Essen. . Mehr als 186 Millionen Euro soll der frühere Arcandor-Chef Middelhoff für seine Zeit an der Spitze des Pleitekonzerns zahlen. Jetzt schlägt der Topmanager zurück: Es wurde Klage wegen Prozessbetruges gegen Insolvenzverwalter Görg erhoben.

Der frühere Chef des Pleitekonzerns Arcandor, Thomas Middelhoff, wehrt sich gegen Schadenersatzforderungen von mehr als 186 Millionen Euro und gegen die Untreueermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum. Rechtsanwälte des Topmanagers erklärten am Dienstag in Stuttgart, die Schadenersatzklagen des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg seien haltlos und entbehrten jeder Grundlage. Middelhoffs Anwalt Winfried Holtermüller berichtete, er habe gegen Görg inzwischen Klage wegen Prozessbetruges eingereicht.

Scharfe Kritik übten Middelhoffs Rechtsanwälte auch an der Staatsanwaltschaft Bochum, die seit mehr als eineinhalb Jahren gegen den Manager wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Der Düsseldorfer Jurist Sven Thomas warf der Ermittlungsbehörde vor, sie habe sich „in weiten Teilen auf Görg verlassen“ und keine eigenen Aktenrecherchen vorgenommen. Eine Durchsuchungsaktion bei Middelhoff sei sinnlos und unangemessen gewesen.

Die Betroffenen wiesen die Vorwürfe allerdings entschieden zurück. Görg-Sprecher Thomas Schulz sagte der Nachrichtenagentur dapd, der Insolvenzverwalter handele nur pflichtgemäß. Seine Aufgabe sei es, die Vermögensinteressen der geschädigten Gläubiger der Arcandor-Gesellschaften zu wahren. „Würde er dies unterlassen, würde er persönlich haften“, betonte Schulz. Das Gericht werde letztlich entscheiden, in welchem Umfang Middelhoff zur Zahlung an die Insolvenzmasse verpflichtet sei.

