Duisburg. Duisburger Reiseveranstalter Schauinsland will nach FTI-Pleite weiter wachsen. Steffen Kassner übernimmt in der 4. Generation Verantwortung.

Trotz steigender Preise wächst der Duisburger Tourismuskonzern Schauinsland. Im vergangenen Jahr hat das Familienunternehmen die Zwei-Milliarden-Umsatzmarke übersprungen. Wie sie auf die Verteuerungen von Hotels und Flügen reagieren und von der Insolvenz des Wettbewerbers FTI profitieren wollen, erzählen Gerald und Steffen Kassner. Der 29-Jährige ist vor einigen Wochen als Vertreter der vierten Generation in die Geschäftsführung eingetreten und führt die Schauinsland-Gruppe nun gemeinsam mit seinem Vater.

Nach der Insolvenz von FTI ist Schauinsland zum drittgrößten Flugreisen-Anbieter in Deutschland mit zuletzt 2,15 Milliarden Euro Jahresumsatz und 1,88 Millionen Gästen aufgestiegen – hinter Tui und Dertour. Begonnen haben Ihre Großeltern bzw. Urgroßeltern mit einem kleinen Reisebüro in Duisburg-Marxloh.

Gerald Kassner: Diese Entwicklung hätte ich vor 30 Jahren nicht für möglich gehalten. Als ich 1997 als dritte Generation die Geschäftsführung übernommen habe, machten wir 50 Millionen D-Mark Umsatz und hatten das große Ziel, die 100-Millionen-Marke zu erreichen. Dann ging die Post so richtig ab. Heute haben wir im Duisburger Innenhafen mehr als 600 Beschäftigte. Über die Jahre haben wir unser Portfolio in sämtlichen Zielgebieten enorm erweitert und dadurch viele neue Kunden gewonnen. Der Aufwärtstrend ist aber auch mit der Corona-Pandemie zu erklären. Nach Jahren des Verzichts haben die Menschen einen großen Nachholbedarf zu reisen.

FTI verschwindet vom Markt, Galeria hat ihre Reisebüros an den ADAC verkauft. Wie es scheint, haben Kundinnen und Kunden immer weniger Wahlmöglichkeiten, wo sie buchen.

Gerald Kassner: Das glaube ich nicht. Es gibt immer noch ein breites Angebotsspektrum in Deutschland. Zwar sind es insgesamt weniger Reisebüros, die machen aber dafür mehr Umsatz. Vor allem Mittelständler sind gewachsen. Der Wettbewerb funktioniert – auch unter den großen Reiseveranstaltern. Ein Indiz dafür ist, dass die Preise trotz der FTI-Insolvenz nicht gestiegen sind.

Gerald Kassner ist derzeit noch alleiniger Gesellschafter von Schauinsland-Reisen in Duisburg.
Gerald Kassner ist derzeit noch alleiniger Gesellschafter von Schauinsland-Reisen in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Profitiert Schauinsland von der FTI-Pleite?

Gerald Kassner: Wir haben Hotel-Kontingente von FTI übernommen. Als wirtschaftlich stark aufgestellter Reiseveranstalter waren wir für viele Partner eine der ersten Anlaufstellen, um frei gewordene FTI-Kapazitäten aufzufangen. Wir wollen außerdem einige Mitarbeitende übernehmen. Das schafft uns die Möglichkeit, noch weiter zu wachsen.

Die Preise sind schon stark gestiegen, bevor FTI ins Schlingern geriet. Wird Reisen unbezahlbar?

Steffen Kassner: Wir arbeiten jeden Tag hart daran, dass genau das nicht passiert. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind die Kosten für Lebensmittel und Energie erheblich in die Höhe gegangen. Das bekommen natürlich auch die Hotels und Fluglinien zu spüren. In der Türkei haben wir eine deutlich zweistellige Inflation gesehen. In der Folge sind auch die Preise für Reisen gestiegen.

Wie hat Schauinsland reagiert?

Steffen Kassner: Wir haben auch unser Angebot an Drei- und Vier-Sterne-Hotels gezielt ausgeweitet. Diese Kategorie bietet beispielsweise kostenbewussten Familien ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis. Unser Ansatz ist, dass wir vor allem Hotels in der ersten Strandreihe anbieten. Die 3- und 4-Sterne-Hotels dort haben ebenfalls einen hohen Standard und viel zu bieten. Ab dem kommenden Jahr planen wir zudem, Albanien als Reiseziel ins Programm aufzunehmen. Mit seiner Küste entlang der Adria und am ionischen Meer ist Albanien vor allem für preisbewusste Kunden ein weiteres attraktives Reiseziel mit sehr gutem Preis-/Leistungsverhältnis.

Die Zuwächse nicht nur bei Schauinsland zeigen, dass die Leute trotz Wirtschaftskrise und Kriegen vor der Haustür reisen wollen.

Gerald Kassner: Urlaub ist seit eh und je eines der höchsten Güter der Deutschen. Sie sparen eher bei der Bekleidung oder der Anschaffung von Möbeln, aber nicht beim Reisen. Wir beobachten allerdings, dass die Aufenthalte kürzer werden, im Schnitt sind es inzwischen 10,9 Tage. Und die Menschen buchen immer früher. Wir haben schon zahlreiche Buchungen für den Sommer 2025, obwohl die Kataloge noch gar nicht erschienen sind.

