Essen. Ab 2025 müssen Windparks nachts dunkel bleiben. Die Warnlichter dürfen nur leuchten, wenn sich Flugzeuge nähern. Die Frist läuft ab, Chaos droht.

  • Ab dem 1. Januar 2025 dürfen die Warnleuchten großer Windräder nachts nur noch bei Bedarf eingeschaltet werden. Die Branche erhofft sich dadurch mehr Akzeptanz bei Anwohnern.
  • Bis zum Jahreswechsel muss in Tausenden Windrädern eine Transponder-Technik nachgerüstet werden. Ansonsten drohen hohe Strafzahlungen an die Netzbetreiber.
  • Weil die Genehmigungsbehörden überlastet sind und es zu wenige Prüfstellen gibt, dürfen viele nachgerüstete Anlagen theoretisch nicht in Betrieb genommen werden. Es drohen Klagewellen.

Windkraftanlagen sind die Pfeiler der Energiewende. Sie verursachen keine Umweltkatastrophen, produzieren nahezu klimaneutralen Strom. Dem Wind als erneuerbare Energie kann die Puste ausgehen, aber er verbraucht sich nicht. Windenergie ist die zweitgünstigste Technologie zur Erzeugung von Strom nach der Photovoltaik. Doch schon immer hatten Windräder mit einem mächtigen Gegner zu kämpfen: dem Akzeptanzproblem.

Wer nachts auf der A44 bei Bad Wünnenberg in Richtung Osten fährt, der bekommt einen Eindruck von der Wucht, die Windfarmen haben können. Das Sintfeld, eine Hochfläche im Kreis Paderborn im Osten Nordrhein-Westfalens, ist eines der größten zusammenhängende Gebiete Europas, die für die Energieerzeugung durch Windkraftanlagen genutzt werden. Windparks mit insgesamt über 150 Windkraftanlagen stehen hier. Anlagen, deren Flügelspitzen teils über 200 Meter weit in den Himmel ragen.

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Wenn es dunkel wird, beginnt das Schauspiel: Rhythmisch leuchten die roten Hindernisfeuer auf und verlöschen wieder. Bis zum Sonnenaufgang. Es ist, als habe sich die Landschaft in einen pulsierenden Organismus verwandelt.

Die nächtliche Dauerbeleuchtung der Windräder soll herannahende Flugzeuge oder Hubschrauber warnen. Doch für Mensch und Tiere in der Nähe der Windparks ist die nächtliche Lichtverschmutzung manchmal schwer zu ertragen. Für manche Anwohner ist das nächtliche Blinken schlimmer als andere Begleiterscheinungen wie Schattenwurf, Lärm oder Vogelschlag.

Ab 2025 Pflicht für Windparks: Nachtkennzeichnung nur bei Bedarf

Das aber soll nun ein Ende haben: Mit dem Beginn des neuen Jahres wird es für die Betreiber von Windkraftanlagen in Deutschland zur Pflicht, das Warnblinken nachts nur noch dann einzuschalten, wenn sich tatsächlich ein Flugobjekt nähert. Das Zauberwort heißt „bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung“, abgekürzt BNK. Mit dieser Technologie soll nun auch im Sintfeld die Dunkelheit zurückkehren.

„Wir haben geliefert“, sagt Madeline Bode, stellvertretende Geschäftsführerin des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW. Gemeinsam mit dem Technikspezialisten Lanthan Safe Sky GmbH aus Niedersachsen hat der LEE als Interessensvertreter der Windmüller kurz vor Ablauf der Frist 500 Windräder in Nordrhein-Westfalen mit einer neuen Technik ausgerüstet: Das BNK-System soll laut Lanthan dafür sorgen, dass die Hindernisfeuer an den Windrädern nachts für etwa 97 Prozent der Zeit ausgeschaltet bleiben – und nur dann aufleuchten, wenn sie wirklich gebraucht werden. „Wir erhoffen uns, dass dies die Akzeptanz für die Windenergie bei den Anwohnerinnen und Anwohnern stärkt“, sagt Bode.

Die Pflicht, die nächtliche Dauerbeleuchtung nur im Bedarfsfall einzuschalten, hatte die damalige Große Koalition 2018 beschlossen. Jahre vergingen, immer wieder wurde die Frist zur Einführung verschoben: Bürokratie, Personalknappheit, Corona-Pandemie und Lieferengpässe. Den Durchbruch brachte erst die Transpondertechnik.

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Lanthan und die meisten anderen Anbieter der BNK-Technologie nutzen das Signal von Transpondern, die seit einigen Jahren in Luftfahrzeugen verpflichtend eingebaut und eingeschaltet werden müssen. Diese kleinen, leistungsstarken Geräte senden ständig selbsttätig Signale mit ihrer aktuellen Position aus. Nähert sich ein Flugzeug einer Windenergieanlage, sendet der Transponder ein Signal an die Anlage, die dann automatisch per Computer an alle Windräder das Signal sendet, die Beleuchtung einzuschalten. Vorgeschrieben ist das bei einer Annäherung von vier Kilometern. Bei dem BNK-System von Lanthan geschieht das nach eigenen Angaben, wenn das Flugobjekt sich auf zehn Kilometer angenähert hat.

