Essen. Der Evonik-Großaktionär RAG-Stiftung hat beim Vermögen erstmals die Marke von 20 Milliarden Euro geknackt – trotz der Corona-Krise.
Trotz der Corona-Krise ist die Kasse der Essener RAG-Stiftung prall gefüllt. Ende 2020 habe das Vermögen der Stiftung erstmals die Marke von 20 Milliarden Euro überschritten, berichtete Vorstandschef Bernd Tönjes bei der Jahresbilanz im Stiftungsgebäude auf dem Essener Zollverein-Areal. „Das Stiftungsmodell hat sich auch unter erschwerten Bedingungen als überaus robust und krisensicher erwiesen“, sagte Tönjes. Es sei gelungen, die Auswirkungen der Pandemie auf die Stiftung gering zu halten. Die Stiftung habe diese „Bewährungsprobe bestanden“.
In den vergangenen Jahren ist mit der RAG-Stiftung ein weit verzweigtes Firmen-Konglomerat entstanden. Das Gesamtvermögen der Stiftung, die im Jahr 2007 gegründet worden ist, lag bereits Ende 2019 bei 18,7 Milliarden Euro. Tönjes spricht gerne von einem „Stiftungskonzern“. Einen großen Teil der Erträge liefert der Essener Chemiekonzern Evonik, der sich mehrheitlich in Händen der Stiftung befindet.
Zum Portfolio gehört auch das Gelsenkirchener Wohnungsunternehmen Vivawest. Vor einigen Monaten ist die RAG-Stiftung zudem bei TK Elevator eingestiegen. Die ehemalige Thyssenkrupp-Aufzugsparte, die mehr als 50.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt, hat kürzlich ihren Sitz von Essen nach Düsseldorf verlagert.
„Steuerzahler wird mit den Kosten des Nachbergbaus nicht belastet“
Eine wichtige Rolle in der Strategie der RAG-Stiftung spielt die Beteiligungsgesellschaft RSBG. Mit kleineren Beträgen ist die RAG-Stiftung früheren Angaben zufolge an etwa 20.000 Unternehmen in der Welt beteiligt. Geld hat die Essener Stiftung auch in eine Immobilienfirma des österreichischen Investors René Benko gesteckt, der mit seiner Signa-Gruppe beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof das Sagen hat.
Auch interessant
Die Aufgabe der RAG-Stiftung ist, nach dem Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau in Deutschland die mit dem Bergbau entstandenen Daueraufgaben zu finanzieren, ohne auf die Staatskasse angewiesen zu sein. „Der Steuerzahler wird mit den Kosten des Nachbergbaus nicht belastet“, betonte Tönjes bei der Jahrespressekonferenz.
Evonik macht noch knapp 40 Prozent des Stiftungsvermögens aus
„Wir haben 2020 unverändert hart und erfolgreich daran gearbeitet, unser Vermögen weiter zu diversifizieren“, sagte Jürgen Rupp, der Finanzchef der Stiftung. „Insgesamt investierten wir im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro in unsere diversifizierte Kapitalanlage.“ Das weltweite, breit gestreute Kapitalanlage-Portfolio habe sich bewährt. So habe die Stiftung bereits vom wirtschaftlichen Aufschwung in Asien und USA profitiert, als der durch die Pandemie bedingte Tiefpunkt in Europa noch nicht erreicht worden sei.
Auch interessant
Evonik macht aktuell noch knapp 40 Prozent des Stiftungsvermögens aus. Der wiederholte Verkauf von Evonik-Aktien in den vergangenen Jahren sei die Basis der „auf Risikostreuung ausgerichteten Anlagestrategie“, sagte Tönjes. Die RAG-Stiftung wolle „ein wichtiger Anteilseigner und starker Ankeraktionär“ von Evonik bleiben – unabhängig von der Höhe der Beteiligung. Mit Blick auf weitere Aktienverkäufe, die möglich sind, erklärte Tönjes: „Wir lassen uns nicht von kurzfristigen Kursentwicklungen treiben, sondern verfolgen hier eine Politik der ruhigen Hand.“
Die frühere Thyssenkrupp-Tochter TK Elevator sei „bisher sehr gut durch die Corona-Krise gekommen“, sagte Stiftungsfinanzchef Rupp. Unter Führung der Investoren Advent und Cinven seien „Maßnahmen eingeleitet worden, um das Unternehmen weiter zu entwickeln“, fügte Rupp hinzu. „Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden.“
Im Jahr 2020 hat die RAG-Stiftung eigenen Angaben zufolge insgesamt „einen Jahreserfolg“ von rund 859 Millionen Euro erzielt. Ohne Berücksichtigung des Verkaufs von Evonik-Aktien Anfang 2020 sind es noch 324 Millionen Euro. Auch in das Jahr 2021 sei die RAG-Stiftung „zufriedenstellend gestartet“.
Laschet und Scholz im Kuratorium der RAG-Stiftung
Aktuell prüft die RAG-Stiftung einen Einstieg als Treuhänderin beim kommunalen Energiekonzern Steag. Schon Ende vergangenen Jahres bestätigte die Stiftung auf Anfrage, dass es dazu Gespräche mit dem Management des Unternehmens sowie der kommunalen Muttergesellschaft KSBG gebe. Die derzeitigen Eigentümer des Energiekonzerns, mehrere Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet, sind vor zehn Jahren bei der Steag eingestiegen. Für insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro übernahmen die kommunalen Betriebe die Steag von Evonik. Die RAG-Stiftung soll als Treuhänderin für Stabilität beim Ausstieg der Kommunen sorgen und einen möglichen Verkaufsprozess begleiten.
Auch interessant
Auch die Politik mischt bei der RAG-Stiftung mit. Zu den Kuratoriumsmitgliedern der Stiftung gehören unter anderem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), zwei Kanzlerkandidaten.
27 Millionen Euro pro Jahr für Förderaktivitäten
2020 war das zweite Jahr, in dem die RAG-Stiftung die sogenannten Ewigkeitsaufgaben aus dem deutschen Steinkohlenbergbau finanziert hat. Hierfür habe die Stiftung knapp 291 Millionen Euro aufgewendet, etwas weniger als im Vorjahr und „mit weiter sinkender Tendenz“, wie Tönjes betonte.
Auch interessant
In begrenztem Maße darf die Stiftung laut Satzung auch soziale Projekte in den ehemaligen Bergbauregionen unterstützen. So habe die Stiftung unter anderem ein Aufholprogramm für Grundschüler finanziert, bei denen durch Schulschließungen Nachholbedarf entstanden sei, berichtete Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung und zuständig für die Ressorts Personal und die Förderbereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur. Das Gesamtbudget im Förderbereich liege 2021 wie im Vorjahr bei 27 Millionen Euro. Seit Gründung der RAG-Stiftung seien mehr als 140 Millionen Euro in die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur geflossen.