Steffen Kassner ist im Alter von 29 Jahren Mitglied der Schauinsland-Geschäftsführung geworden.
Steffen Kassner ist im Alter von 29 Jahren Mitglied der Schauinsland-Geschäftsführung geworden. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Steffen Kassner, Sie sind 29 Jahre alt und seit einigen Wochen der Vertreter der vierten Familien-Generation in der Schauinsland-Geschäftsführung. Wie funktioniert die Arbeit Tür an Tür mit Ihrem Vater?

Steffen Kassner: Es funktioniert grundsätzlich gut, wir haben ein harmonisches Verhältnis. Es gibt natürlich auch Meinungsverschiedenheiten. Darüber sprechen wir aber immer ganz offen, zum Beispiel beim Mittagessen in der Kantine. Es ist wichtig, sich ausreichend Zeit zu nehmen, Differenzen zu besprechen und konstruktiv zu klären. Das gelingt uns bislang sehr gut.

Gerald Kassner, sind Sie erleichtert, dass das Unternehmen in Familienhand bleibt?

Gerald Kassner: Ich habe meine beiden Söhne frühzeitig gebeten: Macht Euch Gedanken, ansonsten muss ich irgendwann die Firma verkaufen. Ich war natürlich erleichtert, als Steffen im Alter von 18 Jahren gesagt hat: Papa, ich mache es. Mein zweiter Sohn hat sich für einen ganz anderen Weg entschieden, das ist aber auch in Ordnung. Ich habe keinerlei Druck ausgeübt, das wäre auch falsch gewesen.

Wie haben Sie sich auf die neue Aufgabe vorbereitet?

Steffen Kassner: Ich habe mit Tourismus Management und Corporate Finance zunächst mein Studium darauf ausgerichtet und dann jahrelang darauf hingearbeitet. Ich habe von den Managern und Abteilungsleitern bei Schauinsland-Reisen von Beginn an viel gelernt und wurde intensiv mit einbezogen und an die verschiedenen Themenfelder herangeführt. Außerdem ist es wichtig, auch als Geschäftsführer immer weiter zu lernen und es für sich selbst zu akzeptieren, dass man auch mal Fehler macht. Ich bin mir der großen Verantwortung auf jeden Fall bewusst und davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war.

In der Geschäftsführung sind Sie unter anderem für Digitalisierung zuständig. Ist das gute alte Reisebüro ein Auslaufmodell?

Steffen Kassner: Ganz und gar nicht. Wir haben mit unseren Beteiligungen bundesweit fast 70 Reisebüros. Darüber hinaus arbeiten wir mit mehr als 8000 weiteren Büros zusammen. Das wird unser Hauptvertriebsweg bleiben. Zwei Drittel unserer Buchungen laufen über stationäre Reisebüros. Wir wollen ihnen jedoch dabei helfen, sich digitaler aufzustellen und die sozialen Medien stärker einzubinden.

Sie kümmern sich außerdem um den Bereich Nachhaltigkeit. Welche Akzente wollen Sie dabei setzen?

Steffen Kassner: Wir nehmen sehr ernst, dass Reisen negative Auswirkungen auf das Klima haben kann. Wir kennzeichnen zum Beispiel Hotels, die als umweltfreundlich zertifiziert sind und bieten unseren Kunden an, den CO2-Ausstoß, der bei ihren Flügen entsteht, zu kompensieren. Unsere Firmenzentrale im Duisburger Innenhafen soll langfristig klimaneutral werden, indem wir beispielsweise schon einen Großteil unserer Dienstwagenflotte auf E-Mobilität umgestellt haben und unsere alte Photovoltaik-Anlage vor Kurzem gegen eine neue 135-KW-Anlage ausgetauscht haben. Die CSRD-Richtline der EU verpflichtet uns als Unternehmen außerdem dazu, in Zukunft transparent darüber zu berichten, wie nachhaltig wir sind und welche Auswirkungen unser Geschäft auf die Umwelt hat. Deshalb arbeiten wir schon länger intensiv an diesem Thema, um hier langfristig einen wertvollen und authentischen Beitrag zu leisten.

Auf Mallorca und in Barcelona gibt es Proteste gegen Massentourismus, Venedig nimmt inzwischen eine Eintrittsgebühr. Läuft die Reiselust der Menschen aus dem Ruder?

Gerald Kassner: Nein. Wir bei Schauinsland machen auch Angebote im Volumen-Tourismus, wie wir die stark nachgefragten Ziele nennen. Die Leute wollen das, deshalb kann man es nicht ignorieren. Wir müssen aber darauf achten, dass Tourismus nicht aus dem Ruder läuft. Allerdings sorgt nicht der klassische Hoteltourismus für Schwierigkeiten, sondern vor allem Ferienhäuser und -wohnungen, die vielfach illegal vermietet werden. Das muss stärker kontrolliert werden, denn man darf die Bedürfnisse von Einwohnern und Beschäftigten an den Urlaubsorten nicht vergessen.

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