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Im Gespräch mit DerWesten erläutert DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert, wo die Probleme der Energieriesen Eon und RWE liegen. Die Essener Eon-Tochterfirma Ruhrgas steht ihrer Einschätzung nach vor gravierenden Veränderungen.

Wie müssen sich die Energiekonzerne - speziell Eon - verändern?

Claudia Kemfert: Eon hat schon vor einiger Zeit begonnen, den Konzern hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung auszurichten. Atom- und auch Kohlestrom haben in Deutschland keine Zukunft. Der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Bau von Graskraftwerken sowie der Ausbau der Stromspeicherung sind gefragt. Eon leidet vor allem an den Lieferverträgen mit Russland, das aufgrund der Ölpreisbindung zu hohe Gaspreise verlangt. Der Gasmarkt hat sich insgesamt entspannt, die Gaspreise sind gesunken. Eon hat zu hohe Kosten aufgrund der hohen Gaspreise.

Lassen sich die Probleme der Energiekonzerne allein mit dem beschlossenen Atomausstieg begründen?

Kemfert: Nein. Eon leidet vor allem an den langfristigen und schlechten Vertragskonditionen mit Gazprom. RWE setzte bisher zu stark auf fossile Energien. Beide Konzerne – Eon und RWE – sind jedoch Energiegiganten, die man nicht zum Einsturz bringen kann, da sie enorm kapitalstark sind. Es wird nun auf das Management ankommen, welche strategischen Entscheidungen getroffen werden, damit dies auch in Zukunft so bleibt.

Stichwort Gasmarkt: Was sind die Ursachen für die Probleme von Eon Ruhrgas? Wie lassen sich die Probleme lösen?

Kemfert: Durch bessere Vertragskonditionen. Die Ölpreisbindung ist nicht mehr zeitgemäß. Der Ölpreis folgt völlig anderen Marktgesetzen und ist und wird immer teurer. Die Gaspreise sollten dem Gesetz des freien Marktes folgen, durch Angebot und Nachfrage. Da wir derzeit ein Überangebot auf dem Gasmarkt haben, gibt es Druck auf die Gaspreise. Daher sind die Preise, die Gazprom verlangt, überhöht. Da der italienische Versorger Edison auch über die Schlichtungsstelle bessere Gaspreise ausgehandelt hat, könnte es auch bei Eon zu einem solchen Abkommen kommen. Wenn nein, wird es schwer für Eon – ob allerdings eine Schließung von Eon Ruhrgas wirklich vonnöten ist, ist von außen schwer einschätzbar. Ich kann mir vorstellen, dass einige Energiekonzerne Interesse an einer Übernahme von Eon Ruhrgas hätten.

Wie beurteilen Sie die Rolle von Gazprom in Deutschland?

Kemfert: Gazprom hat schon lange ein strategisches Interesse, auf dem deutschen Markt aktiv zu sein. Grundsätzlich ist jedoch jeder Konzern willkommen, egal wo er herkommt. Für den deutschen Markt ist gesteigerter Wettbewerb grundsätzlich nichts Schlechtes. Sollte Gazprom jedoch weiterhin so hohe Gaspreise verlangen, wäre dem Verbraucher nicht geholfen.

Stellenabbau und Standortschließungen sind bei Eon im Gespräch. Das allein ist aber keine Strategie. Wo sehen Sie Wachstumspotenziale für den Konzern?

Kemfert: Im Bereich des Ausbaus von Gaskraftwerken, erneuerbarer Energien vor allem Offshore-Windenergie und Stromspeicherung. Wichtig ist, dass der Konzern Investitionen für den Energieumbau bereitstellt, dazu können Kosten eingespart werden oder aber auch verstärkt – auch ausländische – Bereiche verkauft werden, wie es Eon und RWE bereits getan haben. Grundsätzlich besteht ja die Möglichkeit des Verkaufs von Geschäftsanteilen wie zum Beispiel von Stadtwerken anstelle von Schließungen. Bei Eon hängt viel von den flexiblen Gasverträgen ab.

Ist ein groß angelegter Konzernumbau gegen den Willen der Beschäftigten durchsetzbar?

Kemfert: Ein kluger Geschäftsumbau wird die Beschäftigten mitnehmen. Die Energiewende birgt enorme wirtschaftliche Chancen, denn es werden enorme Investitionen getätigt werden, die wiederum Wertschöpfung und Arbeitsplätze bringen. Die großen Konzerne bekommen mehr Wettbewerbsdruck, da nun auch Stadtwerke, Infrastrukturunternehmen oder ausländische Energieanbieter auf dem deutschen Markt aktiv werden. Für den Stromkunden ist mehr Wettbewerb vorteilhaft.