Demi Moore und Donatella Versace zählen zu Hildegard Günzels Kunden in aller Welt. In ihrer Duisburger Manufaktur fertigt die Mülheimerin mit Pinsel und Skalpell Porzellanpuppen. Solch ein Unikat kostet 5000 bis 6000 Euro.
Kumiko steht aufrecht auf ihren Tatami-Sandalen. Bis zu den Knöcheln reicht ihr ein cremefarbener Seiden-Kimono – der Meter Stoff für 280 Euro – der verschwenderisch mit bunten Schmetterlingen verziert ist. Über ihrer Brust wird er von einem breiten, bordeauxroten Obi-Gürtel zusammengehalten. In ihrer rechten Hand hält die Japanerin einen schlichten Fächer und ein Spiegeltäschchen. Kinnlanges schwarzes Haar umspielt ihr zartes Gesicht, die mandelförmigen Augen blicken in die Ferne. Kumiko ist, der Name verrät es, eine „ewige Schönheit“ – mit einem Makel: Sie ist tot.
Es ist nur ein Detail, das Kumiko zur wandelnden Leiche macht. Dabei hatte sich Hildegard Günzel für diese Puppe extra den Rat der Deutsch-Japanischen Gesellschaft eingeholt. Stoffe, Schnitte, alles hatte sie sich genau erklären lassen. Als sie dem kalten Porzellan schließlich warmes Leben eingehaucht hatte, schickte Günzel Fotos an die Gesellschaft. Der Faux-pas: Kumiko trug ihren Kimono von rechts nach links geschlossen statt andersherum. Also ging das Foto-Shooting für den neuen Katalog von vorne los – diesmal mit einem Modell, das den Kimono gewickelt hat, wie ihn die Lebenden tragen.
Acht, neun Entwürfe pro Jahr
Was Günzel macht, ist Kunst, wenn es um Inspiration für sieben, acht, neun verschiedene Puppenentwürfe pro Jahr geht oder um japanische Traditionen. Aber es ist auch Handwerk, bei dem chirurgische Präzision gefragt ist. Mit einem Skalpell rückt sie den noch rohen, weißen Köpfen zuleibe: Sie sticht ihnen buchstäblich die Augen aus. Zwischendurch legt sie das Medizinerbesteck zur Seite und greift stattdessen nach einem Künstlerpinsel, tunkt ihn in Wasser und befeuchtet damit die aus dem Porzellan herausgearbeiteten Augenhöhlen. „Damit das Porzellan nicht reißt oder bricht“, erklärt sie über den zischenden Lärm des Absaugegeräts hinweg. Und fügt entschuldigend hinzu: „Für die Lunge ist Porzellan wie Kohle – nur weiß.“
Überhaupt fühlt sich ein Besucher in der Manufaktur wie in ein weißes Winterwunderland versetzt: Der Boden ist weiß gefliest, die Wände weiß getüncht, weiße Türen führen in den nächsten Raum, wo weiße Arme, Beine, Torsos, Köpfe aufgereiht liegen. Die Mitarbeiterinnen tragen weiße Schürzen. In einer Ecke sind längliche weiße Kartons aufgestapelt, innen drin: weißer Schaumstoff – aber noch keine Puppen.
Welche der Sammlerstücke zum Versand hier gebettet wird, verrät die Aufschrift: „Margerite“ steht darauf, „Lydia“, „Diamara“ – und „Made in Germany“. Oft schon hat ihr Handwerk der eleganten Frau mit dem vergnügten Gesicht die üblichen Spitznamen eingetragen. „Puppenmama, Puppentante – ich hasse das. Was wir hier machen, sind Skulpturen, nicht Puppen, mit denen man auf dem Sofa spielt.“
Die Welt, die draußen auf die Puppen wartet, ist an diesem Tag auch ganz in Weiß getaucht. Zwischen Medizintechnik, einem IT-Zentrum und der Tierklinik Asterlagen weist ein dezentes Schild auf ein unauffälliges Gebäude hin. Wie alle anderen ist es unter einer Schneedecke halb verborgen. Wie aus anderen Häusern im Businesspark Duisburg wird auch von hier in die ganze Welt exportiert. Aber im Gegensatz zu den Nachbarfirmen ist es an der Dr.-Alfred-Herrhausen-Allee 60 Kunsthandwerk, das den Weg nach Deutschland, Russland, Japan, Amerika antritt.
Auch Michael Jackson war Kunde
Demi Moore, Donatella Versace und Michael Jackson zähl(t)en zu Günzels Kunden. Doch darum macht die Mülheimerin kein Aufhebens. „Die paar Prominenten machen sich zwar gut in der Agenda, aber von denen allein könnte ich nicht leben“, winkt sie ab und nippt an ihrem Kaffee. „Die wichtigen Leute sind die Sammler.“ Das sind bei weitem nicht nur die Reichen und Schönen aus Hollywood. „Es sind auch ganz normale Menschen, die sich das zusammensparen.“ Zwischen 5000 und 6000 Euro kostet eine Puppe aus Günzels Manufaktur. „Für die einen sind es halt Autos, für die andern Schmuck und für wieder andere Puppen.“
Ob zierliche Balletttänzerin im Tutu, weißer Prinz oder Alice im Wunderland inklusive weißem Kaninchen: Hildegard Günzels Porzellanpuppen entführen ihre Betrachter in eine Märchenwelt – auch oder vielleicht gerade dann, wenn ihre eigene etwas weniger fantastisch ist.
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