Brüssel. . In Deutschland ist laut einer Studie die Hälfte des verkauften Honigs mit Genmais-Spuren belastet. Das will der Europäische Gerichtshof ändern. Solche Produkte brauchen künftig eine Markt-Zulassung. Verbände sehen darin ein Verkaufsverbot für Gen-Honig.

Genmanipulierte Lebensmittel, bei denen der Bio-Ingenieur die Finger im Spiel hatte, soll der Kunde nur kaufen und essen, wenn er das will. Dafür sorgen sollen Kennzeichnungs- und Anbauregeln. Doch die Biene spielt nicht mit: Sie sorgt für Honig, der ohne Wissen und Wollen des Imkers Pollen aus gentechnisch veränderten Pflanzen enthält – laut einer Ökotest-Untersuchung aus dem Jahr 2009 ist die Hälfte der getesteten in Deutschland verkauften Honige betroffen. Damit könnte bald Schluss sein: Solch ein Honig muss erst für den europäischen Markt zugelassen werden, entschied der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am Dienstag.

Geklagt hatte der Imker Karl Heinz Bablok aus Kaisheim in der Nähe von Augsburg. Seine Bienenstöcke standen einen halben Kilometer entfernt von einer Anbaufläche für genmanipulierten Mais des Agrarriesen Monsanto. Als Bablok Pollen der Gen-Pflanze im Honig fand, schickte er 300 Kilo in die Abfall-Entsorgung – mit diesem Produkt wollte er nichts mehr zu tun haben. Für ihn ist das Urteil ein Triumph.

Anbau von Genpflanzen müsste gestoppt werden

Ob der Honig damit aus den Ladenregalen verschwinden muss, ist indessen unklar. Das Landwirtschaftsministerium in Berlin, die EU-Kommission in Brüssel und die Lebensmittelbranche mochten sich zunächst noch nicht zu dem Urteil äußern. Der Richterspruch müsse nun gründlich geprüft werden, hieß es. Für die Umweltverbände ist die Sache klar – für sie kommt die Verpflichtung zur Zulassung einem Verkaufsstopp gleich. Um den heimischen Honig zu retten, müsste der Anbau von Genpflanzen in Europa gestoppt werden, fordern sie im Verein mit den Grünen. „Das Urteil zeigt einmal mehr, dass die Koexistenz von GVO und konventionellem Anbau unter den gegenwärtigen rechtlichen Regelungen nicht möglich ist“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling.

Ähnlich sieht es der Deutsche Imkerbund, der sich mit dem Richterspruch hoch zufrieden zeigte. Das Urteil habe endlich Rechtssicherheit für die Bienenzüchter geschaffen, sagte dessen Präsident Peter Maske. Maske forderte einen Mindestabstand von zehn Kilometern zwischen Bienenkörben und Anbauflächen. „Wenn Bienen Pollen suchen, bewegen sie sich in einem Radius von acht Kilometern“, erklärte der oberste Bienenzüchter. Und auch die Pollen bleiben nicht auf dem Feld: Maispollen fliegen Maske zufolge einen Kilometer, Rapspollen bis zu zehn Kilometer weit. Der Anbau genmanipulierter Pflanzen ist seiner Einschätzung nach mit dem EuGH-Urteil unattraktiv für die Landwirte geworden.

Auswirkungen auf Bienen unklar

Sein Verband lehnt den Anbau genmanipulierter Pflanzen grundsätzlich ab. Denn einerseits sei unklar, welche Auswirkungen etwa genmanipulierter Mais auf die Bienen habe. Ein Teil solcher Pflanzen enthält Stoffe, die Schädlingen das Handwerk legen sollen. Sie könnten unter Umständen aber auch geschwächten Bienen zusetzen, erklärt Maske. 80 Prozent aller Bienen etwa trügen einen in der Gentechnik häufig eingesetzten Darmerreger in sich, müssten aber nicht unbedingt daran erkranken. Zudem lehnten die Verbraucher Honig ab, der Spuren genmanipulierter Pflanzen enthalte.

Der Imker mag zufrieden sein, die Folgen für den europäischen Einzelhandel sind jedoch noch nicht absehbar. Vier Fünftel des in Deutschland verkauften Honigs werden laut Bundeslandwirtschaftsministerium importiert, vor allem aus Argentinien, Mexiko und China. Dort gibt es nach Auskunft von Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz indessen wenige Regeln für den Anbau genmanipulierter Pflanzen, geschweige denn Abstandsgebote zu nicht manipulierten Pflanzen. In China gehe es dabei vor allem um Gen-Baumwollen, in Mexiko um Mais und in Argentinien um Soja, Mais und Raps. Was nun mit Honig von außerhalb der EU geschehe, das sei „die ganz große Preisfrage“, sagt Moldenhauer. Möglicherweise drohten „Rückrufaktionen ohne Ende“.

Anbauverbot für Genmais in sieben EU-Staaten

In Europa gilt laut Moldenhauer derzeit in sieben Ländern ein Anbauverbot für den fraglichen Mais mit der Fachbezeichnung MON810. Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Griechenland, Österreich, Ungarn und Bulgarien. Nur in Spanien werde der Gen-Mais großflächiger angebaut. Die Firma Monsanto, die das Patent auf den betroffenen Mais hält, war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.