Essen. . RWE-Chef Jürgen Großmann geht mit seiner Kritik am Atomausstieg in die Offensive und warnt vor einer Abwanderung der Industrie. Bislang habe RWE den Großteil seiner Investitionen auf Deutschland konzentriert. Das werde sich ändern.
RWE-Chef Jürgen Großmann geht mit seiner Kritik am Atomausstieg in die Offensive und warnt vor einer Abwanderung der Industrie. „Wenn die Politik weiter so konsequent die Zerstückelung der industriellen Energieerzeugung betreibt, werden wir bald auf ganze Industriezweige verzichten müssen. Konzerne wie BASF oder Thyssen-Krupp wird es dann hier nicht mehr geben“, sagte Großmann der Süddeutschen Zeitung.
Die Beschlüsse der Bundesregierung seien „rational und rechtlich nicht begründbar“. Investitionen würden in der Folge des Atomausstiegs bereits heute zurückgehalten, sagte Großmann unter Berufung auf Vorstandschefs anderer Unternehmen. Diese warteten ab, welche Richtung der Strompreis einschlage. Großmann, der zugleich Eigentümer des Stahlkonzerns Georgsmarienhütte ist, kündigte auch für RWE ein größeres Tempo bei den Auslandsinvestitionen an.
Der Konzern müsse das „Klumpen-Risiko Deutschland“ verringern. Bislang habe RWE den Großteil seiner Investitionen auf Deutschland konzentriert. Das werde sich ändern. „Die Investitionen werden künftig eher im Ausland erfolgen. Denn Wachstum findet für uns derzeit woanders statt.“
„Gefahr einer feindlichen Übernahme wächst“
Der RWE-Chef räumte ein, dass ihm der Absturz der RWE-Aktie Sorgen bereite. Der Wert des Papiers hat sich seit 2008 mehr als halbiert. Die internationalen Aktionäre des Konzerns, die zu mehr als der Hälfte aus dem Ausland kämen, „kritisieren mittlerweile offen die politischen Risiken des deutschen Energiemarktes“.
Wohl mit Blick auf große internationale Konzerne wie den französischen Atom-Konzern EdF sagte Großmann: „Die Gefahr einer feindlichen Übernahme wächst mit sinkenden Kursen.“ Die kommunalen Aktionäre halten noch um die 25 Prozent an RWE, die Tendenz ist allerdings seit Jahren rückläufig. Ein Unterschreiten dieser Sperrminorität ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.
Interner Kandidat
RWE-Chef Großmann spricht sich offensichtlich für einen internen Kandidaten für seine Nachfolge im Herbst 2012 aus. Er habe dem Aufsichtsrat vorgeschlagen, einen Stellvertreter zu benennen. Die Vorstände Rolf Martin Schmitz und Leonhard Birnbaum gelten als Kandidaten. Bis Sommer solle über den Vize-Posten entschieden sein.
Auf die Frage, ob RWE offen sei für eine Fusion, sagte Großmann, der Konzern sei stark genug, um alleine zu bestehen. Er verwies aber auf die zunehmend komplexer werdenden Energiemärkte und einen „Flickenteppich regulatorischer Maßnahmen“, die grenzüberschreitende Arbeitsteilung nötig machten. In der Tat sind die Spielräume gerade in Deutschland eng geworden. Nur noch rund 30 Prozent des Strompreises bilden sich am Markt, der Rest unterliegt der staatlichen Regulierung wie etwa der Einspeisvergütungen für erneuerbare Energien.
Fusionsgespräche mit Iberdrola abgebrochen
Diese als einschränkend empfundenen Bedingungen sind auch der Grund, weshalb Großmann in der Zeit vor der Reaktorkatastrophe in Fukushima Fusionsgespräche mit dem spanischen Versorger Iberdrola führte.
In dem Interview wollte er das nicht kommentieren. Nach Informationen unserer Zeitung aber hat es über drei Monate dauernde Sondierungsgespräche gegeben, in die nur wenige Personen eingeweiht waren. Auch einige Vertreter des Aufsichtsrats hatten Kenntnis davon. Insbesondere der hohe Anteil erneuerbarer Energien bei Iberdrola schienen interessant, ebenso die vergleichsweise geringe Überschneidung der Geschäfte. Die Gründung einer europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz im Ausland ist diskutiert worden. Die Gespräche wurden aufgrund der sehr komplexen Strukturen eingestellt.