Dortmund. . Schriller Luxus im Billigladen. Bei H&M wird seit Donnerstag die Versace-Kollektion verkauft. Der Ansturm auf die Läden war schon von Anfang an riesengroß. Die Kleiderständer schnell leer. Dass die Qualität der Produkte nicht immer überzeugt, fällt den meisten Kunden gar nicht auf - oder es stört sie nicht.
H&M hat sich fein gemacht an diesem Donnerstagmorgen, das kann man sogar hören: Per Megaphon werden die Kunden bei „Äitsch änd Ämm“ begrüßt. Soviel Flair muss sein, wenn Versace eine Kollektion bei den Schweden verkauft. Haute Couture trifft Billigheimer – und der Ansturm ist so groß wie die Begeisterung.
Schon um sechs Uhr früh standen rund 30 (Mode-)Verrückte bei H&M auf dem Dortmunder Westenhellweg – einer von 18 ausgewählten Filialen bundesweit – vor der Tür. Der frühe Vogel fängt den Fummel – und die Regeln sind knallhart: Um 8 Uhr macht der Laden auf, doch zu den Designerstücken kommt nur, wer sich vor der Tür ein Armbändchen besorgt hat. Auf dem steht die Zeit, zu der man rein darf: Maximal 20 Kunden werden für genau 15 Minuten in die abgetrennte Abteilung gelassen. 15 Minuten: Da muss man wissen, was man will.
Den Papa zu H&M geschickt
Die Unermüdlichen wissen es ganz genau: Auf die Lederjacke mit den Nieten hat es eine Brünette mit Pelzmäntelchen abgesehen. „Für meine Tochter“, sagt sie. Ihr Sohn kriegt den Anzug samt Krawatte. Um die richtige Größe macht sich Mama keine Sorgen: „Wenn es nicht passt, freuen sich schon ihre Mitschüler.“ Eine junge Türkin spekuliert auf das goldene Armband. Einer der wenigen Herren im Gedränge, der eigentlich aussieht,als würde er Versace eher für eine Motorradmarke halten, ist auch geschickt: Er soll für seine Tochter ebenfalls die schwarze Lederjacke besorgen: „Die schreibt heute ‘ne Arbeit, die kann nicht kommen.“ Ihren Namen wollen sie alle nicht in der Zeitung lesen: Muss ja nicht jeder wissen, dass sie hier anstehen. „Außerdem“, gesteht die 20-Jährige, „müsste ich eigentlich längst bei der Arbeit sein. Aber die Gelegenheit ist so günstig. . .“
Stimmt: Für Versace-Verhältnisse ist es günstig: Eine Lederjacke für gut 200 statt ein paar Tausend Euro, ein Ring (fast echt) für 20, ein Gürtel für 40, das Handtäschchen für 100. Als „ikonisch“ hat Donatella Versace ihre H&M-Kollektion bei der Präsentation in New York gefeiert. Ganz klar ist nicht, was sie damit meint. Wenn es heißen soll, dass die Stücke schrill, bunt, überladen und voller Bling-Bling sind, dann stimmt es: Ein Kleid in Pink besetzt mit schillernden Nieten, Leo-Prints in Farben, die in den Augen weh tun, der passende strassbesetzte, goldene Leoparden-Kopf thront auf einem breiten Lederhalsband. „Wenn das Zeug bei C&A hängen würde, würden alle schreiend davon laufen“, murmelt denn auch der geschickte Vater zweifelnd, als er zwei Stunden später wieder in der Warteschlange steht – aber jetzt oben vor der Abteilung.
Die Versace-Kleiderständer sind schnell leer
Da sind die Kleiderständer schon halbleer, doch das Personal beruhigt: „Wir füllen immer wieder auf.“ In der Herrenabteilung hat das nicht geklappt, da waren die Accessoires schon nach ein paar Minuten alle weg. Aber bei den Herren muss man auch nicht anstehen. Die Zahl der Paradiesvögel, die sich um die Jacken im Dschungeldesign und die Hemden mit der Goldkante reißen, ist überschaubar. Wo kann man denn auch so was tragen? „Hier gar nicht“, meint einer der Jungs lässig. „Aber in Hamburg immer.“
Auch die Damen oben wissen genau, für welchen Anlass sie kaufen: Für Weihnachten, für Silvester, „Da sind wir in Ägypten, da passt das hin“, sagt Manuela („Bitte schreiben Sie den Nachnamen nicht“) aus Lippstadt.
Eine Verjüngungskur
Ob sie auch reinpasst in das schwarze Top mit dem glitzernden Mäander-Muster, weiß sie nicht. Zum Probieren reicht die Zeit nicht. Und von den wirklich gefragten Teilen hängen – trotz Auffüllens – bei weitem nicht genug auf dem Ständer. Erst zuschnappen, dann reingucken heißt daher die Devise. Wer die richtige Größe erwischt hat, hat Glück. Manuela ist schnell – und hat Glück. Der Papa hat keines. Die Jacke ist zu klein. Er nimmt sie trotzdem.
Dass es bestenfalls Luxus light ist, was hier auf den Ständern hängt, stört keinen. „Im Gegenteil, die jungen Leute sind doch stolz drauf, dass man die Stücke sofort erkennt“, sagt die schwer bepackte Pelz-Mama. Kein Zweifel: Die Verjüngungskur von Glamour-Königin Donatella Versace scheint diesmal tatsächlich funktioniert zu haben – zumindest für ihr Label.