Firmenpleiten des Jahres

Schwarzes Jahr für Arcandor: Am Dienstag, 9. Juni, musste der Essener Konzern Insolvenz beantragen. Sämtliche Rettungsbemühungen waren gescheitert. Weder Staat noch Eigentümer wollten den angeschlagenen Konzern vor der Pleite bewahren.
Schwarzes Jahr für Arcandor: Am Dienstag, 9. Juni, musste der Essener Konzern Insolvenz beantragen. Sämtliche Rettungsbemühungen waren gescheitert. Weder Staat noch Eigentümer wollten den angeschlagenen Konzern vor der Pleite bewahren. © ddp
Die Arcandor-Pleite ließ auch den zugehörigen Warenhauskonzern Karstadt in die Insolvenz rutschen. Der Insolvenzverwalter will im kommenden Jahr 13 der 133 Häuser schließen und einen Käufer für Karstadt suchen.
Die Arcandor-Pleite ließ auch den zugehörigen Warenhauskonzern Karstadt in die Insolvenz rutschen. Der Insolvenzverwalter will im kommenden Jahr 13 der 133 Häuser schließen und einen Käufer für Karstadt suchen. © AP
dem Versandhändler Quelle. Für Quelle konnte jedoch kein Investor gefunden worden. Das Versandhaus stellte Ende des Jahres das Geschäft ein. Der Konkurrent Otto kauft nur Teile von Quelle.
dem Versandhändler Quelle. Für Quelle konnte jedoch kein Investor gefunden worden. Das Versandhaus stellte Ende des Jahres das Geschäft ein. Der Konkurrent Otto kauft nur Teile von Quelle. © AP
Escada musste Mitte August Insolvenz anmelden. Länger schon steckte die ehemals größte Damenmodemarke der Welt in finanziellen Schwierigkeiten. Der indische Stahlunternehmer Lakshmi Mittal rettete das Unternehmen vor der Pleite.
Escada musste Mitte August Insolvenz anmelden. Länger schon steckte die ehemals größte Damenmodemarke der Welt in finanziellen Schwierigkeiten. Der indische Stahlunternehmer Lakshmi Mittal rettete das Unternehmen vor der Pleite. © AP
Auch der Braunschweiger Klavierhersteller Schimmel hatte Ende Juli Insolvenz beantragt. Betroffen sind 144 Mitarbeiter. Verhandlungen mit potenziellen Investoren sollen laufen.
Auch der Braunschweiger Klavierhersteller Schimmel hatte Ende Juli Insolvenz beantragt. Betroffen sind 144 Mitarbeiter. Verhandlungen mit potenziellen Investoren sollen laufen. © ddp
Der Modelleisenbahn-Hersteller Märklin fuhr Anfang Februar 2009 in die Pleite. Das Traditionsunternehmen war erst 2006 von den Investoren Kingsbridge Capital und Goldman Sachs übernommen worden.
Der Modelleisenbahn-Hersteller Märklin fuhr Anfang Februar 2009 in die Pleite. Das Traditionsunternehmen war erst 2006 von den Investoren Kingsbridge Capital und Goldman Sachs übernommen worden. © ddp
Rosenthal hatte am 9. Januar Insolvenzantrag gestellt, vier Tage nach seinem irischen Mutterkonzern Waterford Wegdwood. Der Porzellanhersteller aus dem oberfränkischen Selb wurde mittlerweile vom italienischen Küchenartikelhersteller Sambonet Paderno gekauft.
Rosenthal hatte am 9. Januar Insolvenzantrag gestellt, vier Tage nach seinem irischen Mutterkonzern Waterford Wegdwood. Der Porzellanhersteller aus dem oberfränkischen Selb wurde mittlerweile vom italienischen Küchenartikelhersteller Sambonet Paderno gekauft. © AP
Mit Schiesser traf es ein weiteres Traditionsunternehmen: Der Wäscheproduzent musste am 9. Februar 2009 Insolvenzantrag stellen. Es soll aber mehrere Interessenten geben, darunter der Designer Wolfgang Joop.
Mit Schiesser traf es ein weiteres Traditionsunternehmen: Der Wäscheproduzent musste am 9. Februar 2009 Insolvenzantrag stellen. Es soll aber mehrere Interessenten geben, darunter der Designer Wolfgang Joop. © ddp
Der Fertighaus-Hersteller Kampa mit Sitz in Minden ging Mitte März pleite.
Der Fertighaus-Hersteller Kampa mit Sitz in Minden ging Mitte März pleite. © ddp
Der Remscheider Autozulieferer Edscha hatte Anfang Februar für seine europäischen Standorte Insolvenz angemeldet. Mittlerweile wurde die Karosseriesparte von der spanischen Gestamp Automoción übernommen, die Cabrio-Sparte von Webasto.
Der Remscheider Autozulieferer Edscha hatte Anfang Februar für seine europäischen Standorte Insolvenz angemeldet. Mittlerweile wurde die Karosseriesparte von der spanischen Gestamp Automoción übernommen, die Cabrio-Sparte von Webasto. © ddp
Die angeschlagene Kaufhaus-Kette verkündete ihre Zahlungsunfähigkeit Ende Juli 2008. 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Mitte August 2009 stellte Hertie den Betrieb ganz ein. Doch Hertie ist längst nicht das einzige Bekleidungsgeschäft, das in Turbulenzen geriet ...
Die angeschlagene Kaufhaus-Kette verkündete ihre Zahlungsunfähigkeit Ende Juli 2008. 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Mitte August 2009 stellte Hertie den Betrieb ganz ein. Doch Hertie ist längst nicht das einzige Bekleidungsgeschäft, das in Turbulenzen geriet ... © ddp
Auch die Herrenbekleidungskette Pohland hatte Zahlungsprobleme und musste im März 2009 zum Insolvenzgericht. Der Insolvenzverwalter stellte einen Sanierungsplan auf: Vier von zwölf Filialen werden geschlossen.
Auch die Herrenbekleidungskette Pohland hatte Zahlungsprobleme und musste im März 2009 zum Insolvenzgericht. Der Insolvenzverwalter stellte einen Sanierungsplan auf: Vier von zwölf Filialen werden geschlossen. © WAZ
Woolworth Deutschland beantragte Mitte April Insolvenz. Inzwischen gibt es einen Sanierungsplan. Ein Teil der Häuser wird als Sportartikel-Discounter weitergeführt.
Woolworth Deutschland beantragte Mitte April Insolvenz. Inzwischen gibt es einen Sanierungsplan. Ein Teil der Häuser wird als Sportartikel-Discounter weitergeführt. © ddp
Die Hagener Bekleidungskette SinnLeffers - 2008 in die Insolvenz geschlittert - hat sich 2009 aus eigener Kraft saniert und konnte das Insolvenzverfahren wieder beenden. Zur Reihe der insolventen Modegeschäfte gehörte auch ...
Die Hagener Bekleidungskette SinnLeffers - 2008 in die Insolvenz geschlittert - hat sich 2009 aus eigener Kraft saniert und konnte das Insolvenzverfahren wieder beenden. Zur Reihe der insolventen Modegeschäfte gehörte auch ... © ddp
... die Einzelhandelskette Adessa Moden aus Würselen, die aber vom ehemaligen Eigentümer Saline Moden gekauft wird und so vor dem drohenden Aus gerettet wurde.
... die Einzelhandelskette Adessa Moden aus Würselen, die aber vom ehemaligen Eigentümer Saline Moden gekauft wird und so vor dem drohenden Aus gerettet wurde. © WP
Der Infineon-Tochter Qimonda ging Ende Januar das Geld aus, nachdem ein Rettungsplan fehlgeschlagen war. Für den Chiphersteller arbeiteten vor der Pleite insgesamt rund 12.200 Menschen, darunter 3200 in Dresden.
Der Infineon-Tochter Qimonda ging Ende Januar das Geld aus, nachdem ein Rettungsplan fehlgeschlagen war. Für den Chiphersteller arbeiteten vor der Pleite insgesamt rund 12.200 Menschen, darunter 3200 in Dresden. © ddp
In Zahlungsnöte geriet auch der Wattenscheider Tuning-Spezialist D&W.
In Zahlungsnöte geriet auch der Wattenscheider Tuning-Spezialist D&W. © Klaus Micke/WAZ
Im April traf es den Cabrio-Hersteller Karmann.
Im April traf es den Cabrio-Hersteller Karmann. © ddp
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Staatsanwaltschaft rechtfertigt Durchsuchung

