Essen. . In Ballungsgebieten wie dem Ruhrgebiet läuft der Verdrängungswettbewerb in der Möbelbranche auf Hochtouren. Jeder Euro Umsatz sei umkämpft, sagen Experten. Die Handelsberatung BBE geht davon aus, dass nicht alle Händler das Ringen überleben werden.
In Duisburg ringen zwei Möbelhändler um neue Standorte: Die Höffner-Gruppe, hinter Ikea die Nummer zwei auf dem deutschen Markt, will in Bahnhofsnähe bauen. Auf jenem Gelände, das durch die Loveparade-Katastrophe traurige Berühmtheit erlangte. Ostermann, die Nummer 13, zieht’s in den Duisburger Norden. Gigantische Läden mit bis zu 45 000 Quadratmetern Verkaufsfläche sollen entstehen. Während Höffner sich in NRW breitmachen will, kämpft Ostermann um seine Position im Revier. Wer bauen darf, ist Sache der Politik. Einzelhandelsverband und IHK mahnen zur Sorgfalt. Es geht um den Schutz der City, um Städtebau und die Frage: Wie viel Möbel verträgt Duisburg?
Das Ringen in Europas größter Stahlstadt ist beispielhaft für den gesamten deutschen Möbelmarkt. Wettbewerb und Wachstumsdruck sind enorm. Der Verdrängungs- und Verteilungskampf steuert auf einen neuen Höhepunkt zu, sagen Branchenexperten. Die meisten der 30 größten Händler bauen um oder aus, sie beschreiten neue Vertriebswege oder halten Ausschau nach weiteren Standorten. „Aktivität löst Aktivität aus“, sagt Sebastian Deppe, Möbelexperte von der Handelsberatung BBE. Es werde taktiert, reagiert, verhindert. Jeder Euro Umsatz sei umkämpft.
Die meisten der 30 größten Händler bauen um oder aus
Die Deutschen haben zuletzt fast 30 Milliarden Euro pro Jahr für Möbel, Einrichtungsgegenstände und Küchen ausgegeben. Selbst in Zeiten der Krise haben sie kaum gespart. Nach Angaben der BBE sind die Umsätze seit Mitte der 90er-Jahre aber geschrumpft, um 23 Prozent. Der Kuchen wird kleiner.
Als sicher gilt, dass nicht alle Unternehmen den harten Wettbewerb überleben können. Vor allem kleine „Allesanbieter“ mit bis zu 6000 Quadratmetern Verkaufsfläche seien gefährdet, sagt Sebastian Deppe. „Die Kleinen brauchen gute Konzepte, um nicht leise vom Markt zu verschwinden.“ Ihr Anteil am Umsatz werde in den nächsten zehn Jahren weiter abnehmen. Aber auch Größe allein schütze nicht vor schweren Fehlern. „Dem einen oder anderen könnte die Luft ausgehen. Manche Marktteilnehmer planen schlecht und verdienen nicht mehr viel“, sagt Deppe.
Wer sich behaupten will, braucht eine ausgeklügelte Strategie und Top-Standorte. Was einen solchen ausmacht, beschreibt Christian Zurbrüggen. Er ist Geschäftsführer des gleichnamigen Möbelhändlers aus Unna, Nummer 16 auf dem deutschen Markt: „Sie brauchen viele Kunden im Einzugsgebiet und eine Autobahn mit Ausfahrt in unmittelbarer Nähe.“ Ob nebenan schon ein Möbelhändler wirtschafte, sei egal. „Mit einem guten Konzept setze ich mich neben jeden anderen Händler der Welt“, sagt Zurbrüggen.
„Die Kunden wollen nicht mehr stundenlang durch die Gegend fahren“
Die Handelsberatung BBE hat die Ballung von Geschäften als Trend erkannt. Grund dafür sei das Verhalten der Kunden: „Sie wollen nicht mehr stundenlang durch die Gegend fahren, um Möbel zu kaufen. Sie opfern dafür längstens zwei Tage“, sagt Deppe. Da sei es praktisch, wenn der Kunde bei einem Stopp gleich mehrere Läden abklappern könne.
Im Ruhrgebiet, aber auch in anderen Ballungsräumen gibt es nicht mehr viele Super-Standorte. Nur dort lohnen sich Neubauten oder Übernahmen. Mittelständler Zurbrüggen sieht noch vier bis fünf solcher Grundstücke im Revier. Er selbst baut derzeit in Herne. Am Rand der A 43 entsteht ein Wohn-Zentrum mit 29 000 Quadratmetern Verkaufsfläche. „Wettbewerb ist überall. Der Kunde profitiert. Die Branche muss flexibel sein, einfallsreich und schnell“, sagt Zurbrüggen. Gerüchte, sein Unternehmen interessiere sich auch für einen Standort in Duisburg, weist er zurück: „Wo zwei sich streiten, suchen wir einen anderen Standort.“
Auf einen Zeitpunkt für das Ende der Konzentration wollen sich die Experten nicht festlegen. Aber: „Die Zahl der Möbelhäuser wird weiter abnehmen“, sagt Franz Hampel, Sprecher der Fachgruppe Möbel im Mittelstandsverbund ZGV. Hampel räumt dem Mittelbau im Wettbewerb wegen seiner lokalen Verankerung durchaus Chancen ein.
2000 Möbel-Standorte sind in den letzten Jahren verschwunden, heute gibt es noch 10 000. Die Verkaufsfläche aber ist angewachsen. Für die Handelsberatung BBE sind Leerstände programmiert. „Nach der Wende gab es in Ostdeutschland eine ähnliche Wettbewerbsentwicklung. Da können heute noch Ruinen betrachtet werden“, sagt Sebastian Deppe. Er warnt: Die Verwertbarkeit von leeren Möbelhäusern tendiere gegen null.
Die Gewerkschaft Verdi sieht die Konzentration mit Sorge: Tarifbindung habe zwar nie eine große Rolle gespielt, sagt Reiner Reichenstetter, inzwischen aber agiere manch großer Händler mit den Lohnmodellen aus Fixum und Provisionen am Rande der Sittenwidrigkeit.