Berlin. . Das Werbeverbot am Telefon schreckt Betrüger nicht ab. Sie nehmen mögliche Strafen offenbar billigend in Kauf, weil sich mit Telefon-Abzocke viel Geld ergaunern lässt. Der zuständige Bundesrat verzögert eine notwendige Gesetzesänderung.

Eigentlich wollte Nadine R. ihren nächsten Handyvertrag bei einer neuen Telefongesellschaft abschließen. Doch dann kam ein Werbeanruf des alten Anbieters. Sie stimmte am Telefon der Zusendung eines Info-Pakets über die Tarife zu. Statt des Päckchens flatterte ihr ein paar Tage später jedoch die Auftragsbestätigung über eine Vertragsverlängerung ins Haus. Beim Rückruf hieß es von der Hotline, sie solle das Schreiben einfach ignorieren, wenn sie keinen Vertrag abschließen wolle. Das tat sie. „Jetzt komme ich aus dem ganzen Schlamassel nicht mehr heraus“, sagt Nadine R. heute.

Denn das Unternehmen pocht auf die Einhaltung der Vereinbarung, weil die Widerrufsfrist abgelaufen ist. An den eigenen Rat mochte sich dort niemand erinnern.

Trickser und Betrüger interessiert das Verbot unerlaubter Werbeanrufe nicht

Untergeschobene Verträge, Gewinnversprechen oder angeblicher Verbraucherschutz – Trickser und Betrüger nutzen das Telefon trotz des seit 2009 geltenden Verbots unerlaubter Werbeanrufe als Mittel, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. „Wir haben schnell gemerkt, dass es immer schlimmer wurde“, berichtet die Telekommunikations-Expertin der Berliner Verbraucherzentrale, Susanne Nowarra. Vor allem die kriminellen Aktivitäten über das Telefon hätten stark zugenommen.

Die Strafen schrecken weder Betrüger noch unseriöse Unternehmen ab. Im Einzelfall kann ein unerlaubter Werbeanruf mit 50 000 Euro bestraft werden. Doch die Gerichte haben den Aufsehern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Statt ein Bußgeld für jeden Anruf soll es nur eines pro Kampagne geben. Damit, so meinen die Experten, lohne sich der Verstoß gegen das geltende Recht wieder. Die Netzagentur plädiert deshalb für eine halbe Million Euro als Obergrenze.

Die Netzagentur zählte allein 2010 rund 75 000 Beschwerden über unerlaubte Anrufe. „Lebensmittel, Zeitschriften, Telekommunikation“, erläutert Behördensprecher Rene Henn, seien typische Branchen, in denen diese Praktiken verbreitet sind.

Aber es gibt darüber hinaus noch das Telefon als Tatwerkzeug von Kriminellen. Derzeit versprechen Anrufer ihren Opfern einen Kosmetikgutschein, für den sie nur zwei Ziffern als Code in den Apparat eingeben müssen. Doch der vermeintliche Code löst die Vertragsbestätigung für einen Gewinnspieldienst aus. Kostenpunkt: 9,90 Euro in der Woche, eingetrieben mit der Telefonrechnung. Die Bundesnetzagentur hat bereits in Hunderten solcher Fälle ein Inkassoverbot verhängt. Ist das Geld aber erst einmal weg, wird es schwierig. Die Täter sitzen oft im fernen Ausland.

Bundesrat blockiert eine Gesetzesänderung

Die Bundesregierung tut sich schwer mit einer Gesetzesänderung. Der Bundesrat und das Verbraucherministerium sind zwar bei Telefongeschäften für die Einführung einer generellen nachträglichen Vertragsbestätigungspflicht durch den Kunden. Doch das zuständige, von der FDP-Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geführte Justizministerium ist dagegen und blieb bislang untätig. „Für Glücks- und Gewinnspiele oder entsprechende Eintragungsdienste wäre eine Bestätigungslösung ein guter Weg, bei der eine nachträgliche schriftliche Zustimmung erforderlich ist“, sagt der verbraucherpolitische Sprecher der FDP, Erik Schweickert. Nun warten alle auf einen Vorschlag der FDP-Ministerin.

In der Warteschleife ist auch ein anderes Verbraucherschutz-Gesetz der Koalition. Ob Warteschleifen künftig kostenlos sein müssen, ist wieder offen, nachdem der Bundesrat das Telekommunikations-Gesetz letzten Freitag erst einmal abgelehnt hat.