Essen. . Wurden zwei Zechenschächte des Bergwerks Lippe in Marl mit giftigem Müll verfüllt? Staatsanwälte ermitteln wegen Betrugs und Schlamperei gegen Verantwortliche des Unternehmens Heinrich Becker aus Bottrop Firma und weitere Personen. Die RAG erstattet Anzeige und kündigt den Geschäftspartnern.
Die Mauscheleien bei der Verfüllung zweier Zechenschächte des Bergwerks Lippe in Marl könnten sich zu einem handfesten Skandal ausweiten. Nach Informationen der WAZ-Mediengruppe hat die RAG seit 1998 etwa 60 Schächte vom Unternehmen Heinrich Becker aus Bottrop verfüllen lassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Verantwortliche der Firma und weitere Personen. Der Verdacht: Betrug und Schlampereien beim Umgang mit Müll.
Im Füllmaterial der Marler Schächte Polsum waren überhöhte Giftwerte festgestellt worden. Zudem gab es Hinweise auf manipulierte Tests. Die RAG erstattete Anzeige. „Wir werden der Sache mit allen Mitteln auf den Grund gehen“, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek von der Bochumer Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität. Was das Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt betreffe, „muss man die Kirche aber im Dorf lassen“, so Bienioßek.
RAG kündigt Zusammenarbeit
Die RAG ist trotzdem auf der Hut. Sie kündigte die seit Jahrzehnten bestehende Zusammenarbeit mit Heinrich Becker und setzt fortan ein anderes Unternehmen zur Schachtverfüllung ein. „In welchem Maß weitere Untersuchungen erforderlich sein werden, werden wir nach Abschluss des Verfahrens gemeinsam mit den Behörden festlegen“, sagte ein RAG-Sprecher. Das Problem: Das Füllmaterial ist einbetoniert. Umfassende Proben würden Millionen Euro kosten.
Die Unternehmensgruppe Heinrich Becker aus Bottrop ist ein großer Anbieter für Abbruch- und Entsorgungsarbeiten auf dem NRW-Markt. Thyssen-Krupp, die RAG, Städte und Sparkassen gehören seit Jahren zu ihren Kunden. Das Unternehmen muss sich in der Folge um gigantische Mengen von Müll kümmern. Die Abfälle stammen oft aus aktiven oder stillgelegten Industrieanlagen und sind teilweise giftig.
Unregelmäßigkeiten bei der Abdichtung einer Deponie
Die Becker-Gruppe aus Bottrop trägt den Zusatz „Umweltschutz“ im Namen und verspricht bei Entsorgung und Verwertung des Mülls die Achtung der Gesetze. Genau dies aber steht jetzt in Zweifel.
Am Donnerstag vergangener Woche kamen Unregelmäßigkeiten bei der Abdichtung einer Deponie für hochgiftige Hochofen-Abfälle an die Öffentlichkeit. Der Auftrag stammt vom Haldeneigentümer Thyssen-Krupp. Die Heinrich Becker GmbH soll die alte Deponie in Wanne-Eickel abdichten und rekultivieren. Bis Ende 2013 soll dort ein Landschaftspark entstehen. Bereits seit Ende 2010 ruhen die Arbeiten.
Die Aufsichtsbehörden haben nach anonymen Hinweisen auf illegales Abladen von Müll Proben genommen und festgestellt: Stimmt. Laut einem Gutachten der Stadt Herne fanden sie Autoreifen, alte Klos und Textilien. Akut bestehe keine Gefahr für Mensch und Natur. Aber: Der illegale Müll könnte bei seiner jahrzehntelangen Zersetzung Probleme machen. Dichtheit und Standfestigkeit der Halde seien womöglich gefährdet – und damit auch die Qualität des Grundwassers.
Strafanzeigen und schwere Vorwürfe
Nur wenige Tage später kamen die Unregelmäßigkeiten bei der Verfüllung alter Zechenschächte ans Licht. Wieder im Fokus der Ermittlungen: Verantwortliche der Firma Heinrich Becker. Die RAG Deutsche Steinkohle spricht von „möglicher krimineller Energie“. Pikant dabei: Von 1993 bis 2002 betrieben RAG und Heinrich Becker GmbH ein gemeinsames Unternehmen: die R&B Industrieanlagenverwertung. 2002 kaufte die RAG die Becker-Anteile, nachdem es offenbar Streit gegeben hatte. Die RAG spricht von „unterschiedlichen Ansichten“. Im Jahr 2003 erstattete sie Strafanzeige gegen die Beteiligten auf Seiten des Ex-Partners. Der Vorwurf: Verdacht auf Bilanz-Fälschung.
Der Anwalt des Bottroper Entsorgers ließ eine Anfrage gestern unbeantwortet.