Der Sprecher der Bochumer Staatsanwaltschaft, Bernd Bienioßek, sagte, die eigenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten zu dem Ergebnis geführt, dass die Durchsuchungen notwendig seien. Diese Einschätzung habe der Ermittlungsrichter mit der Ausstellung des Durchsuchungsbefehls bestätigt.

Der Hintergrund des Streits: Der Arcandor-Insolvenzverwalter hat in den vergangenen Monaten zwei Schadenersatzklagen gegen den früheren Konzernchef erhoben. Weil unter seiner Verantwortung für Karstadt nachteilige Mietverträge für fünf Warenhäuser ohne die erforderliche rechtliche Prüfung abgeschlossen worden seien, soll Middelhoff Schadenersatz in Höhe von 175 Millionen Euro zahlen. In einem zweiten Schadenersatzverfahren fordert Görg nach Angaben der Anwälte außerdem Bonuszahlungen, Tantiemen, Reisekosten und Spesen von mehr als 11 Millionen Euro von Middelhoff zurück.

Middelhoff-Anwalt Holtermüller bezeichnete diese Forderungen allerdings als völlig unhaltbar. „Es fehlt jedwede Pflichtwidrigkeit meines Mandanten.“ Es gebe auch keinen dadurch entstanden Schaden. Der Manager habe sich bei den umstrittenen Warenhaus-Deals lediglich an bestehende Verträge gehalten. Diese seien bereits vor seinem Amtsantritt abgeschlossen worden seien.

Auch die Boni seien nicht zu beanstanden. Die Behauptung, Middelhoff habe sich bei Arcandor bereichern wollen, sei absurd. Der Manager habe schließlich eine viel besser bezahlte Tätigkeit bei der Investmentfirma Investcorp in London aufgegeben und sich in die Pflicht nehmen lassen, um Arcandor zu retten, betonte der Jurist. (dapd)