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Der Essener Energiekonzern RWE leitet einen Generationswechsel ein: Der 47-jährige Niederländer Peter Terium soll im kommenden Jahr als Nachfolger von Vorstandschef Jürgen Großmann den Versorger aus der Atom-Ära führen.

Die Kür des Kronprinzen von RWE-Chef Jürgen Großmann geriet zu einer Nacht der langen Messer. Bis halb zwölf in der Nacht zum Montag tagten die zehn Aufsichtsratsvertreter, die für die Kapitaleigentümer stehen. Aufsichtsratschef Manfred Schneider brachte und brachte auch mit tätiger Unterstützung von Paul Achleitner (Allianz) keine Einigung für ihren Kandidaten Peter Terium hin.

Die vier kommunalen Vertreter Dagmar Mühlenfeld (Mülheim), Ullrich Sierau (Dortmund), Frithjof Kühn (Rhein-Sieg-Kreis) und Roger Graef (Verband kommunale RWE-Aktionäre) blieben hart. Bockelhart. Die Kommunen, die zwischen 20 und 25 Prozent der RWE-Anteile besitzen, beharrten Stund’ um Stund’ auf ihrem Favoriten Rolf Martin Schmitz. Zum Schluss, kurz vor Mitternacht, wussten sich Schneider und die anderen fünf Vertreter der freien Aktionäre nur noch mit einer Maximal-Drohung zu helfen. Zusammen mit Ekkehard Schulz (Thyssen-Krupp) Carl-Ludwig von Boehm-Bezing (Deutsche Bank), Dieter Zetsche (Daimler) und Wolfgang Schüssel (österreichischer Bundeskanzler a. D.) hob die Front aus dem Oberhaus der deutschen Wirtschaft zur maximalen aller Drohungen an: dem geschlossenen Rücktritt, sollten die Kommunen an Schmitz festhalten.

Die Front der Sechs hat sich durchgesetzt

Verschärfter Sparkurs

Bei RWE leuchten nach der Energiewende immer mehr Warnlampen auf. So korrigierte der Konzern gestern seinen Ergebnisausblick für 2011 nach unten. Das Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) werde um 20 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres liegen. Im Februar hatte der Konzern noch einen Rückgang um 15 Prozent prognostiziert.

Deshalb schnürt RWE ein umfangreiches Maßnahmenbündel, um den „verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ zu begegnen. So soll eine Kapitalerhöhung rund 2,5 Milliarden Euro in die klamme Kasse spülen, unklar ist noch der Zeitpunkt.

Darüber hinaus weitet RWE sein Verkaufsprogramm aus, um damit unter anderem sein Kreditrating zu sichern. Bis Ende 2013 sollen Unternehmensbeteiligungen im Umfang von elf Milliarden Euro abgestoßen werden. Ursprünglich peilte RWE acht Milliarden Euro an. Auch mögliche Verkaufskandidaten nannte RWE: die Beteiligung an Berlinwasser, an RWE-Dea oder am tschechischen Ferngasnetzbetreiber Net4Gas. Auch der Verkauf von Gas- und Kohlekraftwerken, sowie von deutschen Netz- und Vertriebsgeschäften steht zur Debatte. Außerdem prüft der Konzern Einschnitte in sein Investitionsprogramm: 2012 und 2013 sollen sie auf fünf Milliarden Euro gedeckelt werden, danach auf vier Milliarden Euro pro Jahr. (t.b.)

So kam es gestern erst im Personalausschuss, der vor der eigentlichen außerordentlichen Aufsichtsratssitzung stattfand, zum Friedensschluss, der von RWE als „einstimmiger“ Aufsichtsratsbeschluss verkündet wurde: Peter Terium, der derzeitige Chef der niederländischen RWE-Tochter Essent, wird zum 1. September zum Stellvertreter von Großmann berufen. Wenn Großmann im Sommer 2012 ausscheidet, rückt Terium auf den Chefposten und Schmitz als Vize-Chef auf.

Auch hier hat sich die Front der Sechs mit einem Basta durchgesetzt. Wollten doch die Kommunen den Weg für das Tandem Terium/Schmitz früher frei gemacht sehen: über den Rückzug von Vorstandschef Großmann. So aber ist nun geplant, dass Großmann, der einen Vertrag bis September 2012 besitzt, bis 30. Juni kommenden Jahres auf der Kommandobrücke bleibt. Die Kommunen, heißt es, hätten zähneknirschend beigedreht, um größeren Schaden von RWE abzuwenden.

Hält der Burgfrieden?

Eine Kampfabstimmung hätte den früheren Bayer-Chef Schneider vermutlich zum Rücktritt als RWE-Aufsichtsratschef gezwungen. Eine Führungskrise in dieser Zeit strategischer Neuausrichtung hätte ein Debakel bedeutet. Zudem hat die kommunale Seite ihren Kandidaten als Nummer zwei gesichtswahrend etablieren können. Schmitz (54) gilt als erfahrener Energiemanager, der das kommunale Geschäft versteht; der Finanzexperte Terium (47) steht für Internationalität und könnte aufgrund seines Alters zwei Amtszeiten an der Spitze bleiben. Ob der Burgfrieden im Aktionärskreis hält? Den Kommunen ging es, wie es heißt, nicht darum, Terium zu verhindern. Sie seien für Schmitz, nicht gegen Terium gewesen. Vor allem das Verfahren habe sie aufgebracht. Das könnte Folgen haben. Jedenfalls scheint das Duo aus dem Allianz-Manager Achleitner und dem 72-jährigen Aufsichtsratschef Schneider angeschlagen. Ekkehard Schulz habe unlängst auf die Frage, ob er denn bereit sei, den Vorsitz im Aufsichtsrat zu übernehmen, abgewinkt: Er wolle sich nicht in den Zweikampf der Eigentümerseite ziehen lassen.