Berlin. .
Die jüngsten Inflationsdaten belegen einen längst gefühlten Trend: Gutes Essen und Trinken wird immer teurer. Die Konsumenten müssen sieben Prozent mehr für Nahrungsmittel ausgeben als vor einem Jahr. Einzelne Erzeugnisse haben sich gar drastisch verteuert, zum Beispiel Kaffee oder Kakao. Das ist ein erstes starkes Anzeichen für einen langfristigen Trend.
Über Jahrzehnte ist in Deutschland der Anteil der Ausgaben für Obst, Gemüse oder Nudeln rückläufig gewesen, von fast 19 Prozent im Jahr 1970 auf gut elf Prozent im Jahr 2009. Damals musste der Durchschnittsarbeitnehmer noch mehr als eineinhalb Stunden für ein Kilogramm Kotelett arbeiten, heute sind es lediglich 23 Minuten. Der Überfluss an Lebensmitteln zu äußerst günstigen Preisen hat dafür gesorgt, dass die Versorgung für alle Zeiten gesichert erschien und Konsumenten sich allenfalls Gedanken um die Qualität der Erzeugnisse machten, nicht jedoch über die Verfügbarkeit. Nahrungsmittelmangel als eigene Erfahrung ist nur noch im kollektiven Gedächtnis der älteren Generation verhaftet. Dies birgt tendenziell die Gefahr, dass die Anzeichen für Ernährungskrisen zu spät wahrgenommen werden.
Essen und trinken wird aus vielen Gründen teurer. Bis Mitte des Jahrhunderts wächst die Erdbevölkerung noch einmal um zwei Milliarden Menschen an, die ernährt werden wollen. Die Anbauflächen können nicht beliebig erweitert werden. Die Versorgung aller Menschen ist rechnerisch trotzdem möglich, wenn zum Beispiel weniger Fleisch und mehr Gemüse auf dem Teller liegt. Doch realistisch ist ein anderes Szenario, weil es genügend Menschen gibt, die sich für die Gesamtheit nachteilige Konsumgewohnheiten leisten können.
Damit die Versorgung dauerhaft gesichert werden kann, wird die Landwirtschaft ihre Produktivität steigern müssen. Damit sind allerdings viele neue Probleme verbunden. Die Folgen der grünen Gentechnik sind beispielsweise nicht richtig erforscht, und ihre Akzeptanz hierzulande geht gegen Null. Auch steigt die Umweltbelastung bei einer intensiveren Bewirtschaftung der Böden. Schließlich besteht die Gefahr, dass Masse immer mehr Klasse ersetzt, wie es auch in den Nachkriegsjahren der Fall war. Anders gesagt: Die Verbraucher bekommen für dasselbe Geld schlechtere Lebensmittel. Das ist auch eine Art Preissteigerung.
Schließlich wird Getreide, Reis oder Kaffee auch mehr zum virtuellen Handelsgut, das Finanzinvestoren anzieht. Ökonomen zufolge gehen bis zu 25 Prozent der jüngsten Preissteigerungen auf Spekulation zurück. Auf einem Weltmarkt für Nahrungsmittel lässt sich dieser Preistreiber kaum verhindern. All diese Entwicklungen – bis hin zur Konkurrenz zwischen Weizen für das Brot und Mais für den Biosprit – sorgen für einen lang anhaltenden Aufwärtstrend bei den Lebensmittelausgaben.
Dem Trend inne wohnen auch große Gefahren. Der Klimawandel könnte zu Missernten führen, womöglich gar zeitgleich in allen wichtigen Anbaugebieten. Momentan vertrocknen die deutschen Äcker, während die amerikanischen ersaufen. Und das Preisniveau könnte arme Haushalte überfordern. Dann hätten wir den ausgerottet geglaubten Hunger wieder vor der eigenen Tür. Es gibt also gewichtige Gründe, die Entwicklung achtsam zu verfolgen. Denn satt sein war vielleicht nur für wenige Jahrzehnte selbstverständlich.