Essen. . In der Führungsetage von Karstadt rumort es heftig. Der Aufsichtsratschef verabschiedete sich entnervt, Karstadt-Eigentümer Berggruen will den Konzern regelrecht zerteilen, und genug Profit ist immer noch nicht in Sicht.
Es war ein paar Monate lang ruhig geworden um Karstadt. Das Krisen-Unternehmen sehnte sich nach Normalität. Andrew Jennings, seit Anfang des Jahres Geschäftsführer, meidet bis heute die Öffentlichkeit. Auch Nicolas Berggruen, der Karstadt-Eigentümer, hüllte sich lange in Schweigen. Nun meldete sich der smarte Milliardär zu Wort – und mit einem Mal ist das Unternehmen wieder in Aufruhr. Alain Caparros, Aufsichtsratschef und Hoffnungsträger der Kaufhauskette, suchte überraschend das Weite. Berggruen besetzte darauf das Gremium mit treuen Gefolgsleuten.
Es kam zum Eklat, nachdem Berggruen seine weitreichenden Pläne für Karstadt in einem „FAZ“-Interview skizziert hatte. Der deutsch-amerikanische Milliardär will die Essener Warenhauskette, die rund 25 000 Mitarbeiter beschäftigt, in drei Einheiten aufteilen. Künftig sollen die Luxuskaufhäuser (KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg), die Sportfilialen und die klassischen Warenhäuser unabhängig voneinander ihr Geschäft vorantreiben – mit jeweils eigenen Managementstrukturen und eigener Ergebnisverantwortung. Damit wird das Traditionsunternehmen faktisch zerlegt, auch wenn alle drei Komplexe unter dem Karstadt-Dach bleiben sollen.
Im Management wird das Projekt unter dem Stichwort „Separation“ diskutiert. Das Wort hat lateinische Ursprünge und heißt soviel wie Absonderung oder Trennung.
Der Manager war sauer
Bei Karstadt trennte sich allerdings zunächst einmal einer der wichtigsten Manager vom Unternehmen. Aufsichtsratschef Caparros, der im Hauptberuf Chef des Kölner Handelskonzerns Rewe ist, empfand es offenbar als schlechten Stil, dass Berggruen die Pläne in den Medien präsentiert hatte, noch bevor sich der Karstadt-Aufsichtsrat in seiner für Donnerstag geplanten Sitzung mit dem Projekt befassen konnte. Mit sofortiger Wirkung legte Caparros sein Amt nieder – „wegen eines unterschiedlichen Verständnisses über die Rolle des Aufsichtsrates in der strategischen Ausrichtung des Unternehmens“. So äußert sich ein Manager, wenn er schwer verärgert ist.
Im Lager der Arbeitnehmer wird der Rückzug bedauert. „Caparros ist sehr erfahren. Er hätte uns weitergeholfen“, sagte Karstadt-Betriebsratschef Hellmut Patzelt.
Erst einen Tag nach dem Abgang von Caparros konnte Berggruen einen Nachfolger präsentieren. Es ist sein Vertrauter Jared Bluestein, der seit geraumer Zeit Berggruens Interessen in mehr als 50 Unternehmen weltweit vertritt. Auch Thomas Crawford, der Finanzchef der Berggruen Holdings, übernimmt einen Posten im Kontrollgremium. Mitte Januar hatte Berggruen für Schlagzeilen gesorgt, als er verkündete, Doris Schröder-Köpf, die Frau von Altkanzler Gerhard Schröder, werde einen Posten im Karstadt-Aufsichtsrat übernehmen.
Die Zeit läuft Karstadt davon
Seit einem halben Jahr ist Berggruen nun Eigentümer der jahrelang angeschlagenen Warenhauskette. Die Gewerkschaft Verdi, die sich während der Verkaufsverhandlungen für Berggruen ausgesprochen hatte, forderte mittlerweile ein stärkeres finanzielles Engagement des Eigentümers, um Renovierungen in den Filialen zu ermöglichen. „Da muss jetzt endlich mal Geld rüberkommen“, sagte Verdi-Vizechefin Margret Mönig-Raane.
Das Projekt „Separation“ gibt Spekulationen Nahrung, Berggruen wolle sich von den lukrativen Luxus- und Sportfilialen trennen, um mit der Karstadt-Übernahme Kasse zu machen. Berggruen beteuert, er verfolge keine solchen Pläne, stattdessen wolle er das Unternehmen „systematisch weiterentwickeln“. Gleichwohl ergeben sich viele Fragen, wenn künftig eine Drei-Klassen-Gesellschaft bei Karstadt entsteht. „Wir sind noch in den Beratungen“, sagte Betriebsratschef Patzelt. „Eine Separierung muss Sinn machen fürs Ganze.“
Geschäftsführer Jennings arbeitet an einem „Zukunftsplan“, der in zwei Monaten umgesetzt werden soll. Unbegrenzt Zeit hat Karstadt jedenfalls nicht. Im Spätsommer 2012 läuft ein Sanierungstarifvertrag aus, der Karstadt noch zu vergleichsweise günstigen Lohnkosten verhilft. Bis dahin, räumt Berggruen ein, müsse Karstadt „deutlich profitabler“ werden.