Berlin. .

Verbraucher und Unternehmen müssen für den Strom im kommenden Jahr deutlich mehr bezahlen. Denn die Kunden werden für eine milliardenschwere Entlastung der Großverbraucher bei den Netzentgelten zur Kasse gebeten. Darauf weist die Bundestagsfraktion der Grünen hin. „Das ist eine Umverteilung von unten nach oben“, kritisiert die energiewirtschaftliche Sprecherin der Partei, Ingrid Nestle. Sie rechnet mit einer jährlichen Mehrbelastung von 35 Euro für eine Familie mit zwei Kindern.

Teuer wird die gesetzlich vorgesehene Umlage der Subvention für energieintensive Betriebe auch für den Mittelstand. Nach Berechnungen der Fachjuristin Ines Zenke muss ein Gewerbebetrieb, der jährlich fünf Gigawattstunden (GWh) Strom verbraucht, rund 25 000 Euro mehr an seinen Versorger überweisen. Die Bundesnetzagentur bestätigt die Preissteigerungen bei den Entgelten. Auf das Ausmaß mag sich die Behörde derzeit aber nicht festlegen.

Entsprechendes Gesetz klammheimlich geändert

Der Aufschlag geht laut Zenke auf zwei, bisher weitgehend unbemerkte Faktoren zurück. So wurde im Sommer während des Gesetzgebungsverfahrens zum Atomausstieg beiläufig auch eine Klausel der Stromnetzentgeltverordnung verändert. Danach werden alle Unternehmen, die jährlich mehr als 7000 Stunden Elektrizität beziehen und über zehn GWh verbrauchen, von der Zahlung der Netzentgelte befreit. Die Kosten dafür werden allen anderen Kunden aufgebrummt.

Dazu ist durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs eine Gesetzeslücke entstanden. Eigentlich sollten die Gebühren für die Stromdurchleitung mit einem Abschlag versehen werden. Doch den kippte das Gericht. 70 klagende Netzbetreiber können nun einen Nachschlag für die bis jetzt entgangenen Gewinne verlangen. Laut Netzagentur geht es um insgesamt eine Milliarde Euro. Politikerin Nestle rechnet mit dem doppelten Betrag. Auch diese Kosten werden unter allen Stromkunden aufgeteilt, also auch unter den privaten Haushalten. Zusammengenommen ergibt sich daraus ein um etwa ein bis 1,5 Cent höherer Preis pro Kilowattstunde.

Grüne kritisieren Regierung

„Hier hätte die Regierung aktiv werden müssen“, kritisiert Nestle. Doch die Gesetzeslücke wurde bisher nicht geschlossen. Die Grünen vermuten darin eine Klientelpolitik zugunsten der Großindus-trie. Es werde versucht, die Mehrbelastung dem Atomausstieg in die Schuhe zu schieben, vermutet die Energieexpertin Bärbel Höhn. „Die Preiserhöhungen haben damit gar nichts zu tun“, kontert die Abgeordnete.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) rechnet mit weiteren Gebührenanhebungen, wenn beim Netzbetrieb keine grundlegenden Veränderungen vorgenommen werden. „Mit dem Argument der Versorgungssicherheit werden die Preise in die Höhe getrieben“, kritisiert der Energiefachmann des Verbands, Holger Krawinkel. Die Netzgebühren seien zu hoch, weil es zu viele Betreiber mit zu hohen Renditeerwartungen gebe. Die Industrie setze alles daran, aus diesem System auszuscheren. Der vzbv fordert eine Mitwirkung der Verbraucher bei der Preisfindung.

Die Großverbraucher sehen die Entlastung ihrer Betriebe naturgemäß mit anderen Augen. „Das ist eine positive Entwicklung“, heißt es beim Verband der Industriellen Kraftwirtschaft. Dessen Mitglieder werden noch bei einem anderen Kostenblock entlastet. Von einem Nachlass bei der Umlage für den Wind- und Sonnenstrom erhalten Firmen künftig schon ab einem Jahresverbrauch von einer GWh Rabatt. Bislang lag die Grenze bei zehn GWh.