Essen. Als Jungdelegierte erlebte Michelle Benzing (27) das Auf und Ab einer Weltklimakonferenz. Warum die Klimapolitik mehr junge Menschen braucht.

„Es wurde zum Ende hin immer frustrierender“: Zwei Wochen verbrachte Michelle Benzing (27) unter Regierungsvertretern aus aller Welt in Baku. Gemeinsam mit zwei weiteren Jungdelegierten aus Deutschland reiste die Mainzerin im November zur UN-Klimakonferenz (COP29) nach Aserbaidschan, um mit Verhandlern zu sprechen und die Forderungen junger Menschen in die Klimaaußenpolitik einzubringen. Was blieb, war vor allem eins: Enttäuschung.

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Michelle ist Teil der AG Jugend und Klimaaußenpolitik, einem Jugendgremium, das vom Auswärtigen Amt gefördert wird. Das Gremium besteht aus 15 Menschen zwischen 16 und 27 Jahren. Seit 2023 reisen jeweils drei von ihnen zur Weltklimakonferenz – in diesem Jahr waren es neben Michelle auch Sara Grambs und Mahmoud Haji.

Klimaschutz: Die Enttäuschung nach der COP29 ist groß

Für die drei hatten die Vorbereitungen zur COP29 weit im Voraus begonnen, im Juni 2024. Dazu gehörte das Formulieren eines Positionspapiers und Gespräche mit Verhandlern, die eine zentrale Rolle bei der Klimakonferenz spielen. Michelle erzählt: „Das ist ein ewig langer Abstimmungsprozess.“ Der aber besonders wichtig ist: „Wir wollen zeigen, dass wir junge Menschen auch als Experten vor Ort sind und sehr konkrete Forderungen haben.“

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Bei der diesjährigen COP ging es vor allem um eines: Geld. 2025 läuft die aktuell geltende Vereinbarung zur Klimafinanzierung aus. Mit 100 Milliarden Dollar haben Industriestaaten Entwicklungsländer, meist Länder des globalen Südens, pro Jahr unterstützt. Denn diese sind am stärksten vom Klimawandel betroffen – tragen aber am wenigsten dazu bei. Aber schon die 100 Milliarden hätten nicht ansatzweise ausgereicht, um die Klimakrise in Entwicklungsländern abzufedern.

Ihre Forderung daher: 1,3 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Das entspräche etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Ländern wie Australien oder Spanien. Am Ende einigten sich die beteiligten Staaten aber auf nur 300 Milliarden. Vertreter aus Nigeria und Indien finden: „ein Witz“. Auch Michelle zeigt sich enttäuscht. Das Ergebnis werde den aktuellen sowie zukünftigen Bedarfen nicht ansatzweise gerecht.

Spätestens 2025 müssen ambitionierte Ziele für den Klimaschutz her

Es ist nicht das erste Mal, dass die Ergebnisse der Weltklimakonferenz – sowie das Format an sich – in der Kritik stehen. „Ich glaube, das war generell eine sehr schwierige COP. Klimafinanzierung ist praktisch das Rückgrat von allen anderen Entscheidungen“, sagt Michelle. Doch spätestens im nächsten Jahr, im brasilianischen Belém, muss etwas passieren: „Wir können nicht aus der COP30 gehen, ohne ambitionierte Ziele zu haben.“

Dass dringend mehr für den Klimaschutz getan werden muss, ist ihrer Meinung nach auf der diesjährigen COP besonders deutlich geworden. Vertreter von Entwicklungsländern und kleinen Inselstaaten seien teilweise aus dem Raum gegangen und haben die Verhandlungen unterbrochen, um klarzumachen: Sie können mit so einem Ergebnis nicht nach Hause gehen. „Am Ende geht es um Leben oder Tod.“

Aktivisten demonstrierten während der COP in Baku: Sie forderten von Industriestaaten mehr finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer.
Aktivisten demonstrierten während der COP in Baku: Sie forderten von Industriestaaten mehr finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer. © epd

Wie können sich junge Menschen auf der COP einbringen?

Ein Ziel der AG Jugend und Klimaaußenpolitik ist daher: irgendwann selbst mit am Verhandlungstisch zu sitzen, damit die Forderungen junger und vor allem betroffener Menschen wirklich ernst genommen werden. „Darauf arbeiten wir hin.“ Als ersten Schritt haben sie am Climate Youth Negotiator Programme teilgenommen, einem internationalen Programm, in dem junge Menschen zu Verhandlern ausgebildet werden.

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„Einige Personen, die dort teilgenommen haben, sind jetzt sogar die Leiter ihrer Delegation. Und das ist schon inspirierend, wenn du Menschen unter 35 da siehst, die diese Verhandlungen mit vorantreiben.“ Solche Programme seien deswegen extrem wichtig, um junge Menschen in die Konferenz mit einzubringen.

Bis es für die Jungdelegierten aus Deutschland so weit ist, bringen sie sich mit eigenen Events auf der COP ein. In diesem Jahr organisierten sie eine Veranstaltung zu Sicherheitsrisiken, die in einigen Ländern – vor allem in Südamerika – mit Aktivismus einhergehen.

In einem zweiten Event ging es um die Gleichstellung der Geschlechter in der Klimakrise – zum Beispiel arbeiten weltweit 43 Prozent der Frauen in der Landwirtschaft, kümmern sich um Essen und Wasser für ihre Familien. Diese Rolle ist in Krisenzeiten schwerer zu erfüllen. Nach Angaben der Welthungerhilfe fließen aktuell aber nur acht Prozent der Entwicklungshilfen in Projekte, die auf die Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtet sind.

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Klimaschutz: Nach der COP ist vor der Bundestagswahl

„Es ist sehr, sehr viel Arbeit“, sagt Michelle. „Aber da uns das Thema Klimagerechtigkeit besonders wichtig ist, haben wir sehr viel Zeit investiert.“ 15 bis 20 Stunden pro Woche engagiert sie sich für die Klima-AG – zusätzlich zu ihrem normalen Job. Und mit dem Ende der COP ist ihre Arbeit nicht vorbei. Die Bundestagswahl steht an, und das Thema Klimaschutz wird im Wahlkampf ein zentrales sein. „Wir werden versuchen, noch mehr Druck auszuüben und klarmachen: Es darf keine Rückschritte in der Klimapolitik geben!“

„Die nächste deutsche Regierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden“

Michelle Benzing

Dabei gehe es nicht nur um eine lebenswerte Zukunft, sondern auch um die Lebensrealität jener, die bereits jetzt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Es gehe um Gerechtigkeit, um Solidarität – und darum, zu zeigen, wie wichtig es jungen Menschen ist, den Planeten und die Menschen zu schützen. „Wir haben nur noch wenig Zeit, um wirklich sicherzustellen, dass wir das 1,5 Grad Ziel nicht nachhaltig überschreiten. Deswegen ist es so wichtig für junge Menschen, sich jetzt noch einmal einzusetzen.“

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