Recklinghausen. .

Die Maikundgebungen drehen sich in diesem Jahr um ein zentrales Problem: Ab dem 1. Mai können Osteuropäer ohne Beschränkung in Deutschland arbeiten. Die Gewerkschaften befürchten eine Lohnsenkung und fordert gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

1. Mai. Tag der Arbeit. Und im Verständnis der Arbeiter damit auch ein Tag der Freude. Diesmal allerdings ist es ein Feiertag, an dem es weniger Grund zum Lachen gibt. Und das hat noch am wenigsten damit zu tun, dass der 1. Mai auf einen Sonntag fällt und den Arbeitnehmern damit der zusätzliche freie Tag entgeht.

Viel schlimmer ist aus Gewerkschaftssicht, dass mit diesem Tag auch in Deutschland die europäische Einigung endgültig vollzogen wird. Sieben Jahre nach den meisten anderen Kernmitgliedsstaaten wird auch hierzulande die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gelten. Polen, Esten, Ungarn, Tschechen und andere – Arbeitnehmer aus insgesamt acht osteuropäischen Ländern – können ohne Beschränkung einreisen und ihre Arbeitskraft anbieten. Ohne Arbeitsstelle, ohne Genehmigung durch die Agentur für Arbeit. „Das schafft enorme Probleme, bringt viele ungelöste Fragen mit sich und verschärft den Druck auf den Arbeitsmarkt“, ist Josef Hülsdünker überzeugt. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Region Emscher-Lippe sieht schwierige Zeiten heranbrechen.

Steigende Arbeitslosigkeit

Nach Schätzungen könnte die Arbeitslosenquote bundesweit schon bald um 0,4 Prozent steigen, zwischen 100 000 und 1 Millionen ausländische Arbeitssuchende würden erwartet. Und das würde vor allem die Arbeitnehmer im unteren Lohnsegment treffen. Der befürchtete Druck werde sich nach Einschätzung von Klaus Brüske, dem stellvertretenden Bezirksleiter der IGBCE, vor allem auf die konzentrieren, „die sich sowieso schon in prekären Verhältnisse befinden oder wenig Chancen auf dem Markt haben“.

Es gebe durch das Entsendegesetz, das heimische Standards etwa in Sachen Lohn, Urlaub und Arbeitssicherheit setzt, zwar einige geschützte Branchen wie die Bauwirtschaft oder den Pflegebereich. „Aber wir sind richtig sauer darüber, dass gerade die Leiharbeitsbranche bisher nicht dazu gehört“, sagt Josef Hülsdünker. Es gebe unmittelbar hinter der polnischen Grenze eine Vielzahl neuer Firmen, die vom 1. Mai an auf den deutschen Arbeitsmarkt drängten. Und das zu in Polen gültigen Bedingungen.

Arbeitskosten liegen weit auseinander

Was das heißt, zeigt der Vergleich zweier statistischer Größen. Gemessen an deutschen Verhältnissen betragen die durchschnittlichen Arbeitskosten in Polen nur 22,3 Prozent. Die Arbeitskosten pro Stunde gehen weit auseinander. In Polen liegen sie bei 6,90 Euro, in Deutschland bei 30,90 Euro.

Damit nicht genug. Die Gewerkschaften fürchten nicht nur eine „importierte Lohnsenkung“ in einigen Branchen, sondern auch zum Teil nicht zu kontrollierende Zustände. Selbst wenn es mehr Zollbeamte gebe, wie dies Ali Kosan von der IG Bau fordert. Nach welchem Länderrecht sie was zu kontrollieren hätten, ist nach Einschätzung von Josef Hülsdünker dann mitunter nicht klar. „Es gibt viele ungeklärte Fragen“, so der hiesige DGB-Chef. Die bundesweite Kampagne der Gewerkschaft richtet sich daher auf einem Punkt. Sie lautet: „Das ist das Mindeste. Faire Löhne, gute Arbeit, soziale Sicherheit“. Ein Grundprinzip müsse gelten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.

Maikundgebungen im Vest


Datteln Kundgebung: 11 Uhr, Hermann-Grochtmann-Museum; Redner: Willy Puksic-Hower, GdP-Chef Recklinghausen
Herten Demo: 10.15 Uhr, Fa. Strecker, Kaiserstraße 252; Kundgebung: 10.45 Uhr, Otto-Wels Platz; Redner: Uwe Goullong, ver.di-Bundesvorstand
Marl Demo: 10 Uhr, IGBCE-Jugendheim, Wiesenstraße; Kundgebung: 11 Uhr, Creiler Platz; Redner: Manfred Menningen, IG Metall Nordrhein-Westfalen
Oer-Erkenschwick Demo: 10.15 Uhr, Hünenplatz; Kundgebung: 11 Uhr, IGBCE-Jugendtreff; Redner: Bernd Neumann, IG Bau Emscher-Lippe-Aa
Recklinghausen Demo: 11.15 Uhr, Dr. Helene-Kuhlmann-Park (Rathaus); Kundgebung: 12 Uhr, Gewerkschaftstreff (Festspielhaus); Jürgen Czech, Regionalleiter IG Bau Westfalen
Waltrop Kundgebung: 18 Uhr, Awo-Saal; Redner: Hans Nimphius, ehemaliger DGB-Regionsvorsitzender