Düsseldorf. Extremwetter nehmen zu, im Ruhrgebiet drohen mehr Hitzewellen. Hat das Land ein Rezept gegen die Folgen einer Klimakatastrophe?

Die Prognose ist düster: Hitze, Starkregen und andere Wetterextreme dürften in NRW immer mehr zunehmen. Besonders in den Städten des Ruhrgebiets und in den rheinischen Metropolen droht eine Zunahme von Hitzewellen. Um sich für die erwarteten Herausforderungen des Klimawandels zu wappnen, setzt NRW auf eine neue „Klimaanpassungsstrategie“ mit 110 Maßnahmen, die bis 2029 verwirklicht werden sollen. Dazu zählen der Erhalt von Waldflächen ebenso wie mehr Trinkwasserbrunnen in den Städten und Verbesserungen beim Katastrophenschutz.

Schlimme Vorhersage: Bis zu fünf Hitzewellen jedes Jahr im Ruhrgebiet

„Die Klimakrise ist auch bei uns längst angekommen und hat schon jetzt gravierende Folgen für Mensch, Umwelt und Infrastruktur“, sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) am Dienstag. Er warnte vor Szenarien, die weit über die Erfahrungen hinausgehen könnten, die die Menschen bisher mit den Folgen des Klimawandels machten.

„Die Klimakrise hat schon jetzt gravierende Folgen“: NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne).
„Die Klimakrise hat schon jetzt gravierende Folgen“: NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne). © dpa | Henning Kaiser

Barbara Köllner, Vizepräsidentin des Landesumweltamtes Lanuv, sagte eine deutliche Zunahme von heißen Tagen im dicht besiedelten Ruhrgebiet und entlang der Rheinschiene voraus. „Im Durchschnitt der letzten 30 Jahre gab es in NRW 0,3 Hitzewellen pro Jahr, also alle drei Jahre eine Hitzewelle“, so Köllner.

Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sei in Nordrhein-Westfalen im günstigsten Fall im Schnitt jährlich mit einer Hitzewelle zu rechen, womöglich sogar mit mehr. An Rhein und Ruhr könnten im Schnitt sogar bis zu fünf Hitzewellen pro Jahr die Bürgerinnen und Bürger belasten. Hitzewelle bedeutet: mindestens drei aufeinander folgende Tage mit mehr als 30 Grad.

Das Ruhrgebiet hat gerade eine eigene Anpassungs-Strategie an den Klimawandel beschlossen. Ende September gab die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR), das „Ruhrparlament“, dafür grünes Licht.

Klimawandel belastet auch Wirtschaft im Revier

Zum gerade beschlossenen Handlungsprogramm des Ruhrgebietes zur Klimaanpassung erklärt der Regionalverband RVR: „Das Klima hat sich auch im Ruhrgebiet in den letzten Jahren spürbar verändert, und es wird sich weiter ändern. Deutlich mehr Starkregen, Hitze und Trockenheit werden erwartet. Die Folge sind beispielsweise Hochwasser, Waldbrände und Stürme. Diese Auswirkungen spüren aber nicht nur Mensch und Umwelt, sondern auch die Wirtschaft.“

Eine aktuelle Auswertung der Prognos AG im Auftrag des RVR habe ergeben, dass beispielsweise die hitzebedingten Produktionsausfälle an heißen Tagen (Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 30°C) in Zukunft voraussichtlich Kosten im Ruhrgebiet in Höhe von 300 bis 600 Millionen Euro pro Jahr zur Folge haben könnten. Hinzu kämen weitere finanzielle Belastungen beispielsweise durch Niedrigwasser oder Auswirkungen im Gesundheitssystem.

Um 1,6 Grad ist die Temperatur schon gestiegen, drei Grad mehr könnten es werden

Diese und andere Vorhersagen zur Entwicklung des Klimas in NRW fußen auf dem Fachbericht „Klimaentwicklung und Klimaprojektionen in NRW“, den das Lanuv veröffentlicht hat. Sollten die Maßnahmen gegen den Klimawandel zu kurz greifen, rechnen die Fachleute bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem Temperaturanstieg von drei Grad im Vergleich zu der Zeit vor der Industrialisierung.

Lesen Sie hier die Details zur Studie des Landes-Umweltamtes: „NRW muss sich anpassen“

Der Klimawandel sei aber heute schon deutlich zu spüren, so das Lanuv. Im Vergleich zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sei die Jahres-Durchschnittstemperatur in NRW um 1,6 Grad gestiegen, die „heißen Tage“ über 30 Grad hätten sich auf acht verdoppelt, die Zahl der Schnee- und Eistage dagegen mehr als halbiert.

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Bereits heute seien in den dicht besiedelten Gebieten 6,9 Millionen Menschen von Hitzebelastung betroffen, im Jahr 2050 dürften es laut den Prognosen bis zu elf Millionen Menschen werden. 2023 sei außerdem das nasseste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in NRW gewesen, hieß es am Dienstag.

Oliver Krischer: „Das Extreme wird das neue Normal“

Minister Krischer sagte, man müsse sich darauf einstellen, dass das Extreme „das neue Normal“ werde. Von 2018 bis 2020 und 2022 habe NRW vier Dürresommer mit Ernteausfällen, dramatischen Waldschäden und historischen Tiefständen der Gewässer erlebt, 2021 ein katastrophales Hochwasser.

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Wie der Klimawandel NRW schon verändert hat, lesen Sie hier.

Das Land will sich mit einem mehr als 100 Maßnahmen umfassenden Maßnahmenpaket auf die erwarteten Extreme vorbereiten und nimmt dabei die meisten Landesministerien in die Pflicht. Zur „Klimaanpassungsstrategie“ gehören eine neue Waldstrategie mit widerstandsfähigeren Baumarten, der Schutz von Mooren und anderen Feuchtgebieten, Konzepte für sogenannte „Schwammstädte“, die Starkregen auffangen und Wasser an Hitzetagen zur Kühlung nutzen können, die nachhaltige Nutzung des Grundwassers sowie die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema.

Zum Teil sind diese Maßnahmen nur Fortschreibungen von bestehenden Programmen, zum Teil sind sie sehr allgemein gehalten oder zielen auf die Überprüfung heutiger Instrumente gegen die Folgen des Klimawandels. Die Hoffnung ist aber, dass durch die Größe des Pakets am Ende ein echter Schutz für die Bürgerinnen und Bürger herauskommt.

Opposition spricht von einer „110 Punkte langen Mogelpackung“

Die SPD nannte die Klimaanpassungspläne der Landesregierung eine „110 Punkte lange Mogelpackung“. Ihr Umweltexperte René Schneider teilte mit: „Finanziell wird in der Liste vollmundig angekündigt, was zeitgleich im Haushalt 2025 bereits still und leise weggekürzt wird. Für den Hochwasserschutz etwa gibt es keinen Cent mehr, obwohl Experten eine Milliarde Euro im Jahr fordern – aktuell sind es gerade mal etwa 84 Millionen Euro.“ Wer genau hinschaue, finde nicht einmal Projekte wie die Landesstelle für Katastrophenschutz wieder, die vor zwei Jahren von Ministerpräsident Hendrik Wüst angekündigt worden sei.

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