Essen. Der Essener Unternehmer Mark Steinbach ist mit Opta Data einer der großen Arbeitgeber im Ruhrgebiet – ein Interview über seine Pläne.
Bei einer Umfrage auf der Straße zu den großen Arbeitgebern im Ruhrgebiet, werden viele Menschen an Eon, RWE, Thyssenkrupp oder Aldi denken, aber nur wenige an Opta Data. Dabei beschäftigt der Abrechnungsdienstleistern allein in Essen rund 2000 Menschen und kann insofern mit den großen Namen mithalten. In unserem Interview spricht Firmenchef Mark Steinbach über seine Strategie für das Familienunternehmen, das wachsende Geschäft mit Pflegediensten, Sanitätshäusern, Physiotherapeuten, Krankentransporten oder Hörgeräteakustikern – und über seine Beteiligung an einer Privatbank.
Warum ist Ihre Firma noch so unbekannt, Herr Steinbach?
Steinbach: Viele Menschen kennen Opta Data nicht, das ist richtig. Aber in den Branchen unserer Kunden kennen uns fast alle. Wir haben das untersuchen lassen. Im Kreis der Gesundheitsfachberufe – also bei Pflegediensten, Sanitätshäusern, Physiotherapeuten, Krankentransporten oder Hörgeräteakustikern – haben wir einen Bekanntheitsgrad von rund 90 Prozent. Das ist fast schon wie Coca-Cola bei Konsumenten.
Für Ihre Kunden kümmern Sie sich, salopp gesagt, um das, was man klassischerweise den „Papierkram“ nennt – oder?
Steinbach: So kann man das formulieren, auch wenn wir zunehmend weniger mit Papier und immer häufiger mit digitalen Dokumenten und Software zu tun haben. Bundesweit sind wir der führende Abrechnungsdienstleister im Gesundheitswesen, bieten IT- und Software-Dienstleitungen an und sind Treiber der Digitalisierung. Wir entwickeln uns mehr und mehr zu einem Technologie-Unternehmen.
Inwiefern?
Steinbach: Der Kern unseres Geschäftsmodells ist, unsere Kunden, also zum Beispiel einen Pflegedienst, bei der Verwaltung zu entlasten. Je weniger Arbeit hier anfällt, umso mehr Zeit bleibt im Alltag für das Wichtigste: den Dienst am Menschen. Bei den Betrieben, für die wir tätig sind, fallen über die reine Abrechnung hinaus viele weitere Aufgaben an, die erledigt werden müssen. Das Prüfen von Abrechnungen, die Verwaltung von Aufträgen und Call-Center-Dienste. Hinzu kommen Finanzdienstleistungen, die auch einen großen Teil unseres Geschäfts ausmachen. Wir wollen unser Spektrum stetig erweitern.
Wieso sind Sie auch als Finanzdienstleister tätig?
Steinbach: Wenn ein Sanitätshaus, um ein Beispiel zu nennen, Rechnungen ausstellt, muss es einige Tage oder Wochen auf das Geld warten. Diese Zeit überbrücken wir durch eine Vorfinanzierung. Meist bekommen wir von unseren Kunden die Abrechnungen gebündelt. Wir sorgen dann dafür, dass die Erlöse – meistens aus den Töpfen der Krankenkassen – bei unseren Kunden ankommen.
Wie viel Geld wird dabei hin- und herbewegt?
Steinbach: In diesem Jahr wird unser Abrechnungsvolumen auf rund 13,5 Milliarden Euro steigen. In den Jahren 2020 bis 2023 sind wir im Schnitt um elf Prozent gewachsen. Uns ist es sehr wichtig, dass wir kontinuierlich und solide zulegen.
Sie und die Mitgesellschafter der Opta Data-Gruppe halten die Mehrheit am Bankhaus Bauer – eine 1931 gegründete Privatbank. Warum?
Steinbach: Wir sehen große Schnittmengen in den Geschäften von Opta Data und dem Bankhaus Bauer. Von Kunden haben wir oft die Frage gehört: „Könnt ihr das Geld, das bei euch steht, auch verzinsen?“ Für eine solche Aktivität ist aber eine Banklizenz erforderlich. Mit dem Bankhaus Bauer können wir auch gezielt Gesundheitsfachberufe ansprechen, also Pflegedienste, Sanitätshäuser oder Physiotherapeuten etwa, die einen neuen Standort eröffnen wollen und das finanzieren müssen oder andere Banking-Lösungen benötigen.
