke, von der Universität Duisburg-Essen darüber, was der Euro den Deutschen gebracht hat und was eine Rückkehr zur D-Mark bedeuten würde.

Herr Professor Belke, rechnen Sie Euro noch in D-Mark um?

Ansgar Belke: Nein, denn je weiter man von der Euro-Einführung entfernt ist, desto größer wird der Fehler.

Eine knappe Mehrheit der Deutschen wünscht sich die D-Mark zurück. Warum sind die Deutschen mit der Gemeinschaftswährung auch nach zehn Jahren noch nicht warm geworden?

Ansgar Belke: Die Euro-Krise hat vielen Menschen vor Augen geführt, dass Länder wie Griechenland oder Italien ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind und die Politik der Regierungen immer schlechter geworden ist. Das Solidargefühl der Deutschen leidet darunter. Hinzu kommt, dass die Deutschen den Euro für Preissteigerungen verantwortlich machen.

Warum hat der Euro seinen Titel als Teuro nie verloren?

Ansgar Belke: Es ist nicht wahr, dass der Euro alles teurer gemacht hat. Er hat sein Stabilitätsziel erfüllt. Zum einen aber machen viele Menschen den psychologischen Fehler und vergleichen immer noch mit D-Mark-Preisen. Zum anderen gab es, als der Euro eingeführt wurde, große Schwankungen bei Rohstoff- und Nahrungsmittelpreisen. Gerade das spüren die Menschen besonders im Geldbeutel. Dagegen sind langlebige Güter, wie Waschmaschinen oder Fernseher günstiger geworden. Doch das schaffen sich die Menschen seltener an. Für Probleme hat der Euro woanders gesorgt; die Deckung von Verbindlichkeiten der Banken, aber auch der Privaten durch Eigenkapital war durch eine zu expansive Geldpolitik in den ersten acht, neun Jahren viel zu gering. Die Zinsen in der Eurozone hatten sich aufeinander zu bewegt und Kredite waren in jedem Land billig. Dies hielt die Eurozone lange zusammen. Als in der Finanzkrise diese Kreditblase platzte, war klar, dass es diesen Klebestoff für den Zusammenhalt nicht mehr gab.

Welche Vorteile hat uns der Euro gebracht?

Ansgar Belke: Mit dem Euro sind Exporte billiger geworden, Transaktionskosten und Ausgaben für Währungssicherungsgeschäfte fielen weg. Der Euro hat zudem zu einer Vertiefung der europäischen Gemeinschaft geführt und Deutschland die Reintegration in die Weltpolitik gebracht. Die Eurozone hat uns letztlich auch vor den Auswirkungen der Finanzkrise geschützt. Wenn die Länder damals einzeln dagestanden hätten, wären die Wechselkursschwankungen viel höher gewesen.

Gibt es auch Nachteile, die uns der Euro gebracht hat?

Ansgar Belke: Da gibt es mehrere. Da die D-Mark stärker wäre als der Euro, könnten wir günstiger Waren importieren. Mit der Euro-Einführung haben wir zudem die eigene Geld- und Währungspolitik aufgegeben. Die Währung der Mitgliedsländer kann seither nicht mehr frei schwanken, um auf Schocks von außen zu reagieren. Das hat das Beispiel Griechenland gezeigt: Griechenland konnte in der Krise die eigene Währung nicht mehr abwerten.

Das aber hätte auch uns Deutschen gut getan, weil wir dann nicht so viele Rettungsschirme hätten aufspannen müssen. Ein Konstruktionsfehler des Euro besteht darin, dass wir keine politische Union mit Sanktionsmechanismen für Schuldenstaaten haben. Der Bürger badet das nun durch höhere Steuern und steigende Preise aus. Deutschland finanziert durch billige Zentralbank-Kredite die Importüberschüsse der anderen Euro-Mitgliedsländer auf Pump.

Die Inflationsangst der Deutschen ist also berechtigt?

Ansgar Belke: Kurzfristig sicher nicht, denn die Wirtschaft wird sich in 2012 erst einmal abkühlen. Aber ich glaube, mittel- und langfristig wird die Inflationsgefahr steigen. Mit dem nächsten Aufschwung wird die Inflation auf die Bühne zurückkehren und mit jedem Konjunkturzyklus im Trend weiter steigen. Denn die Politik wird auf Druck der US-Amerikaner einen Teil der Staatsschulden einfach weginflationieren. Auch die Leitzinsen in der Eurozone werden nächstes Jahr noch weiter fallen.

Könnten wir zur D-Mark zurückkehren? Was würde passieren?

Ansgar Belke: Die D-Mark würde massiv aufwerten. Importe würden dadurch zwar billiger, aber unsere Exporte deutlich teurer. Das würde in Deutschland einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten. Des Weiteren müssten Unternehmen, Haushalte und Banken, die in Ländern der Eurozone investiert sind, einmalig hohe Abschreibungen vornehmen. Das würde viele in den Konkurs treiben. Zudem müsste man sich um das Verhalten der Europäischen Zentralbank in der verbliebenen Rest-Eurozone Sorgen machen. Sie würde, um eine Rezession zu vermeiden, massiv inflationieren, was den Realwert der Erträge auf deutsche Investitionen in der Eurozone erodieren könnte. Schließlich müsste Deutschland, wenn es aus dem Euro rausgeht, auch aus der EU austreten. Zölle und Handelsbeschränkungen kämen dann wieder. Der Euro dürfte nach dem Austritt seiner größten Volkswirtschaft früher oder später zusammenbrechen.

Zehn Jahre Euro

Der Euro wurde am 1.1.2002 eingeführt.

In 17 Ländern der EU ist der Euro Zahlungsmittel.

Der Euro ist die gemeinsame Währung von 330 Millionen Menschen.

Als letztes Land kam Estland am 1. Januar 2011 zur Eurozone.

Seinen bisherigen Höchststand erreichte der Euro am 9. April 2008. Damals notierte er bei 1,596 US-Dollar.

Den bisherigen Tiefstand markierte er kurz nach seiner Einführung am 22. Januar 2002. An diesem Tag war der Euro nur 0,86 Dollar wert.

Seit Einführung des Euro betrug die jährliche Inflationsrate im Durchschnitt 1,6 Prozent. Der Euro ist damit stabiler als die D-Mark.

Besonders Heizöl und Kraftstoffe sind in den vergangenen zehn Jahren teurer geworden. Die Preise dafür stiegen um 85 Prozent.

Strom wurde in diesem Zeitraum um 66 Prozent teurer, Lebensmittel um 16,5 Prozent.

Dagegen fielen die Preise für langlebige Güter wie Fernseher, Computer oder Waschmaschinen um 6 Prozent.

Trotz Einführung des Euro gibt es die D-Mark noch immer.

Ende November 2011 waren noch 13,3 Milliarden D-Mark im Umlauf.

6,4 Milliarden Euro in Scheinen und 6,9 Milliarden in Münzen.

Damit kursierten noch 172 Millionen D-Mark-Scheine und fast 24 Milliarden Münzen.

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Geben Sie eine Prognose: Wird der Euro überleben?

Ansgar Belke: In den nächsten zwei, drei Jahren wird er allein deshalb überleben, weil das Übergangsszenario so katastrophal wäre. Eine mögliche Lösung sehe ich als Ultima Ratio in einer Kernwährungsunion mit Frankreich. Aber bis wir den schmerzhaften Übergang akzeptieren, muss noch Schlimmeres passieren. Bis auf Weiteres haben wir den Euro noch.