Essen. Die Klimakrise nimmt Fahrt auf: Extremwetter wie Hitzewellen oder Starkregen werden zur Normalität. Was Forscher über die Phänomene wissen.

Das Tempo der Klimaveränderungen hat sich in Deutschland enorm beschleunigt, auch NRW erlebt die Folgen des Klimawandels. Neun der zehn wärmsten Jahre traten seit dem Jahr 2000 auf. So warm wie in 2022, 2023 und wohl auch in 2024 war es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nie.

Wetterextreme werden intensiver und treten oft auch häufiger auf, wie zuletzt die katastrophalen Überschwemmungen in Ost- und Mitteleuropa. Warum die Anpassung an den Klimawandel lebenswichtig sein wird, haben Forscher auf einem Extremwetterkongress dargelegt. Die Prognose ist düster.

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„Wir erleben eine ungebremste Erderwärmung mit immer heftigeren und folgenreichen Extremwettern“, sagte Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf dem 14. Extremwetterkongress in Hamburg. „Wir können gegen den Klimawandel ansteuern und uns erfolgreich anpassen. Es lohnt sich, um jedes Zehntelgrad zu kämpfen, indem wir entschlossen in Klimaschutz investieren“. Was Forscher über das aktuelle Ausmaß der Wetterextreme in Deutschland wissen.

Die Temperaturen in Deutschland steigen schneller an als der Durchschnitt

Laut Auswertungen des DWD ist die Temperatur in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 um 1,8 Grad Celsius gestiegen. Die Temperaturen in Deutschland steigen damit deutlich stärker als im weltweiten Durchschnitt. Das liegt daran, dass sich die Landregionen auf der Erdkugel generell schneller erwärmen als die Meeresregionen.

Das Tempo des Temperaturanstiegs hat sich demnach in den vergangenen 50 Jahren deutlich beschleunigt: Seit 1960 war hierzulande jedes Jahrzehnt wärmer als die vorherige, stellt der DWD fest. Im Gesamtzeitraum 1881-2023 wurde es jedes Jahrzehnt 0,13 Grad wärmer, für den Zeitraum 1971-2023 lag die Erwärmungsrate schon bei 0,39 Grad Celsius.

Der Februar 2024 war mit einer Durchschnittstemperatur von 6,6 Grad Celsius der wärmste Februar seit Aufzeichnungsbeginn. Das sind über fünf Grad mehr als das vieljährige Februarmittel 1991-2020, so der DWD. „Es gab in Deutschland bisher noch nie einen Monat mit einer so großen positiven Temperaturabweichung. Ein solches Temperaturplus im Sommer könnte für nie dagewesene Hitzewellen mit fatalen Folgen für viele Menschen und die Landwirtschaft sorgen“, stellt der DWD in seinem neuen Faktenbericht fest.

Klimawandel sorgt für Hitzewellen mit massiven Folgen

Laut Datenerhebungen ist die Zahl heißer Tage mit einer Maximaltemperatur von mindestens 30 Grad Celsius in Deutschland seit den 1950er Jahren deutlich gestiegen – von damals etwa drei Tagen im Jahr auf heute im Mittel elf Tage, das heißt um das fast Vierfache, so der DWD. Auch intensive Hitzewellen hätten in den letzten Jahrzehnten zugenommen. 14-tägige Hitzeperioden mit einer Lufttemperatur von mindestens 30 Grad Celsius: So etwas hatte es in Hamburg vor 1994 noch nie gegeben. Danach aber gab es diese Ereignisse allerdings schon sieben Mal.

Die Forscher erwarten ohne wirksamen Klimaschutz für den Zeitraum 2031 bis 2060 einen weiteren Anstieg um fünf bis zehn heiße Tage in Norddeutschland. In Süddeutschland könne es sogar ein Plus von zehn bis 20 Tagen geben. „Um es zuzuspitzen: 2060 könnte in einer Stadt wie Freiburg an fast jedem zehnten Tag des Jahres die 30-Grad-Marke zum Teil deutlich überschritten werden“, so DWD-Vorstand Fuchs.

Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes ist die Zahl heißer Tage mit einer Maximaltemperatur von mindestens 30 Grad Celsius in Deutschland seit den 1950er Jahren fast um das Vierfache gestiegen.
Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes ist die Zahl heißer Tage mit einer Maximaltemperatur von mindestens 30 Grad Celsius in Deutschland seit den 1950er Jahren fast um das Vierfache gestiegen. © dpa | Jens Büttner

„Es ist wissenschaftlich gesichert, dass der Klimawandel eine unmittelbare Wirkung auch auf extreme Wetterereignisse hat“, heißt es außerdem im neuen Faktenbericht des DWD. Der Wetterdienst warnt vor ernsten Folgen für Städte, deren Oberflächen stark versiegelt sind. Dort könne es bei Hitzewellen um bis zu zehn Grad wärmer als im Umland werden.