NUR ONLINE So funktioniert das Transpondersystem
NUR ONLINE So funktioniert das Transpondersystem © funkegrafiik nrw | Miriam Konopka

Laut LEE-Vorständin Bode koste die Nachrüstung den Betreibern je nach Standort im Schnitt „einen mittleren fünfstelligen Betrag“. Bilden die installierten Transponderempfänger später ein flächendeckendes Netz, können weitere Windräder kostengünstiger eingebunden werden.

Neben der Transpondertechnik kann auch Radar für die bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung von Windrädern eingesetzt werden. Dabei überwachen Sensoren den Luftraum rund um Windparks. Durch die Erfassung von Flugbewegungen in Echtzeit können diese Systeme die Nachtkennzeichnung gezielt aktivieren, wenn Flugverkehr erkannt wird, teilt Lanthan mit. Die Radartechnik aber ist nicht nur bedeutend teurer, sie hat auch einen anderen Nachteil: Kleine Sportflugzeuge, Segelflugzeuge oder Heißluftballons können aufgrund ihrer geringen Radarrückstrahlfläche buchstäblich unter dem Radar fliegen – und somit zum Sicherheitsrisiko werden.

Nachrüstung der BNK-Transpondertechnik: Ab Januar drohen hohe Strafen

In den Bundesländern tickt nun die Uhr. Die Kennzeichnungspflicht tritt zum Jahreswechsel in Kraft. Die Vorschrift, nachts die Hindernisfeuer nur bei Bedarf einzuschalten, gilt für Windkraftanlagen außerhalb von Städten und anderen dicht besiedelten Gebieten, die eine Höhe von mehr als 100 Metern haben. Innerhalb von Städten und anderen dicht besiedelten Gebieten sind Windräder ab einer Höhe von 150 Metern betroffen.

Von den 28.600 Windrädern an Land, die zur Jahresmitte in Betrieb waren, müssten demnach 16.000 Windräder bis zum Jahreswechsel umgerüstet sein – ansonsten drohen hohe Strafzahlungen an die zuständigen Netzbetreiber. Ab dem 1. Januar droht eine Strafe von 10.000 Euro pro Megawatt und Monat – eine heftige Summe für Betreiber von Windparks.

Genehmigungen fehlen: Nur drei Prüfstellen für 16.000 Windräder

Der Bundesverband Windenergie (BWE) geht davon aus, dass bis Jahresende in rund 99 Prozent der Windenergieanlagen die entsprechenden Systeme installiert sind. Das Problem: In vielen Windparks kann die neue Technik nicht aktiviert werden, weil die letzten Genehmigungen der Behörden fehlen.

Der Hintergrund: Sind die Systeme in den Windparks installiert, müssen sie von Prüfstellen abgenommen werden. Für die 16.000 in Frage kommenden Windräder aber sind laut BWE bundesweit nur drei Baumusterprüfstellen mit insgesamt 150 Beschäftigten zuständig. Nach der Genehmigung müsse vor Ort die Funktionsfähigkeit der Systeme nachgewiesen werden. Erst dann können die zuständigen Behörden, in der Regel die Landesluftfahrtbehörden, das System abschließend genehmigen.

Bärbel Heidebroek von Landwind ist Vize-Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie e.V. (BWE). 

„Ohne Genehmigung keine Inbetriebnahme, ohne Inbetriebnahme keine Genehmigung. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz“

Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie.

Weil in vielen Behörden Personal fehle, komme es nun zu erheblichen Verzögerungen, kritisiert der Bundesverband. So habe das Land Brandenburg bereits angekündigt, dass die zuständige Luftfahrtbehörde bis zum Jahreswechsel nicht mehr alle offenen Genehmigungsanträge abarbeiten könne. „Die Branche sieht sich der Situation gegenüber, ohne eigenes Verschulden mit empfindlichen Strafzahlungen belegt zu werden“, sagt BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek.

Vor dem Stau in den Genehmigungsbehörden habe der Verband schon seit Langem gewarnt. Heidebroek befürchtet nun eine Klagewelle: „Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Betreiber die Strafzahlungen nicht einfach so hinnehmen und stattdessen juristisch dagegen vorgehen werden. Somit droht eine Welle an Prozessen, die Ressourcen und Personal auf unabsehbare Zeit binden würde.”

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Auch in NRW ist die Lage kurz vor Auslaufen der Frist undurchsichtig. Laut Bundesnetzagentur sind aktuell rund 3700 Windenergieanlagen in Betrieb. Laut Vorgaben müssen davon 1600 mit der neuen Technologie nachgerüstet werden. Knapp ein Drittel, rund 500 Anlagen, sei nun durch die Kooperation des Landesverbandes LEE mit der Lanthan Safe Sky GmbH nachgerüstet worden. Doch wie viele Windräder zum Jahresstart noch ohne Genehmigungen seien, könne man nicht sagen, heißt es im Landesverband.

Der Bundesverband befürchtet angesichts des Staus in den Genehmigungsbehörden noch viel größere Probleme. Auch Neuanlagen, die eigentlich ab dem 1. Januar 2025 in Betrieb gehen sollen, könnten Stand heute wegen der fehlenden Genehmigungen nicht in Betrieb genommen werden. Denn die neue Technologie müsse im laufenden Betrieb abgenommen werden. „Hier beißt sich die Katze in den Schwanz“, klagt BWE-Präsidentin Heidebroek. „Ohne Genehmigung keine Inbetriebnahme, ohne Inbetriebnahme keine Genehmigung. Es droht eine Lähmung sowie der Ausfall großer Strommengen.“

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