Düsseldorf/Berlin. .

Das Land NRW hat am Montag 113 Betriebe wegen Dioxinverdachts gesperrt. Nach Erkenntnissen der Verbraucherorganisation Foodwatch sind Rückstände von Pflanzenschutzmitteln die Quelle für die Verseuchung von Futterfetten.

Pflanzenschutzmittel sind nach Erkenntnissen der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch die Quelle für die Dioxin-Verseuchung von Futterfetten der Firma Harles und Jentzsch. Das gehe nach Einschätzung von Experten „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ auf die spezielle Verteilung von Dioxin- und Furanverbindungen hervor, die in einer Fettprobe der zu dem Unternehmen gehörenden Spedition Lübbe nachgewiesen wurde, teilte Foodwatch am Montag in Berlin mit. Die Analyse liege der Organisation vor.

Der in der Untersuchung dokumentierte „chemische Fingerabdruck“ weist nach Foodwatch-Angaben auf Rückstände einer Pentachlorphenolverbindung hin, wie sie als Fungizid (Pilzgift) zum Schutz von Nutzpflanzen eingesetzt werde. Andere zuletzt diskutierte Ursachen für die Verseuchung der Futterfette, etwa das Entstehen von Dioxin bei der Erhitzung von Speisefetten, schieden damit aus.

Foodwatch-Chef fordert Testpflicht

Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode forderte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) auf, die offensichtlichen Mängel bei der Futtermittelproduktion endlich an ihrer Wurzel zu bekämpfen. „Die derzeitigen Ablenkungsdebatten um Zulassungsregeln für Futtermittelbetriebe oder eine Trennung zwischen der Herstellung von Futter- und Industriefetten verhindern nur eine echte Lösung“, meinte Bode. „Frau Aigner deckt mit ihren Vorschlägen nur die Giftmischer in der Futtermittelindustrie, anstatt die offensichtlichen Sicherheitslücken im System zu schließen, wie es ihre Aufgabe wäre.“

Bode verlangte, die Ministerin müsse die Unternehmen per Gesetz verpflichten, jede Charge jeder Futtermittelzutat selbst auf Dioxin zu testen und dies für die Behörden auch zu belegen. Bei Überschreitung des Grenzwertes müsse die Charge vernichtet werden. „Nur eine derartige Test- und Entsorgungspflicht für die Firmen schafft die nötige Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit - denn staatliche Kontrolleure, auch wenn es zehn Mal so viele gäbe wie bisher, können immer nur Stichproben nehmen“, sagte der Foodwatch-Geschäftsführer.

NRW sperrt am Montag weitere 113 Betriebe

Der Dioxin-Skandal um verunreinigtes Tierfutter hat in Nordrhein-Westfalen zu neuen Betriebssperrungen geführt. Nachdem am Wochenende das Verkaufsverbot für zahlreiche Höfe aufgehoben worden war, sind am Montag erneut 113 Betriebe gesperrt worden, wie ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums in Düsseldorf sagte. Grund seien neue Listen aus Niedersachsen, die dem Ministerium vorlägen.

Bis Freitag letzter Woche waren in NRW noch rund 180 Höfe gesperrt. Sie dürfen keine Eier oder Fleisch verkaufen. Messergebnissen der Landesbehörden zufolge lagen die Dioxin-Werte bei Legehennenfleisch und Eiern sowie bei Fettsäuren für Futtermittel über den Grenzwerten.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Aufgrund der Verseuchung von Futterfetten der Firma Harles und Jentzsch aus dem schleswig-holsteinischen Uetersen und der zu ihr gehörenden Spedition Lübbe im niedersächsischen Bösel waren in den vergangenen Tagen vorsorglich 4700 landwirtschaftliche Betriebe gesperrt worden. Mittlerweile wurden rund 3000 Höfe wieder freigegeben.

Das dioxionhaltige Futterfett des Unternehmens war als Vorprodukt an Tierfutterhersteller verkauft und dort in deren Waren gemischt worden, bevor es in Hühner-Legebatterien und Mastbetrieben verfüttert wurde. Die Aufsichtsbehörden beschlagnahmten und untersuchten Proben des Unternehmens. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Firma.

Nur drei Länder veröffentlichen Nummern von Dioxin-Eiern

Nur drei von 16 Bundesländern haben die Nummern der möglicherweise mit Dioxin belasteten Eier ins Internet gestellt. Der Gesundheits- und Ernährungsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Stefan Etgeton, erklärte am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“, die veröffentlichten Nummern seien auf der Seite der Verbraucherzentrale Hamburg und des Bundesverbraucherministeriums zu finden. Etgeton mahnte weitere Daten an und forderte: „Wir brauchen hier eine einheitliche Kommunikationsstrategie der Länder.“

In allen Ländern der Europäischen Union müssen Eier mit dem Erzeugercode gestempelt sein. Der lautet zum Beispiel 1 ? DE ? 0912345. Die Nummer an vorderster Stelle beschreibt das Haltungssystem, 1 steht für Freilandhaltung. Die zweite Stelle gibt das Herkunftsland an, DE steht für Deutschland. Die Zahlenkombination an der dritten Stelle ist die Betriebsnummer, wobei die ersten beiden Ziffern das Bundesland, die dritte bis sechste Ziffer den Betrieb und die siebte Ziffer den Stall benennen.

Etgeton sagte, schwieriger sei es, Fleisch zu erkennen, das eventuell mit Dioxin belastet ist. „Hier ist vor allem die Lebensmittelkontrolle gefragt bis auf den Handel herunter.“

„Der entstandene Schaden ist immens“

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner will als Konsequenz aus dem Skandal um Dioxin in Tiernahrung und Lebensmitteln die Kontrollen von Futtermittelbetrieben verschärfen. Außerdem sollte die Verarbeitung von Futtermittelfetten und Industriefetten streng getrennt werden, sagte die CSU-Politikerin am Montag in Berlin nach einem Treffen mit Vertretern der Landwirtschaft, Verbraucherorganisationen und Lebensmittelwirtschaft. Zu überlegen sei auch, ob die allgemeine Belastung mit Dioxin besser überwacht werde. Auch soll das Strafmaß nochmals überprüft werden, das derzeit von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren reicht.

„Der entstandene Schaden ist immens“, sagte Aigner. Vor allem sei Vertrauen verloren gegangen. Die Täter hätten offenbar in völlig unverantwortlicher und skrupelloser Weise gehandelt. „Dieser Fall muss und er wird Konsequenzen haben.“ Für die Konsumenten bestehe nach der vorläufigen Sperrung tausender landwirtschaftlicher Betriebe jedoch keine Gefahr: „Es ist kein Grund zur Panik, es ist aber auch kein Grund zur Verharmlosung.“

Verbesserungsbedarf bei der Selbstkontrolle

Die Futtermittelwirtschaft habe Vorschläge gemacht, wie in Zukunft solche Skandale vermieden werden könnten, sagte Aigner ohne Details zu nennen. Aus ihrer Sicht gebe es noch Verbesserungsbedarf bei der Selbstkontrolle.

Ungeklärt ist nach Angaben der CSU-Politikerin noch die Herkunft des Dioxins, das offenbar in industriellen Fetten enthalten war, die nach bisherigen Erkenntnisse von der Firma Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein Futterfetten beigemischt worden waren. Angaben der Verbraucherorganisation Foodwatch, die Dioxine stammen von Pestiziden, bezeichnete sie als Spekulation. (afp/dapd/rts)

Hier gehts zur Übersicht über Nummern betroffener Dioxin-Eier.