Gladbeck.
Derivate. Basel III. Liquiditätssteuer. Wenn Lieschen Müller den Sparkassenchef fragen würde, ob er ihr diese ganze Euro- und Finanzkrise und die möglichen Folgen für sie persönlich erklären könnte, würde ihm „die Antwort nicht leicht fallen“, gibt Ludger Kreyerhoff zu, der mit seinem Vorstandskollegen Walter Piétzka zu einem Besuch in der WAZ-Redaktion war.
Und besonders viele positive Aussichten auf eine Entspannung der Situation könnte er ihr wohl auch nicht machen, so Kreyerhoff. Dabei sei er eigentlich Optimist, kein Schwarzmaler. „Aber mein Optimismus hat in diesem Jahr gelitten“, sagt er. Denn der lokale Blick auf die globale Finanzwelt sei ein sorgenvoller. Die täglichen Meldungen über hoch verschuldete Euroländer und Abstufungen durch Ratingagenturen bleiben nicht ohne Wirkung. „Letzte Woche, als es um die Eurorettung ging, stand das ganze System auf Messers Schneide“, gibt Kreyerhoff zu bedenken. Immerhin, dass es nun beim EU-Gipfel in Brüssel zu stabilisierenden Beschlüssen kam, sei eine Beruhigung.
Dabei könnten sich Regionalbanken wie Sparkassen und Volksbanken eigentlich entspannt zurücklehnen, obwohl man derzeit durchaus Mittelabflüsse durch Sparer zu anderen, auch staatlich gestützten Banken registriere. In dem globalen Finanzspiel mit hoch spekulativen Geldgeschäften mischten und mische die Sparkasse gar nicht mit, ihr Geschäftsmodell konzentriert sich auf den regionalen Markt. Die Verwaltung von Kundeneinlagen und das Kreditgeschäft mit mittelständischen Unternehmen sind ihr klassisches Geschäft vor Ort. Die Kundeneinlagen seien breit gestreut, eher konservativ angelegt. „Wir sind ohnehin kleine Rädchen am Rande“, beschreibt Walter Piétzka die Rolle der regionalen Banken. Dennoch: Auch wenn die regionalen Banken die Krise nicht verursacht haben, müssen sie sie mit ausbaden. Die nach der Finanzkrise 2008 beschlossenen verschärften Regelungen gelten auch für sie.
Basel III, zum Beispiel. Ausgedacht, um den Banken Risikogeschäfte zu erschweren und ihren Kunden größere Sicherheit zu geben, indem ein höheres Eigenkapital (10,5 %) von den Banken verlangt wird. Das ist keine allgemeine Richtlinie wie bei Basel II, sondern eine verpflichtende EU-Verordnung. Diesen Anforderungen zu entsprechen, wird zwar kein Problem für die Stadtsparkasse sein. Kreyerhoff: „Unser Eigenkapital ist ausreichend. Dafür sind wir gut gewappnet.“ Allerdings würden durch andere neue Regelungen Geschäfts- und Liquiditätsbegrenzungen spürbar werden. Eine Entwicklung, die man eher skeptisch sieht.
„Mit Basel III bekommen wir das angelsächsische System, das amerikanisiert unser Bankensystem“, sagt Piétzka. Was die Politik nicht verstanden habe: Basel III verändere die Angebotsstruktur der hiesigen Banken. Statt der hier üblichen Kreditverträge mit langfristig festgelegtem Zinssatz werde es ähnlich wie in den USA Verträge mit kurzfristigeren Laufzeiten geben, und damit für die Kunden, die beispielsweise ihren Hauskredit neu verhandeln müssen, mehr Schwankungen bei den Zinsen mit der ansteigender Tendenz. Das derzeitig extrem niedrige Zinsniveau wird auf Dauer nicht zu halten sein. „Letztendlich wird Basel III die Kredite teurer machen“, ist Kreyerhoff überzeugt. „Und Risiken durch die kürzeren Zinsbindungen auf die Kunden verlagern“, ergänzt Piétzka. Langfristige Zinsen werde es gar nicht mehr geben, „oder sie fallen deutlich höher aus.“
Insgesamt, so die beiden Vorstände, werde die Ertragssituation der Sparkasse eingeschränkt, vor allem wegen höherer Aufwände. „Das bedeutet für uns, dass wir uns schlanker setzen müssen“, argwöhnen Kreyerhoff und Piétzka.
Das örtliche Kreditinstitut zieht sich übrigens seit geraumer Zeit aus dem Immobilienbesitz zurück. „Das gehört nicht zu unserem Kerngeschäft und bedeutete stets hohen Aufwand“, so Vorstand Walter Piétzka. Früher besaß die Sparkasse bis zu 20 Immobilien, heute sind es noch vier.