Bochum/Essen. .
Die Staatsanwaltschaft Bochum treibt ihre Untreue-Ermittlungen gegen den früheren Arcandor-Chef Middelhoff voran. Bei einer groß angelegten Durchsuchungsaktion wurden am Donnerstag auch Wohnhaus und Büro des Managers durchsucht.
Thomas Middelhoff war einer der gefeierten Manager in Deutschland, doch längst befindet er sich im Zwielicht. Am Donnerstag standen Staatsanwälte und Polizei vor der Tür seiner Privatwohnung in Bielefeld. Zweitgleich durchsuchten Ermittler seine Geschäftsräume in Köln. Die Razzia beim einstigen Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor war Teil einer groß angelegten Durchsuchungsaktion im Zusammenhang mit dem Konkurs des Essener Konzerns.
Die Dimension der Razzia war spektakulär. Bundesweit waren rund 270 Polizisten und Staatsanwälte im Einsatz. Die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt nach eigenen Angaben gegen 20 frühere Verantwortungsträger und leitende Mitarbeiter von Arcandor wegen des Verdachts der Untreue. Parallel geht die Staatsanwaltschaft Köln wegen möglicher Vermögens-, Korruptions- und Steuerdelikte gegen ehemalige Arcandor-Manager vor. Die Bochumer Ermittler waren an neun Orten mit Schwerpunkt in NRW aktiv, die Kölner Polizisten durchsuchten 17 Objekten in Köln, Bonn, Troisdorf sowie in Nord- und Süddeutschland.
Middelhoff beteuert stets seine Unschuld
Die Behörden hätten ihre Aktionen koordiniert, da es personelle und örtliche Überschneidungen gebe, sagte der Bochumer Oberstaatsanwalt Gerrit Gabriel dieser Zeitung. In den nächsten Tagen gehe es um die Auswertung der sichergestellten Unterlagen.
Middelhoff hatte stets seine Unschuld beteuert. Er habe sich nichts vorzuwerfen, sagte der Manager, als die Staatsanwaltschaft Mitte 2009 Ermittlungen gegen ihn in Gang setzte. Er habe Karstadt „kurz vor Toreschluss gerettet“, so Middelhoff. Arcandor sei dann Opfer der Finanzmarktkrise geworden.
Doch bei den Ermittlungen gegen den umtriebigen Ex-Vorstand geht es nicht primär um die Frage, ob ihm Missmanagement vorzuwerfen ist. Der Verdacht lautete Untreue, als das Verfahren gegen Middelhoff auf Initiative der damaligen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ins Rollen kam. Es geht insbesondere um einen Immobilienfonds , an dem Middelhoff und seine Frau beteiligt waren.
Hintergrund: Vor einigen Jahren wurden fünf Karstadt-Immobilien an den Oppenheim-Esch-Fonds der Privatbank Sal. Oppenheim und des Kölner Bauunternehmers Esch verkauft. Der Fonds soll dann zu außergewöhnlich hohen Mieten Gebäude an die Arcandor-Tochter Karstadt vermietet haben. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Middelhoff in diesem Zusammenhang darauf verzichtete, mögliche Millionenansprüche des Handelskonzerns gegenüber Esch einzuklagen. Middelhoff bestreitet dies allerdings entschieden.
Schadenersatzforderungen sollen sich auf 175 Millionen Euro belaufen
Auch Karstadt-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg reichte im Zusammenhang mit dem Immobilienfonds eine Klage gegen Middelhoff und weitere frühere Arcandor-Manager ein. Die Schadenersatzforderungen sollen sich auf rund 175 Millionen Euro belaufen. Nach einem Bericht des WDR stand am Donnerstag auch Esch im Visier der Ermittler.
„Es ist gut, dass die Geschichte nun sehr konsequent aufgeklärt wird“, sagt Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er erhoffe sich rasche Aufklärung über das komplexe Beziehungsgeflecht von Middelhoff, Oppenheim und Esch. „Wir hätten uns angesichts des immensen Schadens mehr Tempo bei den Ermittlungen gewünscht“, erklärte Cabras. Sollte sich schließlich der Verdacht der Untreue bewahrheiten, könnten Aktionäre Schadenersatz von Middelhoff einfordern.
Anklage wahrscheinlich
Der Essener Wirtschaftsrecht-Professor und Insolvenzexperte Sebastian Krause erwartet, dass auch die Sponsoring-Aktivitäten von Arcandor unter die Lupe genommen werden. So soll der Konzern in der Ära Middelhoff trotz der äußerst angespannten Finanzlage als großzügiger Förderer von Eliteuniversitäten wie Witten-Herdecke und Oxford aufgetreten sein. „Solche Mittel hätten zu einem Zeitpunkt, als Arcandor schon schwer angeschlagen war, eigentlich für die Sanierung eingesetzt werden müssen“, sagt Krause.
Noch vor wenigen Monaten hatte Middelhoffs Anwalt Sven Thomas forsch erklärt: „Wir rechnen nicht damit, dass es zu einer Anklage kommen wird.“ Nach der spektakulären Razzia vom Donnerstag rechnet Insolvenzexperte Krause dagegen fest mit einer Anklage gegen den ehemaligen Arcandor-Chef. Krause sagt voraus: „Der Fall Middelhoff wird eines der spektakulärsten Wirtschaftsstrafverfahren Deutschlands.“