Das Unternehmen Opta Data hat seine Ursprünge im Geschäft mit Optikern. Welche Rolle spielt diese Kundengruppe noch für Sie?
Steinbach: Optiker sind noch bei uns, aber nicht mehr in der großen Zahl wie in der Vergangenheit. Im Jahr 2003 gab es eine Gesetzesänderung, die uns hart getroffen hat. Brillen sind aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen worden. Damit ist ein wichtiger Teil unseres Geschäfts weggebrochen. Wir waren aber glücklicherweise als Unternehmen schon so breit aufgestellt, dass wir das verkraftet haben.
Was macht Sie so sicher, dass Ihr Unternehmen weiter prosperieren wird?
Steinbach: Mit dem Gesundheitswesen sind wir in einer Wachstumsbranche aktiv. Die Menschen werden älter, es gibt mehr medizinischen Fortschritt. Wir stellen uns darauf ein, dass die Digitalisierung in der Branche zunimmt. Das berücksichtigen wir auch, wenn wir neue Leute einstellen. In früheren Jahren waren es häufig Menschen mit kaufmännischen Kenntnissen, heute sind es oft IT-Experten.
Wie kam es eigentlich zur Firmengründung?
Steinbach: Die Idee ist Anfang der 70er Jahre beim Feierabendbier entstanden. Unser Gründungsgesellschafter Karl-Heinz Windhaus hat sich mit einem Optiker zusammengetan. Das erste Büro befand sich in einer angemieteten Wohnung am Viehofer Platz in Essen. Damals kam dann auch mein Vater schon dazu.
Hat ihr Vater Sie schon früh als Nachfolger im Blick gehabt?
Steinbach: Meine Eltern haben mir nie das Gefühl gegeben, dass ich unbedingt einmal die Firma führen müsste. Diesen Druck gab es nicht. Ich habe meinen Vater hin und wieder im Büro besucht und daher auch manches mitbekommen. Aber meine berufliche Laufbahn habe ich außerhalb unseres Familienunternehmens begonnen – und zwar bei der Allianz in Frankfurt. Dort habe ich kennengelernt, was Konzernstrukturen sind.
„Die Menschen müssen den Ideen folgen“
Hat es Sie nicht gereizt, in einem Großkonzern Karriere zu machen?
Steinbach: Ich habe viel bei der Allianz gelernt, aber mir war auch klar, dass ich das nicht ein Leben lang machen möchte. Geprägt hat mich die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz, die bekanntlich kein Erfolg war. Da ist mir klar geworden: Konzepte funktionieren nur, wenn der Faktor Mensch mitspielt. Die Menschen müssen den Ideen folgen, sie müssen aus Überzeugung auch anderen Menschen folgen wollen. Sonst hilft alles Geld nicht.
Waren Sie froh, als Ihr Vater Peter Steinbach Sie gefragt hat, ob Sie ins Familienunternehmen kommen möchten?
Steinbach: Ich musste jedenfalls nicht lange nachdenken, bevor ich Ja gesagt habe. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt 57, ich Ende 20. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, mit 60 Jahren aufzuhören, und das hat er dann auch gemacht. Im Jahr 2002 habe ich als Assistent meines Vaters begonnen, im Januar 2005 bin ich dann in die Geschäftsführung aufgerückt. Mitte 2005, kurz vor seinem 60. Geburtstag, ist mein Vater aus der Firma ausgeschieden.
Hat sich Ihr Vater danach noch oft eingemischt, als Sie zusammen mit Ihrem Geschäftsführerkollegen Andreas Fischer die Verantwortung übernommen haben?
Steinbach: Im Gegenteil. Er hat Andreas Fischer und mich komplett gewähren lassen, hat nie reingeredet. Wenn ich zurückblicke, kann ich nur sagen: Das ist sehr, sehr gut gelaufen.
Als Sie in die Firma kamen, hatten Sie etwa 600 Beschäftigte, jetzt mehr als 3000. Als geschäftsführender Gesellschafter haben Sie eine besondere Verantwortung. Haben Sie auch schonmal daran gedacht, sich auf die Rolle des Miteigentümers zu beschränken und externe Manager zu engagieren, die Ihren Job machen?
Steinbach: Ich bin jeden Tag mit Haut und Haaren dabei – von Beginn an mit wachsender Begeisterung. Es ist einfach eine spannende Zeit im Gesundheitswesen. Ich bin davon überzeugt, dass wir Verbesserung im Sinne der Menschen, der Patienten, erreichen können.
Ein Beispiel, bitte.
