Berlin. Der Grünen-Kanzlerkandidat will, dass auf Kapitalerträge Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Es gibt Kritik – aber auch Lob.

Viele Krankenkassen haben zuletzt ihre Beiträge so stark wie seit einigen Jahren nicht mehr erhöht. Soll das nicht so weitergehen, müssen laut Robert Habeck, Grünen-Kanzlerkandidat und Bundeswirtschaftsminister, neue Einnahmequellen her. Im Visier des Politikers: Kapitalerträge.

Habeck hatte am Sonntag im „Bericht aus Berlin“ kritisiert, dass Kapitalerträge bislang von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt sind. „Und deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (...) sozialversicherungspflichtig machen“, sagte Habeck. Wenn auf diese Weise die Beitragsgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung verbreitert werde, wäre dies „ein Schritt zu mehr Solidarität innerhalb des Systems“, betonte er. Ein Vorstoß, der für Aufregung sorgt.

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Deutschlands größte Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse (TK), hält Habecks Idee für wenig zielgenau. Einfache Lösungen führten nicht ans Ziel, sagte TK-Chef Jens Baas, dieser Redaktion. „Einfach mehr Geld in ein System zu stecken, in dem das Geld nicht zielgenau und effizient eingesetzt wird, hilft langfristig nicht weiter“, so Baas. An grundlegenden Reformen führe kein Weg vorbei.

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Meine schwerste Entscheidung

Auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) zeigte sich wenig offen für die Idee Habecks. „Würde man nun auf Kapitaleinkommen auch bei gesetzlich Pflichtversicherten Krankenversicherungsbeiträge fordern, würde diese genau die gerne von der Politik als die wichtige Mittelschicht titulierten Facharbeiter treffen“, warnte der Vorstandsvorsitzende der SdK, Daniel Bauer, gegenüber dieser Redaktion.

Habeck-Idee: Kapitalanleger warnen vor Mehrbelastung der Mittelschicht

Bauer verwies darauf, dass Pflichtversicherte dann gegebenenfalls bis zur Beitragsbemessungsgrenze Beiträge auf Kapitalerträge zahlen müssten. Das sei eine „eine wesentliche Mehrbelastung“ – allerdings ohne dafür eine verbesserte Gesundheitsversorgung zu bekommen. „Millionäre und Milliardäre würde dies nicht treffen, da die Krankenversicherungsbeiträge eben durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind, und diese Klientel das nicht wirklich treffen würde“, so Bauer weiter.

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Geht es an der Börse aufwärts, können Anleger Aktien mit Gewinnen verkaufen. Fällig wird in Deutschland dann eine Kapitalertragssteuer. © iStock | primeimages

Derzeit gilt, dass bis zu 1000 Euro Kapitalerträge pro Jahr steuerfrei sind. Darüber hinaus unterliegt jeder Euro einem Steuerabzug in Höhe von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 Prozent der Kapitalertragsteuer. Nicht nur über Zinsen auf Sparguthaben, Dividenden von börsennotierten Unternehmen und auch bei Aktienverkäufen können Kapitalerträge erzielt werden, sondern auch über Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften an ihre Gesellschafter.

Habeck: Abwanderungswelle von Unternehmen befürchtet

Wie genau Habeck sich die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Kapitalerträge vorstellt, führe er nicht aus. Ginge der Vorstoß sogar über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus, sollte Habeck „sofort als Wirtschaftsminister zurücktreten“, befand SdK-Chef Bauer. „Denn diese Belastung wäre eine Zusatzsteuer von rund 17,1 Prozent, die kleine und mittlere Unternehmen im internationalen Vergleich so stark belasten würde, dass Deutschland eine Abwanderungswelle von Unternehmen bevorstünde“, sagte er weiter.

FDP hält nicht von Habecks Idee – der Sozialverband dafür schon

Auch von der FDP gab es Kritik. „Habecks Vorschlag offenbart die ökonomische Kleingeistigkeit und den Sozialneid der Grünen. Wer sein bereits versteuertes Einkommen unabhängig vom Staat spart oder anlegt, soll jetzt nach dem Willen der Grünen für dieses eigenverantwortliche Handeln bestraft werden“, sagte der Fraktionsvize der Liberalen im Bundestag, Christoph Meyer, unserer Redaktion.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) nannte Habecks Idee hingegen einen aus verteilungspolitischer Sicht „sehr guten Vorstoß“. „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Bewältigung der großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Darum wären Kassenbeiträge auf Kapitalgewinne nur solidarisch“, so die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier zu dieser Redaktion.