Essen. Bei der Essener RAG-Stiftung bekommen Grüne und Liberale mehr Gewicht: Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner sind nun im Kuratorium.

Wenn es um die Belange der Essener RAG-Stiftung geht, können künftig Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mitreden. Nach der Bundestagswahl hat es im Kuratorium der einflussreichen Stiftung ein Stühlerücken gegeben. Mit dem Ende der Großen Koalition und dem Start der neuen Ampel-Regierung bekommen Grüne und Liberale bei der wichtigen Ruhrgebietsinstitution mehr Gewicht. Denn die Amtsvorgänger von Habeck und Lindner, Peter Altmaier (CDU) sowie der frühere Finanzminister und neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), sind – wie es die Stiftungssatzung vorsieht – ausgeschieden.

Die RAG-Stiftung, die auf dem Essener Welterbe-Gelände Zollverein residiert, gehört zu den wichtigsten unternehmerischen Akteuren im Ruhrgebiet. Vorstandschef Bernd Tönjes spricht gerne von einem „Stiftungskonzern“. Ein weit verzweigtes Firmen-Konglomerat ist in den vergangenen Jahren entstanden. Ende 2020 überschritt das Gesamtvermögen der im Jahr 2007 gegründeten Stiftung erstmals die Marke von 20 Milliarden Euro. Einen großen Teil der Erträge liefert der börsennotierte Essener Chemiekonzern Evonik, der sich mehrheitlich in den Händen der RAG-Stiftung befindet.

Vor einigen Monaten hat sich die RAG-Stiftung auch an der Übernahme der Thyssenkrupp-Aufzugsparte TK Elevator mit mehr als 50.000 Beschäftigten beteiligt. Zum Portfolio gehören zudem der Gelsenkirchener Wohnungskonzern Vivawest und zahlreiche mittelständische Unternehmen.

Einflussreicher Akteur im Ruhrgebiet mit vielen Firmenbeteiligungen

Eine wichtige Rolle in der Strategie der RAG-Stiftung spielt zudem eine Beteiligungsgesellschaft namens RSBG. Mit kleineren Beträgen ist die Stiftung früheren Angaben zufolge an etwa 20.000 Unternehmen weltweit beteiligt. Geld hat die Stiftung auch in eine Immobilienfirma des österreichischen Investors René Benko gesteckt, der mit seiner Signa-Gruppe beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof das Sagen hat.

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Die Aufgabe der RAG-Stiftung ist, nach der Stilllegung der Zechen in Deutschland die mit dem Steinkohlenbergbau entstandenen Daueraufgaben zu finanzieren, ohne die Staatskasse zu belasten. Die Stiftung fördert zudem Projekte aus Bildung, Wissenschaft und Kultur.

„Das Stiftungsmodell hat sich auch unter erschwerten Bedingungen als überaus robust und krisensicher erwiesen“, sagte Vorstandschef Tönjes unlängst mit Blick auf die Corona-Krise. Es sei gelungen, die Auswirkungen der Pandemie auf die Stiftung gering zu halten.

„Anders geregelt als bei Aufsichtsgremien in der Privatwirtschaft“

Das Kuratorium setzt den Stiftungsvorstand ein und überwacht ihn bei der Führung der Geschäfte. In der Stiftungssatzung ist festgelegt, wie die Politik über das Kontrollgremium Einfluss nehmen kann. Das Ziel sei, die „politische und gesellschaftliche Einbindung der RAG-Stiftung“ abzubilden. Die personelle Besetzung des Kuratoriums sei daher „anders geregelt als bei Aufsichtsgremien in der Privatwirtschaft“, heißt es auf der Website der Stiftung. Ein besonderes Gewicht bei der RAG-Stiftung hat die NRW-Landesregierung. Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ist als Nachfolger von Armin Laschet neu ins Kontrollgremium der Stiftung gekommen.

Wüst gehört ebenso wie Habeck und Lindner zu den sogenannten „geborenen Mitgliedern“ des Kuratoriums. Gleiches gilt für Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und den Vorsitzenden der Gewerkschaft IGBCE Michael Vassiliadis.

Gewerkschaft IGBCE verliert einen Sitz im Kuratorium der RAG-Stiftung

Das Land NRW, der Bund, das Saarland und die IGBCE entsenden zudem weitere Kuratoriumsmitglieder. Wie der Stiftungssatzung zu entnehmen ist, muss die Gewerkschaft im kommenden Jahr allerdings ein Mandat abgeben. Es wird erwartet, dass die RAG-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Barbara Schlüter ausscheidet.

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Geführt wird das Kuratorium seit vielen Jahren vom Stahl-Unternehmer und früheren RWE-Chef Jürgen Großmann, der Miteigentümer der niedersächsischen Georgsmarienhütte Holding ist. Großmann trifft bei Kuratoriumssitzungen auf eine illustre Runde, zu der momentan Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und der ehemalige Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gehören. Hinzu kommen Autoverbands-Präsidentin Hildegard Müller, Steag-Geschäftsführer Andreas Reichel, ein früherer FDP-Politiker, sowie der ehemalige Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann und Evonik-Gesamtbetriebsratschef Martin Albers. Die letzte Kuratoriumssitzung fand im November noch ohne Habeck und Lindner statt. Erst für das kommende Jahr ist ein Treffen in der neuen Konstellation geplant.

Laschet weiterhin im Kuratorium der Krupp-Stiftung

Der frühere NRW-Ministerpräsident Laschet scheidet zwar bei der RAG-Stiftung aus, ist aber weiterhin Mitglied des Kuratoriums der Essener Krupp-Stiftung. Das geht aus einer Mitteilung der Stiftung nach der jüngsten Kuratoriumssitzung hervor. Anders als bei der RAG-Stiftung ist die Mitgliedschaft im Kontrollgremium der Thyssenkrupp-Großaktionärin nicht direkt an das Ministerpräsidenten-Amt geknüpft. Häufig in der Vergangenheit waren indes amtierende NRW-Regierungschefs auch im Kuratorium der Krupp-Stiftung vertreten. Laschet ist im Dezember 2017 zum Kuratoriumsmitglied gewählt worden. Eine reguläre Amtszeit beträgt sieben Jahre.