Berlin. . Ab dem 1. Mai dürfen Polen, Tschechen und andere Europäer in Deutschland arbeiten. Bis zu 140 000 Kräfte pro Jahr werden erwartet. Außen vor bleiben nur Bulgaren und Rumänen – bis 2014.
Noch knapp zwei Wochen lang müssen sich Arbeitnehmer aus acht EU-Ländern gedulden, sofern sie gerne in Deutschland arbeiten möchten. Denn ab dem ersten Mai dürfen sich fast alle Beschäftigten aus EU-Ländern überall in der Gemeinschaft einen Job suchen.
Für die meisten gilt dies schon. Aber Deutschland hatte eine siebenjährige Schonzeit ausgehandelt, die ausgerechnet am diesjährigen Tag der Arbeit ausläuft. Dann dürfen Esten, Letten, Litauer, Tschechen, Polen, Ungarn, Slowaken und Slowenen hier einer regulären Arbeit nachgehen. Außen vor bleiben vorerst Bulgaren und Rumänen, die ab 2014 kommen dürfen.
Die Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt sind umstritten. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist optimistisch. „Wir erwarten eher die jungen, gut ausgebildeten Leute“, sagt die Politikerin. Ihre Fachleute rechnen mit einer mäßigen Zuwanderung aus den Beitrittsländern. Danach werden zwischen 100 000 und 140 000 Arbeitnehmer jährlich die neue Freiheit nutzen.
Gewerkschaften warnen vor Lohndumping
„Uns geht nicht die Arbeit aus, sondern uns gehen die Arbeitskräfte aus“, verteidigt die Ministerin die Öffnung. Sie hofft beispielsweise, dass Handwerksbetriebe in den grenznahen Gebieten in den neuen Ländern Azubis aus den Nachbarländern anheuern können. Denn die Betriebe können die Lehrstellen schon nicht mehr mit deutschen Schulabgängern besetzen.
In der Praxis vereinfacht die Neuregelung die Zuwanderung. Eine Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis benötigen die EU-Bürger nicht. Solange sie sich an die deutschen Bestimmungen halten, dürfen sie hier leben und arbeiten.
Während die Bundesregierung die Vorzüge preist, warnen die Gewerkschaften vor Lohndumping, vor allem in der Leiharbeitsbranche. Zwar gelten hier jetzt auch Mindestlöhne, 7,79 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten, doch der DGB verlangt einen generellen Mindestlohn von 8,50 Euro, damit die Konkurrenz aus den Niedriglohnländern keine Lohnspirale nach unten auslöst.
Gute Erfahrungen in Großbritannien
Andere Länder haben mit den Zuwanderern gute Erfahrungen gemacht. So zog es zeitweilig mehr als 700 000 Polen nach Großbritannien. Langfristig erwartet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auch positive Wachstumseffekte in Deutschland durch die Zuwanderung. Kurzfristig kann die Öffnung allerdings auch Nachteile bringen.
Im Vergleich zu Beginn des Jahrzehnts ist die Sorge vor einer Schwemme von Billigarbeitern in der Fachwelt einer Gelassenheit gewichen. Denn das Lohnniveau in den Beitrittsländern hat sich inzwischen deutlich erhöht. Der Abwanderungsdruck lässt daher nach. „Ich glaube nicht, dass sich viel tun wird“, sagt der Chef des Instituts für Makroökonomie, Gustav Horn. In Deutschland sei das Lohnniveau auch nicht mehr so interessant für Zuwanderer. Diese würden womöglich gleich weiterziehen.
In Bulgarien gilt Mindestlohn von 122 Euro
Das Lohngefälle ist vor allem bei gering Qualifizierten weiterhin beträchtlich. Das zeigt ein Blick auf die Mindestlöhne, die fast alle europäischen Länder vorschreiben. Schlusslicht ist Bulgarien mit einer Untergrenze von 122 Euro im Monat. In Polen müssen wenigstens 350 Euro bezahlt werden. Auf der anderen Seite stehen etwa die Engländer mit 1130 Euro und die Niederländer mit über 1400 Euro.