Essen/Herne. . Immer mehr Details über das illegale Abkippen von Abfällen durch Verantwortliche der Firma Heinrich Becker GmbH kommen an die Öffentlichkeit. Das NRW-Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat sie in einem Bericht zusammengefasst. Am heutigen Mittwoch soll er im Umweltausschuss des Landtages diskutiert werden.
Stein für Stein setzt sich das Mosaik zusammen: Immer mehr Details über das illegale Abkippen von Abfällen durch Verantwortliche der Firma Heinrich Becker GmbH kommen an die Öffentlichkeit. Das NRW-Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat sie in einem Bericht zusammengefasst, der DerWesten vorliegt. Am Mittwoch (14.) soll er im Umweltausschuss des Landtages diskutiert werden. Im Anschluss könnte auch der Druck auf einen Großen der Ruhrgebiets-Wirtschaft steigen: den Thyssen-Krupp-Konzern.
An den Stahl-Giganten ergeben sich aus dem Bericht des Ministeriums einige drängende Fragen. Im Fokus dabei: die Thyssen-Halde in Wanne-Eickel. Das Land berichtet, dort seien „großflächig nicht verdichtungsfähige und nicht standsichere Abfälle“ abgekippt worden. Ein Mitarbeiter der Firma Heinrich Becker habe dies bereits zugegeben.
Fraglich bleibt, warum Thyssen-Krupp die Stadt Herne erst Wochen nach den anonymen Hinweisen auf illegale Abfälle informiert hat. Der Konzern ließ im Juni 2010 zunächst selbst nach dem Müll suchen. Laut Ministeriums-Bericht fand ein vom Konzern beauftragter Gutachter dabei keinen kritischen Müll. Über Monate setzten sich Thyssen-Krupp und die Stadt Herne später über das weitere Vorgehen auseinander. Im September 2010, so der Bericht, wussten beide Seiten Bescheid. Erst im Juli 2011 erfuhren dann auch die Bezirksregierung Arnsberg und das NRW-Umweltministerium von den Problemen. Das Land riss die Angelegenheit an sich und unterstützt seitdem die Staatsanwaltschaft, die gegen mehrere vermeintlich Verantwortliche ermittelt.
Ein Mitarbeiter der Firma soll dies zugegeben haben
Umstritten bleibt, ob die Deponie, die die Bottroper Firma im Auftrag von Thyssen-Krupp abdichten und rekultivieren soll, durch den illegalen Müll zu einer Gefahr fürs Grundwasser wird. Dort lagern dem Bericht zufolge 500 000 Kubikmeter hochgiftige cyanid- und schwermetallhaltige Schlämme. Aufgrund dieser Gifte und weiterer Umweltbelastungen aus der Vergangenheit sei das Grundwasser im Umfeld der Halde bereits „belastet“, schreibt das Land. Im Januar 2012 soll ein Plan zur Sanierung fertig sein. Diesen umzusetzen, wird laut einem Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg viele Jahre dauern. Die Sanierung von Grundwasser-Belastungen sei im Ruhrgebiet geübte Praxis.
Die Stadt Herne geht offenbar davon aus, dass die Deponieabdeckung trotz des illegalen Mülls hält. Sie will das Zeug nicht wieder ausbuddeln lassen. Stattdessen drängt sie, so das NRW-Umweltministerium, Thyssen-Krupp zu einer schnellen Fortsetzung der Arbeiten und zu einem neuen Gutachten. Am 3. November habe Herne den Konzern schriftlich dazu aufgefordert. Laut Bericht des Ministeriums hält Thyssen-Krupp die Forderung aber für „unverhältnismäßig“. Der Konzern habe seine Anwälte eingeschaltet.
Die Stadt Herne will von einem Streit nichts wissen. Noch vor Weihnachten solle Einigkeit erzielt werden. Thyssen-Krupp gab gestern zu Protokoll, man sei kooperativ, „der Ball liegt im Feld der Stadt Herne“. Und auch dies gelte: Deponie-Betreiber sei die Firma Heinrich Becker.
Thyssen-Krupp und die Heinrich Becker GmbH – seit Jahrzehnten arbeiten sie zusammen. 2001 verkaufte Thyssen-Krupp an Becker eine Deponie in Bochum-Günnigfeld, 2006 erteilte der Konzern den Bottropern einen bisher ruhenden Auftrag für das Abdichten einer Deponie in Witten. Dass Becker auch beim Deponiebetrieb in Günnigfeld Fehler machte, ist seit April 2007 verbrieft. Die Bezirksregierung schickte Geschäftsführer Heinrich Becker einen Bußgeldbescheid. Bei Proben sei festgestellt worden, so die Behörde, dass auf der Deponie „mehrfach Abfälle abgelagert wurden, die nicht den Zuordnungskriterien entsprachen“.
Verfüllte RAG-Schächte
Das NRW-Umweltministerium macht in seinem Bericht auch Aussagen über die Unregelmäßigkeiten bei der Verfüllung der Zechenschächte Polsum 1 und 2 des Bergwerks Lippe. „Abschließend können diese noch nicht bewertet werden“. Gutachter aber gingen davon aus, dass die überschrittenen Gift-Grenzwerte im Füllmaterial „unbedenklich“ seien. Die RAG ließ seit 1998 60 Schächte von der Becker-Gruppe verfüllen ließ.