Essen.

Sonntagabend im Essener RWE-Turm. Die Vertreter der Kapitaleigentümer im Aufsichtsrat sitzen beisammen, die Arbeitnehmerseite in anderen Räumlichkeiten. Bei ersteren ist die Anspannung besonders groß. Kurz vor dem Treffen zur Vorbesprechung der heutigen Aufsichtsratssitzung waren die Fronten in der Frage verhärtet, wer künftig als RWE-Chef auf Jürgen Großmann folgen soll. Die Kommunen, die vier der zehn Sitze der Eigentümer im Aufsichtsrat besetzen und knapp 25 Prozent des Kapitals vertreten, halten bis dahin geschlossen an ihrem Kandidaten Rolf Martin Schmitz fest. Und fordern zudem nach Informationen dieser Zeitungen das vorzeitige Ausscheiden von Großmann.

Der Plan von Aufsichtsratschef Manfred Schneider war hingegen ganz anders: Schneider wollte seinen Kandidaten Peter Terium, Chef der niederländischen Tochter Essent, als stellvertretenden Vorstandschef bis zum Ende von Großmanns Vertrag im September 2012 mitlaufen lassen. Ein RWE-Sprecher sagte, die Debatte um ein vorzeitiges Ausscheiden Großmanns komme „zur Unzeit“. Er sei der beste Mann für den Übergang.

Arbeitnehmerseite stört sich an Großmanns Atom-Kurs

Das sehen die Kommunen ganz anders. Nicht zuletzt hat sie Großmanns Vorstoß zu einer engen Zusammenarbeit mit dem russischen Staatskonzern Gazprom aufgebracht. Und die Arbeitnehmerseite kommt schon länger nicht mit Großmanns Atom-Kurs klar. Stellvertretender Aufsichtsratschef bei RWE ist Verdi-Chef Frank Bsirske (Grüne). Bsirske ist Großmann ohnedies in herzlicher Abneigung verbunden.

Die Arbeitnehmerbank stellt sich traditionell hinter den Personalvorschlag der Eigentümerseite – sofern diese sich einig ist. Was sie bis gestern Abend – dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe – aber nicht war. Tendenziell, so heißt es, neigen sich die Sympathien der Gewerkschaften dem kommunalen Kandidaten Schmitz zu.

Bei der IG BCE gab es diese Neigung schon immer. Bei Verdi seien sie jüngst durch die Vorgänge bei Eon und den möglicherweise drastischen Personalabbau gewachsen. Warum sollte Verdi mit Terium einen für sie weithin unbekannten, international orientierten Finanzexperten unterstützen?

Als wahrscheinlich und gesichtswahrend für alle schien gestern nach wie vor die Lösung, beide Kandidaten – Terium als Chef und Schmitz als Vize-Chef – zu installieren. Oder umgekehrt. Der kommunale Kandidat Schmitz als Nummer eins ist jedenfalls übers Wochenende nicht unwahrscheinlicher geworden.

Die Kommunen lassen die Muskeln spielen

Zumal die Kommunen, darunter große RWE-Anteilsbesitzer wie Essen, Dortmund, Bochum oder Mülheim, festen Willens sind, RWE als ihre industriepolitische Basis in NRW zu verteidigen. Im Verband der kommunalen Unternehmer heißt es jedenfalls: „Auch eine Kapitalerhöhung von RWE würden die Kommunen mitgehen.“ Wenn die Städte nicht selbst, die im Revier zumeist unter Haushaltsaufsicht stehen, dann über deren Stadtwerke.

Die Kommunen lassen die Muskeln spielen. Laut Spiegel gibt es sogar Überlegungen, die Anteile der Kommunen auf 30 Prozent aufzustocken. Damit wäre ein maßgeblicher Einfluss auf Strategie und Personal gesichert. „Die notwendige Summe von rund einer Milliarde Euro könnte von der Düsseldorfer Landesregierung zur Verfügung gestellt werden, etwa über die landeseigene NRW-Bank“, so das Magazin.