Essen. . Der Essener Baukonzern Hochtief verliert endgültig die Unabhängigkeit an den spanischen Großaktionär ACS. Die Hochtief-Hauptversammlung am Donnerstag prägten Wut, Wehmut und eine Triumphgeste.

Als der Moment des Abschieds nahte, zeigte selbst der sonst so nüchterne Westfale Herbert Lütkestratkötter Emotionen. Er kämpfte mit den Tränen. Seine Stimme stockte. „Ich hatte noch viele Pläne mit meinem Team. Nun ist es anders gekommen“, sagte der scheidende Hochtief-Vorstandschef, der als Symbolfigur im Abwehrkampf gegen den spanischen ACS-Konzern galt. Unter dem Beifall der Aktionäre schilderte „Dr. Lü“, welche Fortschritte das Unternehmen in seiner Amtszeit gemacht habe. „Ich habe jedenfalls mein Bestes gegeben. Und mehr ging nicht“, sagte er, bevor er – sichtlich bewegt – das Rednerpult in der Essener Grugahalle verließ.

Lütkestratkötter vermied bei der mit Spannung erwarteten Hauptversammlung jedes böse Wort gegen die künftigen Herren von Deutschlands größtem Baukonzern. Stattdessen war es Hochtief-Aufsichtsratschef Detlev Bremkamp, der erahnen ließ, wie sehr die Atmosphäre im Unternehmen durch die feindliche Übernahme vergiftet wurde. Ausdrücklich wies Bremkamp darauf hin, dass der Abgang von Lütkestratkötter nicht freiwillig erfolgt sei. Einige Aktionäre quittierten die Aussage mit heftigen Buh-Rufen. Dass sich viele Kleinaktionäre einen Verbleib von Lütkestratkötter im Amt gewünscht hätten, wurde nur allzu deutlich.

Doch der Machtkampf um Hochtief war bereits entschieden, als die ersten Aktionäre in den Morgenstunden den Saal betraten. Unmittelbar vor der Hauptversammlung kündigten Bremkamp und drei weitere ACS-kritische Aufsichtsräte ihren Rückzug an – darunter BDI-Präsident Hans-Peter Keitel und Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Damit war der Weg für den spanischen Baukonzern frei.

Klare Machtverhältnisse

Sorge um Hochtief

SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstützt die Hochtief-Belegschaft im Kampf gegen die feindliche Übernahme.
SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstützt die Hochtief-Belegschaft im Kampf gegen die feindliche Übernahme. © WAZ FotoPool
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Zu klar waren die Machtverhältnisse. Mit 43 Prozent der Hochtief-Anteile war ACS eine Mehrheit bei der Hauptversammlung sicher. Über den Aufsichtsrat können die Spanier auch die Besetzung des Vorstands bestimmen. Mit Frank Stieler übernimmt nun ein Hochtief-Manager, der das Vertrauen von ACS genießt, die Führung des Essener Traditionskonzerns. An die Spitze des Aufsichtsrats sollte der ehemalige Continental-Chef Manfred Wennemer rücken.

Bremkamp, der Hochtief ebenso wie Lütkestratkötter verlassen wird, nutzte seine Rede zu einer Abrechnung mit dem von Real-Madrid-Präsident Florentino Perez geführten ACS-Konzern. Der scheidende Aufsichtsratschef warf ACS ein falsches Spiel vor. Wie sich die Übernahme für Hochtief auswirke, werde sich „in den nächsten Monaten und Jahren zeigen“. Einige Aktionärsvertreter wurden noch deutlicher. „Wir tragen heute die Unabhängigkeit von Hochtief zu Grabe“, sagte Marc Tüngler, der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Tüngler erwartet weitreichende Folgen für das Unternehmen mit seinen weltweit rund 70 000 Mitarbeitern. „Wir befürchten, dass Hochtief ausgeplündert wird“, warnte der Aktionärsvertreter.

"Hier wird eine gute Firma von einer schlechten übernommen"

Bei vielen Kleinaktionären, die angeregt über die Zukunft von Hochtief diskutierten, mischte sich Wut mit Wehmut. „Hier wird eine gute Firma von einer schlechten übernommen“, schimpfte Michael Haupt, der seit 20 Jahren Aktien von Hochtief hält.

Der spanische Großaktionär ließ die Beschimpfung fast widerspruchslos über sich ergehen. Ein Vertreter von ACS, Rechtsanwalt Peter Erbacher, erklärte lediglich: „Die Hauptversammlung ist nach Auffassung von ACS nicht der Ort, einen abgeschlossenen Streit fortzuführen.“ So drückt sich wohl die Gelassenheit des Siegers aus.

Der künftige Hochtief-Chef Stieler, der als Vorstandsmitglied fünf Plätze entfernt von Lütkestratkötter saß, blieb auf Distanz zu seinem Amtsvorgänger. Einmal reckte Stieler für die Fotografen sogar den Daumen in die Höhe. Der eine Manager triumphiert, der andere kämpft mit den Tränen. Krasser könnte der Gegensatz kaum sein.