„Wir nennen das Wärmeinseleffekt. Darauf müssen wir uns schnell und wirksam vorbereiten, wenn wir eine Zunahme der Hitzetoten vermeiden wollen“, so Fuchs. Mehrtägig anhaltende Temperaturen von künftig teilweise deutlich über 40 Grad und nachts nicht mehr unter 20 Grad seien eine enorme Gefahr vor allem für kranke und ältere Menschen.

Kaum zu fassen: Sorgt der Klimawandel für mehr Tornados?

Immer wieder kursieren in Sozialen Netzwerken Videos von Tornados. Zuletzt sollen Ende September in NRW gleich drei Tornados gesichtet von Zeugen worden sein, berichtet das Tornado-Kartierungs- und Untersuchungsprojekts Deutschland (TorKUD), das auf seiner Webseite das Auftreten von Tornados dokumentiert.

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Laut Daten des DWD traten in Deutschland im Mittel der Jahre 2000 bis 2023 jährlich etwa 45 Tornados auf. Dabei gebe es jedoch eine große Schwankungsbreite, abhängig von den Wetterlagen im Sommer. Erwartbar sind laut DWD pro Jahr zwischen 26 und 64 Tornados. Davon würden etwa einer bis neun Tornados im jährlichen Mittel als stark eingestuft, sie haben also eine Stärke von F2 (ab 220 km/h) oder stärker. Hinzu kämen im Schnitt elf F1 (ab 150 km/h) und knapp sieben F0 (ab 90 km/h) Tornados.

Die Einordnung der Daten fällt den Forschern jedoch schwer: Die aktuelle Datengrundlage gebe keine Hinweise auf eine mögliche Änderung oder sogar Zunahme von Tornados in Deutschland infolge des Klimawandels, weder bei der Stärke noch bei der Anzahl.

Ein neues Wetterextrem: Starkregen überwemmt die Städte

Dauerregen führte in der ersten Jahreshälfte 2024 in Deutschland zu großflächigen Überschwemmungen. Insbesondere in Süddeutschland traten Flüsse und Bäche über die Ufer. Massives Hochwasser und extreme Regenfluten mit katastrophalen Auswirkungen erlebten 2024 auch Teile Ost- und Mitteleuropas. „Beim Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024 handelte es sich um die niederschlagsreichste Zwölf-Monats-Episode in Deutschland seit Auswertungsbeginn 1881“, so der DWD.

Anders als bei Hitzewellen sieht der Wetterdienst noch Forschungsbedarf, um einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Starkregenereignissen wissenschaftlich abzusichern. So unterscheide sich die Häufigkeit des Auftretens von Jahr zu Jahr. Für die Bewertung der Trends durch flächendeckende Radarmessungen liegen den Forschern zudem erst ab 2001 Daten vor – eine relativ kurze Zeit. Für einige Regionen in Deutschland aber deuten Radarmessungen darauf hin, dass Starkregen häufiger geworden sei.

Starkregen Mühlenkamp
Daten des Wetterradars deuten darauf hin, dass Starkregen immer öfter Innenstädte unter Wasser setzen. Das Bild zeigt den Mühlenkamp in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Trockenheit – 2024 mit seinem nassen Frühjahr war anders

Das Jahr 2024 bildet eine Ausnahme vom zunehmenden Trockenheitstrend der letzten Jahre, stellt der DWD fest. Die deutlich erhöhte Niederschlagsmenge im Winter und Frühjahr habe für hohe Bodenfeuchtigkeit und gute Ausgangsbedingungen für die Feldfrüchte gesorgt. „Ausnahmen wie das Jahr 2024 mit einem sehr nassen Frühjahr widerlegen diesen Trend nicht, sie sind Teil der natürliche Variabilität“, sagte DWD-Vorstand Fuchs. „Für die Landwirtschaft bedeutet das: Um weiterhin ausreichend Erträge zu haben, müssen schnell Pflanzen angebaut werden, die mit diesen klimatischen Veränderungen – wärmer und trockener – besser zurechtkommen. Zugleich muss der Wasserverbrauch reduziert werden.“

Trend in Deutschland sei, dass die Böden im Frühjahr schneller und im Sommer stärker austrocknen. So sei die Zunahme der trockenen Jahre seit 1961 im Vergleich zum Zeitraum 1991 bis 2020 sehr auffällig.

Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen.Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.