Düsseldorf. . Ein neuer Bericht warnt vor Abschalten alter Kraftwerksblöcke in Datteln. Im Revier drohe deshalb ab 2013 im Bahnverkehr ein Verkehrskollaps, weil Strom fehle. Das neue Kraftwerk in Datteln sollte die fehlende Energie eigentlich liefern.

Der Streit um den Kraftwerksstandort Datteln gewinnt weiter an Schärfe: Ein Sachstandsbericht der Deutschen Bahn warnt vor massiven Zugausfällen im Ruhrgebiet, sollten die drei alten Blöcke des Kohlekraftwerks wie geplant zum 31. Dezember 2012 vom Netz gehen. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger (SPD) will den Bericht heute dem Landtag vorlegen.

Die Bahn sei zu dem Schluss gekommen, heißt es in dem jetzt vorliegenden Bericht, dass im Falle einer ersatzlosen Abschaltung des alten Kraftwerks Datteln „in den verbrauchsstarken Wintermonaten November bis einschließlich März der Zugverkehr je nach Witterung und Wochentag nur mit Einschränkungen von bis zu minus 30 Prozent aufrecht erhalten werden kann“. Mehrere hundert Züge müssten womöglich stundenweise gestoppt werden. „Insbesondere wären die morgendlichen Verkehrsspitzen an kalten und feuchten oder schneereichen Tagen davon betroffen“, so die alarmierende Botschaft.

Die Opposition ist in Aufregung. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke warf der Landesregierung vor, einen Verkehrskollaps im Revier mit Auswirkungen auf ganz Deutschland zu riskieren. CDU-Fraktionsvize Lutz Lienenkämper kritisierte ein hausgemachtes Pro­blem: „Die Landesregierung kann die sichere Stromversorgung der Bahn leicht und stabil sicherstellen, in dem sie den genehmigten Betrieb für Datteln aufrechterhält.“

Energieriese hat Stilllegung zugesagt

Die Bezirksregierung Münster hatte im Juni entschieden, dass Eon seine mehr als 40 Jahre alten Kraftwerksblöcke Ende 2012 abschalten muss. Der Energieriese hatte die Stilllegung 2006 zugesagt, um teure Nachrüstungen zu vermeiden. Damals ging Eon jedoch davon aus, dass der neue Kraftwerksblock Datteln 4 rechtzeitig ans Netz gehen würde. Dessen Fertigstellung wurde jedoch gerichtlich gestoppt.

Minister Voigtsberger dringt nun darauf, „dass für die veralteten Kraftwerkskapazitäten von Datteln schnellstmöglich Ersatz hinsichtlich der Bahnstromversorgung geschaffen wird“. Eon stellt immerhin 75 Prozent des Bahnstroms im Ruhrgebiet. Der Konzern soll einen geplanten „Umrichter“ in Datteln, der den Strom für die Bahn umwandelt, schneller bauen. Somit könnte auch Energie aus anderen Kraftwerken eingespeist werden.

Das Umweltministerium reagierte am Mittwoch irritiert auf die schrille Tonlage der Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium. Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) sieht keine akuten Gefahren für den Bahnbetrieb im Ruhrgebiet. Zurzeit verhandeln seine Beamten mit Eon über den Umrichter und locken mit ei­nem befristeten Weiterbetrieb der alten Kraftwerksanlagen. In einem internen Vermerk des Ministeriums sieht man die Lage entspannt: In NRW gebe es Überkapazitäten, der Strombezug der Bahn könne „letztlich aus dem öffentlichen Netz kompensiert werden“. Die Bundesnetzagentur als zuständige Regulierungsbehörde ist skeptischer: Sie sorgt sich um die Stabilität des Stromnetzes.

Engpass bei Fernwärme

Als noch größeres Problem könnte sich die Fernwärme-Versorgung für tausende Haushalte im Kreis Recklinghausen erweisen. Das Umweltministerium hat zwar in einem Gutachten durchspielen lassen, wie sich Privathäuser ohne Abwärme aus Datteln alternativ beheizen lassen könnten. Doch für die wahrscheinlichste Variante, einfach Fernwärme-Kreisläufe anderer Versorger anzuzapfen, wird die Zeit knapp. „Ich habe die große Sorge“, schimpft CDU-Umweltpolitiker Josef Hovenjürgen, „dass hier aus ideologischen Gründen mit Wärmeversorgung einer ganzen Region gespielt wird.“