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Die Rotoren von Windrädern stören das Radar des Militär. Deshalb blockiert die Bundeswehr den Bau von Hunderten Anlagen. Damit werden Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro verhindert.

Terrorbekämpfung und Klimaschutz liefern sich in Deutschland einen bizarren Streit: Die Bundeswehr hat seit 1995 Milliardenprojekte zum Ausbau der Windenergie verhindert, weil die oftmals über 100 Meter hohen Anlagen die radargestützte Luftraumüberwachung stören. Die Windbranche spricht von Willkür und überzogenen Einsprüchen.

Ein Alptraum für die Soldaten, die rund um die Uhr den Himmel überwachen: Die riesigen Rotorblätter sind, wie auch die Tragflächen von Flugzeugen, aus Glasfaser gebaut und tauchen auf den Radarschirmen als blinkende, nicht identifizierbare Flugobjekte auf. Das Spektrum der Störungen reiche bis zu einem zeitweiligen Verlust der Flugziele auf dem Radarschirm, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dieser Zeitung. „Die Überwachung des Luftraums über Deutschland muss sichergestellt sein. An der Durchführung halten wir fest.“ Mit dieser Argumentation hat die Bundeswehrverwaltung als Trägerin öffentlicher Belange in der Nähe von Militärflughäfen Hunderte Windkraft-Projekte per Einspruch stoppen lassen.

Auch in NRW tobt der Konflikt

1,5 Milliarden Euro an Investitionen seien so verhindert worden, klagt die Windbranche. Sie wehrt sich. „Wären die Streitkräfte so ausgerüstet wie sie es sein müssten, dann gäbe es diesen Konflikt nicht“, sagt der Leipziger Energierecht-Experte Professor Martin Maslaton. Der Vorsitzende des Landesverbands Sachsen im Bundesverband Windenergie sieht in der Bundeswehr einen Investitionsstau von 30 Jahren: „Wer heute vor einer Radaranlage der Bundeswehr sitzt, der schaut in eine Fernsehtruhe von Nordmende aus den sechziger Jahren.“

Auch in NRW tobt der Konflikt. In Metelen im Münsterland gibt es Ärger rund um den Stützpunkt des Transporthubschrauberregiments 15. Ebenso in Düren, in Mönchengladbach sowie am Nato-Flugplatz Geilenkirchen, wo die Awacs-Aufklärungsflugzeuge stationiert sind. Massiven Druck übe die Bundeswehr aus, heißt es in den betroffenen Kommunen. Maslaton: „Oftmals sind die Stützpunkte die größten Arbeitgeber vor Ort. Deswegen trauen sich Genehmigungsbehörden nicht, den Einsprüchen der Bundeswehr zu widersprechen.“ Ein Skandal sei das: „Die Bundeswehr verhindert den Vollzug erteilter Genehmigungen.“

Das Argument der Bundeswehr, die Windräder seien ein Risiko, hält er für überzogen: „Trotz der über 20 000 Windenergieanlagen in Deutschland gab es laut der Bundesstelle für Flugzeugunfälle bislang noch kein meldepflichtiges Vorkommnis. Zum Vergleich dazu: Seit 1996 hat es vier Hubschrauber-Unfälle mit Stromleitungen gegeben.“

Modernisierung nötig

Inzwischen haben die Grünen im Bundestag das Thema auf dem Schirm. Oliver Krischer, Abgeordneter aus Düren, nimmt die Bundesregierung in die Pflicht: „Während Umweltminister Röttgen den Ausbau der erneuerbaren Energien einfordert, sieht Verteidigungsminister zu Guttenberg tatenlos zu, wie die Bundeswehr die Windenergie verhindert.“

Krischer fordert eine Modernisierung der Radartechnologie. „Die Bundeswehr muss das Problem zügig lösen. Es kann nicht sein, dass aktuell Hunderte Millionen Euro an Investitionen blockiert sind.“ Er wundert sich, dass etwa in Geilenkirchen nur die Bundeswehr über Radar-Störungen klage, nicht aber die US- oder die britischen Streitkräfte vor Ort.

Dass die analoge Radartechnik der Bundeswehr tatsächlich störanfällig ist, steht auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Bis 2015, so verspricht es die Regierung, sollen in den Streitkräften digitale Geräte vom Typ ASR-S flächendeckend die alte Technik ersetzen. Doch ob das so kommt, ist angesichts der angekündigten drastischen Sparmaßnahmen im Staatshaushalt fraglich: „Alle Rüstungsprojekte stehen auf dem Prüfstand“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Zumindest aber gibt es nun Verhandlungen über einen „Waffenstillstand“: In zwei Wochen kommt es zu einem Spitzentreffen von Verteidigungsministerium und Windindustrie. Dann soll nach Lösungen gesucht werden.