Steinbach: Wir brauchen die digitale Patientenakte flächendeckend. Derzeit entstehen an vielen Stellen Doppelarbeiten, Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Behandlung einzelner Patienten müssen mühsam aufs Neue gewonnen werden. Das ist ineffizient, kostet Zeit und Geld. Ein Physiotherapeut sollte auch unmittelbar auf das Datenmaterial zu seinem Patienten aus der Klinik zugreifen können.
„Vieles verhindert derzeit der Datenschutz“
Würden Sie sich eine App wünschen, auf der ein Patient alle seine Informationen unmittelbar parat hat?
Steinbach: Das ist sicherlich eine charmante Idee. Vieles verhindert derzeit der Datenschutz. Ich würde mir an dieser Stelle mehr Offenheit wünschen.
Wenn Ärzte mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen, bleiben den Patienten meist die Daten verborgen. Gut so?
Steinbach: Ich fände es besser, wenn es hier mehr Transparenz gäbe. Aber natürlich müsste auch sichergestellt sein, dass die Rechnung für medizinische Laien verständlich ist. Sprich: ohne Fachchinesisch. Aber zugegeben: Ein solcher Eingriff würde das System sehr verändern.
Können Sie sich auch eine Auslandsexpansion von Opta Data vorstellen?
Steinbach: Das deutsche Gesundheitswesen ist sehr spezifisch. Was wir tun, lässt sich also nicht ohne Weiteres auf andere Länder übertragen. Wir sind in kleinerem Umfang in Österreich aktiv. Außerdem haben wir Standorte in Tschechien und Polen, von denen wir mit Blick auf unser deutsches Geschäft unterstützt werden. Aber eine Auslandsexpansion großen Stils streben wir nicht an. Wir wollen uns nicht verzetteln.
Auch weil das Wachstumspotenzial in Deutschland noch nicht ausgereizt ist?
Steinbach: Genau. Im vergangenen Jahr haben wir knapp 250 Millionen Euro erreicht. 2024 steuern wir auf rund 300 Millionen Euro zu. Ich gehe davon aus, dass wir in einer ähnlichen Größenordnung auch in den kommenden Jahren zulegen können.
In Essen haben Sie Ihren Firmencampus deutlich erweitert. Wird auch die Belegschaft kontinuierlich größer?
Steinbach: Wir bauen Arbeitsplätze auf. In diesem Jahr haben wir rund 300 neue Mitarbeiter eingestellt, davon 100 neue Stellen besetzt. Damit sind wir nun bei einer Belegschaft mit etwa 3000 Menschen. Ich gehe davon aus, dass wir auch in den nächsten Jahren ähnlichen Zuwachs sehen wie 2024.
Bremst Sie ein Mangel an Fachkräften?
Steinbach: Wir kämpfen um die besten Köpfe. Der Arbeitsmarkt ist durchaus eng. In Essen konkurrieren wir schließlich auch mit mehreren Dax-Konzernen.
„Dass wir uns alle duzen, tut uns gut“
Womit wollen Sie punkten?
Steinbach: Gerade auch mit unserer Firmenkultur. Menschen, die zu uns kommen, können Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Wir sind ein kommunikativer Betrieb. Mobiles Arbeiten ist bei uns ebenfalls gängige Praxis. Wir haben ein eigenes Fitness-Studio auf dem Campus, eine Betriebs-Kita, Dienstfahrräder, auch Yoga-Kurse bieten wir an. Aber klar ist auch: Das Gehalt ist die wichtigste Sozialleistung.
Sie verfügen auch über Standorte in Städten wie Hamburg, Berlin und Erfurt. Ist Essen, wo Sie aus ihrem Chefbüro auf einen Schrebergarten schauen, als Ort für die Firmenzentrale unangefochten?
Steinbach: Wir schätzen den Standort Essen wirklich sehr. Hier ist unsere Heimat, und hier wollen wir auch wachsen. Das steht außer Frage.
Vor einiger Zeit haben Sie eine Duz-Kultur im Unternehmen etabliert. Bereuen Sie die Entscheidung?
Steinbach: Nein. Dass wir uns alle duzen, tut uns gut. Ganz am Anfang war es vielleicht noch etwas gewöhnungsbedürftig, dass ich plötzlich für alle nur „der Mark“ bin. Und ein gewisses Risiko bestand auch, denn eine solche Entscheidung lässt sich praktisch nicht mehr zurückdrehen. Aber ich bin davon überzeugt: Das war der absolut richtige Schritt. Wir gehen jetzt einfach lockerer miteinander um.
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