Essen. Bei der Deutschen Bahn türmen sich die Probleme. Jetzt hat der Rechnungshof schwere Mängel im Qualitätsmanagement der Bahn aufgedeckt. Als Konsequenz fordert der Chef des Verkehrsausschusses straffere Prüfungen.
Stresstest-Tage für den Bahnchef: Das Stellwerk in Aachen hat vor der Hitze kapituliert und den Verkehr im westlichen Rheinland lahmgelegt. Der neue ICE wird verspätet ausgeliefert und steht im nächsten Winter nicht zur Verfügung. Rüdiger Grubes Ärger mit dem baden-württembergischen Verkehrsminister wegen Stuttgart 21 spitzt sich zu. Und jetzt auch noch ein Bericht des Bundesrechnungshofes mit zwei Kernaussagen. Danach lässt die Deutsche Bahn nicht nur ältere Brückenbauwerke verfallen, damit der Bund neue finanziert. Sie schönt auch die Zahlen, mit denen sie jährlich 2,5 Milliarden Euro Staatszuschuss rechtfertigen soll.
Beim Pfusch ertappt
Jedes Jahr hat das zu 100 Prozent bundeseigene Unternehmen eine Art „Qualitätsbericht“ vorzulegen. Er ist erst die Voraussetzung dafür, dass Berlin Zuschüsse für Investitionen in die Bahnkasse überweist. In dem selbst verfassten Report werden Gleise, Weichen und Bahnhöfe unter anderem mit Schulnoten von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ bewertet. Diese Methode der Selbstbewertung hat der Rechnungshof schon immer skeptisch beurteilt. Jetzt glauben die Prüfer, die Bahn beim großen Pfusch ertappt zu haben. Ihr Bericht liegt der WAZ-Mediengruppe vor. Sie kreiden eine lange Mängelliste an:
- 7300 Kilometer Gleise, was zwölf Prozent entspricht, und mehr als 31 000 Weichen und Kreuzungen (etwa 43 Prozent aller Anlagen) werden bei der Berechnung des Durchschnittsalters einfach nicht berücksichtigt.
- Bei der Bewertung der Bahnsteige berücksichtigt das Unternehmen zwar die Ausstattung, nicht aber den baulichen Zustand.
- Bei der stichprobenartigen Überprüfung von 50 Bahnhöfen stellte der Rechnungshof fest, dass „die DB AG Zustandsnoten für Bahnanlagen vergeben hat, die vor Ort nicht vorzufinden waren“. Rund 900 Empfangsgebäude tauchen dafür überhaupt nicht auf, weil die Bahn AG sie nicht weiter betreiben möchte.
- Schließlich entdeckten die Prüfer eine Übereinkunft zwischen Bahn und Bund, 3900 kleinere Bahnhöfe, immerhin 69 Prozent aller Stationen, pauschal als „stufenfrei“ zu bewerten, auch wenn die Bahnsteige ausschließlich über Treppen zu erreichen sind.
Brisant ist ein weiterer Kritikpunkt. Er betrifft die Bahnbrücken und ihre Sicherheit. In ihrem Netzzustandsreport gibt das Unternehmen als Bewertungsstufe „größere Schäden“ an. Der Rechnungshof glaubt zu wissen, warum das so ist: „Die DB AG setzt für die Eisenbahnbrücken erheblich weniger Mittel ein als eine Expertengruppe des Bundes und der Bahn ermittelt hat“. Der Verdacht: Für die Bahn könne „es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, ihre Instandhaltungsleistungen so weit zu reduzieren, bis diese Anlagen zu Lasten des Bundes erneuert werden müssen“. Der Rechnungshof fürchtet jetzt einen „Instandhaltungs- und Investitionsstau“. Das könne durchaus dazu führen, dass „Brücken zu sperren sind“.
Sperrung der Müngstener Brücke aufgehoben
Dafür gibt es sogar ein aktuelles Beispiel. Über mehrere Monate durfte kein Zug Deutschlands höchsten Eisenbahnübergang, die Müngstener Brücke zwischen Wuppertal und Solingen, fahren. Sie war zu unsicher. Erst in diesen Tagen hat das Eisenbahnbundesamt unter Auflagen („Verstärkungsmaßnahmen an der Brücke, weitere Sanierungsarbeiten an der Stahlkonstruktion“) einen Betrieb mit Tempo 70 bis 2014 erlaubt.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter von den Grünen, sieht Probleme nicht nur bei der Bahn. Der Bund nehme seine Verantwortung nicht wahr: „Ich habe immer betont, dass die Gelder zur Finanzierung der Schienenwege von der DBA AG nicht effizient eingesetzt werden“, sagte er der WAZ-Mediengruppe. „Der Bund kommt hier seiner Aufsichtspflicht nicht ausreichend nach.“ Der Verkehrsminister müsse umdenken: An „klaren und strengen Kriterien“ für die Überweisung der Staatsgelder an die Bahn führe kein Weg vorbei. „Das muss durch eine laufende Prüfung sichergestellt werden.“