Frankfurt. Der Italiener Mario Draghi übernimmt am Dienstag den Vorsitz der Europäischen Zentralbank. Als EZB-Präsident muss er im Ringen mit den europäischen Regierungen festlegen, wie weit die Bank gehen will, um verschuldete Staaten zu retten.
Seine Auftritte in Frankfurt waren bislang rar. Bei der Abschiedsfeier seines Vorgängers vor zehn Tagen gab es eine seltene Gelegenheit, bei denen Banker in Frankfurt Mario Draghi erleben konnten. Doch auch dort hielt sich der künftige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zurück, an deren Spitze er heute rückt. Lobende Worte für Jean-Claude Trichet, kein Ton darüber, dass er selbst zum ersten Mann im Eurotower aufsteigt. Und doch gab Draghi Hinweise, wie er die EZB führen wird. Er lobt Trichets „Kunst des Regierens“, seinen pragmatischen und konsequenten Kurs in der Krise. Umgekehrt verteilt Trichet Vorschusslorbeeren: Wegen seiner herausragenden Qualitäten werde Draghis Arbeit an der EZB-Spitze von Erfolg gekrönt sein.
Gegenseitiges Lob mag zur Vorsicht raten, zumal der neue EZB-Präsident aus dem Euro-Krisenland Italien in einer höchst kritischen Phase nach Frankfurt kommt. Aber der Tenor in Finanzkreisen ist einhellig. Unter dem 63-jährigen Italiener werden keine laxen Sitten Einzug halten. Beobachter attestieren Draghi einen furchterregend guten Ruf. Was ebenfalls für ihn spricht: Für Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist Draghi ein Intimfeind. Im August prangerte Draghi den mangelnden Sparwillen der Regierung in Rom an.
Notenbank ist in schwieriger Phase
Dem Italiener ist bewusst, dass die Notenbank in einer schwierigen Phase steckt. Auch er sähe es lieber, wenn die EZB nicht hätte Feuerwehr spielen und mit dem Ankauf der Staatsanleihen gegen eigene Regeln hätte verstoßen müssen. Gleichwohl werde die EZB weiter, wenn notwendig, an Krisenhilfen festhalten, betont er. Was seinem guten Ruf nicht schadet. „Draghi ist mindestens so stabilitätsorientiert wie jeder Bundesbanker“, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank.
Der 1947 geborene Römer zählt zu den am besten verdrahteten Finanzexperten der Welt. Er lehrte in Florenz und Harvard, arbeitete für die Weltbank, war Vize-Präsident bei der Investmentbank Goldman Sachs, wo er den Beinamen „Super Mario“ erhielt. 2005 rückte Draghi an die Spitze der italienischen Zentralbank. Nur seine Tätigkeit bei Goldman Sachs wird ihm mitunter angelastet, weil die Investmentbank just zu dieser Zeit Athen geholfen habe, das eigene Defizit zu verschleiern. Draghi versichert, an solchen Geschäften nie beteiligt gewesen zu sein. Andere sehen seine Arbeit bei Goldman Sachs als Vorzug: Er kenne die Denkweise der Investmentbanker.