Düsseldorf. Ein Unternehmen der evangelischen Kirche im Rheinland hat Millionen verzockt - und dabei wohl auch seine Bilanzen frisiert. Die Kirche als Eigentümer tut alles, um eine übereilte Insolvenz zu verhindern. Gleichzeitig geht es aber auch um ihren Ruf: Mit “kapitalistischer Gier“ wollen sie nichts zu tun haben.

Die Belastungen für die Evangelische Kirche im Rheinland durch angeblich betrügerische Fehlspekulationen im kircheneigenen Unternehmen bbz weiten sich aus. Nachdem das Unternehmen, das die Gehalts- und Beihilfezahlungen für 25 000 Arbeitnehmer abwickelt, nach Spekulationsverlusten zunächst mit 16 Millionen Euro vor der Insolvenz gerettet worden war, schießt die Kirche weitere vier Millionen Euro zu. Damit soll die Sanierung des Unternehmens unterstützt werden, erklärten Kirchenvertreter gestern Abend in Düsseldorf.

Bei der Kritik an maßlosen Managern ist die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) mit ihrem Präses Nikolaus Schneider oft vorn dabei. Da sei es um so bitterer, wenn „eine Firma, die uns gehört, in ihrem wirtschaftlichen Handeln offenkundig selbst Maß und Ziel aus den Augen und damit viel viel Geld verloren hat“, sagte Schneider am Montagabend vor Journalisten in Düsseldorf. Mindestens 20 Millionen Euro dürfte der Schaden betragen, denen ein laut EKiR „betrügerisches“ Anlagemodell verursacht hat, in das Manager des kircheneigenen Beihilfe- und Be­züge-Zen­trums (bbz) offenbar über Jahre investiert haben – ohne, dass dies bei der Kirche als Eigentümer aufgefallen ist.

bbz spricht von "branchenüblichem Vorgehen"

Geschäft des bbz ist die Abwicklung von Gehalts- und Beihilfezahlungen für Beschäftigte der rheinischen Kirche und rund 1200 anderer Unternehmen der kirchlichen (auch katholischen) und öffentlich-rechtlichen Verwaltung. Für die Abrechnung von rund 25 000 Personalfällen und zuletzt jährlich rund 120 000 Beihilfefällen bewegt das bbz dreistellige Millionensummen im Jahr.

Diese Kundengelder wollte das Unternehmen gewinnbringend einsetzen. Da die Preise für die Dienstleistung der Abrechnungen gering seien, sei es „branchenüblich“, dass die Gelder bis zur Auszahlung am Kapitalmarkt angelegt werden, erklärte der oberste EKiR-Jurist Christian Drägert. Allerdings habe sich das bbz einem Anlagemodell zugewandt, das weitaus höhere Erträge versprach, als marktüblich zu erzielen gewesen wären – und dies offensichtlich schon vor Jahren.

Angeblich wurden Bilanzen manipuliert

Obwohl die Erträge ausblieben, wurden sie vielfach dennoch als Forderungen in der Bilanz verbucht. Um einen Zahlungseingang vorzutäuschen, wurde Drägert zufolge mindestens eine Buchung manipuliert. Aufgefallen sind die Verluste laut EKiR erst in diesem Sommer, als bbz kurz vor der Insolvenz gestanden und sich die Geschäftsführung der Kirchenleitung offenbart habe. Seit 2007 seien die Jahresabschlüsse des Unternehmens „entweder nur eingeschränkt testiert, gar nicht testiert, nicht korrekt aufgestellt und nicht rechtskonform veröffentlicht worden“, sagte Drägert. Dennoch sei die Geschäftsführung von der Gesellschafterversammlung entlastet worden.

Ein veritabler Skandal für die Kirche, dem nun zahlreiche Rufe nach Konsequenzen folgen. Auf strafrechtlicher Ebene liegt der Ball bei der Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern. Dort wollte man sich gestern auf Anfrage dieser Zeitung „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht äußern. Wie es hieß, ermittelt man dort bereits seit Wochen wegen Betrugsverdachts gegen mögliche Drahtzieher des dubiosen Anlagemodells, die sich bereits ins Ausland abgesetzt haben sollen. Auch soll es weitere Opfer des Modells geben.

Kirche will übereilte bbz-Insolvenz vermeiden

Die Kirche hat den bbz-Geschäftsführer sowie Vertreter der Gesellschafterversammlung ausgetauscht. Gegen „einzelne Personen aus dem Bereich der Gesellschafterversammlung“ wür­den zudem zivilrechtliche Konsequenzen geprüft, so Drägert, der das Aufsichtsgremium nun leitet.

Eine übereilte bbz-Insolvenz will die Kirche verhindern. Dies würde pünktliche Gehalts- und Beihilfezahlungen gefährden. Deshalb stellt die Kirche eine neue Kapitalspritze in Höhe von vier Millionen Euro bereit. Niemand in der Kirche will aber ausschließen, dass man das Projekt bbz im Frühjahr doch noch beendet – nämlich dann, wenn man kein Geschäftsmodell findet, das ohne riskante Kapitalgeschäfte auskommt.